Internetsucht:Immer nur Daddeln

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Wann ist genug? Jugendlicher beim Computerspiel? (Foto: