Wahl in Georgia:Der Kandidat, der Trump ärgert

Democratic Congressional Candidate In Georgia's Special Election Jon Ossoff Campaigns In Georgia

Der demokratische Kandidat Jon Ossoff bei einem seiner jüngsten Wahlkampfauftritte in Georgia.

(Foto: AFP)
  • Im US-Bundesstaat Georgia wird an diesem Dienstag ein frei gewordener Sitz im Repräsentantenhaus nachbesetzt.
  • Der umkämpfte Bezirk ist seit 1979 in republikanischer Hand. Der Kandidat der Demokraten, ein junger Filmemacher, hat aber gute Chancen auf einen Sieg.
  • Die Wahl gilt für beide Parteien als richtungsweisend für die Zwischenwahlen im kommenden Jahr.

Von Beate Wild

Für die Demokraten ist es eine einmalige Chance, US-Präsident Donald Trump und seiner politischen Agenda einen ordentlichen Dämpfer zu verpassen: An diesem Dienstag wird in Georgia ein frei gewordener Sitz im US-Repräsentantenhaus vergeben.

Der Demokrat Jon Ossoff und die Republikanerin Karen Handel liegen im Rennen um den sechsten Wahlbezirk Kopf an Kopf. Und das, obwohl der Sitz seit 1979 fest in republikanischer Hand ist. Vakant wurde der Abgeordnetensitz im Januar, als Trump den Republikaner Tom Price zu seinem neuen Gesundheitsminister beförderte.

Die Wahl in Georgia gilt landesweit als richtungsweisend. Sollte Karen Handel verlieren, wäre das ein enormer Rückschlag für die Republikaner und ihren Präsidenten. Ihre Niederlage würde als Vorbote für die Zwischenwahlen im kommenden Jahr gelten. Selbst seriöse Analysten halten es inzwischen für möglich, dass die Konservativen dann ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren könnten.

Die Demokraten hoffen, dass ein Sieg ihres Kandidaten einen frühen Wendepunkt nach der Niederlage bei der Präsidentschaftswahl markiert. Es wäre eine klare Botschaft an Washington, dass selbst Bürger in gemäßigt-konservativen Bezirken nicht mit Trumps Politik einverstanden sind. Umgekehrt gilt aber auch: Sollte Ossoff verlieren, hätte die Partei trotz ungeheuren Aufwands und eines rekordverdächtig unbeliebten Präsidenten keinen Meinungsumschwung erreicht.

51 Millionen Dollar für den Wahlkampf ausgegeben

Die Symbolik wird noch verstärkt von den schwindelerregenden Summen, die beide Lager in diesen Wahlkampf gesteckt haben. In einem Bezirk, den zuvor niemand für einen "Swing-District" gehalten hatte, haben die beiden Kandidaten zusammen mehr als 51 Millionen Dollar ausgegeben. Handel wurde vor allem von republikanischen Super-PACs, also finanzstarken Interessengruppen aus dem ganzen Land, gesponsert. Ossoff sammelte das Geld hauptsächlich von Kleinspendern ein. Sein Budget von mehr als 24 Millionen Dollar war höher als das mancher Präsidentschaftskandidaten im vergangenen Jahr.

Die Wähler in der Gegend nördlich von Atlanta, wo nun abgestimmt wird, gelten als wohlhabend und gebildet. Nicht zu ländlich, nicht zu ideologisiert: In genau solchen Regionen wollen die Demokraten politisch wieder Land gewinnen. Sie hoffen auf die Enttäuschung und Wut vieler Republikaner über Trump. Sie sehen darin ihre Chance, solche Bezirke auch 2018 "umzudrehen". Sollte es Ossoff in Georgia gelingen, wären auch Herausforderer in anderen Stimmbezirken wählbar, so die Überlegung.

Ossoff hat zudem einen prominenten Unterstützer: Der demokratische Abgeordnete John Lewis, eine Ikone der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, trat mit dem jungen Demokraten auf. Lewis, der an der Seite von Martin Luther King für die Rechte von Afroamerikanern kämpfte, hatte sich im Januar öffentlich den Ärger des Präsidenten zugezogen. Nachdem er verkündete, er werde dessen Amtseinführung boykottieren, verunglimpfte Trump ihn auf Twitter. Bei einem Wahlkampfauftritt mit Ossoff sagte Lewis nun: "Wir müssen den Kongress wieder menschlich machen."

Schützenhilfe vom Präsidenten

Die Republikanerin Handel bekam ihrerseits im Wahlkampf Schützenhilfe nicht nur von Gesundheitsminister Price und dem ehemaligen Gouverneur von Georgia, Sonny Perdue, sondern vom Präsidenten persönlich. Trump empfahl die 55-Jährige enthusiastisch, trat im April mit ihr auf, um Wahlkampfspenden zu sammeln. Dazu setzte er zahlreiche Tweets ab. Die Botschaft: Ossoff sei ein extremer Linker, unwählbar für alle vernünftigen Amerikaner.

Karen Handel

Die republikanische Kandidatin Karen Handel mit potentiellen Wählern.

(Foto: AP)

Die Kandidatin selbst, als ehemalige "Secretary of State" in Georgia durchaus bekannt, stellt sich entschieden auf die Seite Trumps und verteidigt dessen Politik vehement. Eine Strategie, die ihr womöglich schaden könnte - moderate Republikaner und parteilose Wähler könnte diese Treue abschrecken.

Ossoff dagegen nimmt den Namen Trump bei seinen Wahlkampfauftritten gar nicht erst in den Mund. Der 30-jährige Filmemacher, der erste politische Erfahrung als Mitarbeiter des demokratischen Kongressabgeordneten Hank Johnson sammelte, ist sichtlich bemüht, sich auf Sachpolitik zu konzentrieren. Mit den Grabenkämpfen in Washington will er nicht in Verbindung gebracht werden.

Es gehe weniger um "Palast-Intrigen und das Drama in D.C.", sondern mehr darum, das Leben der Wähler zu verbessern, so seine Botschaft. Dass er im sechsten Distrikt, für den er antritt, gar nicht wohnt, sieht er nicht als Hindernis. Mit seiner Verlobten, die Medizin studiert, war er in einen Nachbarbezirk umgezogen, um in der Nähe ihrer Uni zu leben.

Dass Ossoff mit seiner respektvollen Rhetorik und seiner gemäßigt liberalen Sichtweise (er ist zwar gegen "Trumpcare", aber auch gegen Steuererhöhungen) die Wähler begeistern kann, hat er schon bewiesen. Bei der Vorwahl im April schlitterte er mit 48,1 Prozent nur knapp an der entscheidenden Mehrheit für die Demokraten vorbei. Für seinen Wahlkampf konnte er mehr als 12 000 freiwillige Helfer mobilisieren.

Die Stimmung ist aufgeheizt

Wie aufgeheizt die Stimmung in Georgia ist, zeigen indes die Drohbriefe, die beide Kandidaten erhalten haben. In Handels Büro ging sogar ein Brief ein, der weißes Pulver enthielt. Das stellte sich zwar als harmloses Backpulver heraus, doch nicht erst seit dem Attentat auf ein Baseballtraining republikanischer Abgeordneter ist die Angst vor irrationalen Aktionen eines Wahnsinnigen groß.

Einige Konservative versuchen gar, den Anschlag von Virginia in der vergangenen Woche für ihre Zwecke zu nutzen. Die konservative Aktivistengruppe "Principled PAC" brachte Ossoff mit der Schießerei in Verbindung und schaltete Werbeclips auf Fox News. Zitat: "Die gleichen verwirrten Linken, die die Schießerei letzte Woche bejubelten, unterstützen Jon Ossoff."

Brad Carver, ein Republikaner aus einem anderen Wahlbezirk in Georgia, ließ sich sogar zu der Prognose hinreißen, dass seine Partei wegen der Bluttat die Wahl gewinnen werde. Die Moderaten und Unabhängigen hätten den "linken Extremismus" satt. Später musste er sich für diese Aussage entschuldigen.

Andere Konservative schätzen die Situation vorsichtiger ein. Was Ex-Gouverneur Perdue sagt, dürften sowohl Demokraten als auch Republikaner unterschreiben: "Wir alle wissen, dass das ein Omen für die nationale Politik ist. Und die Welt, die ganze Nation schaut zu."

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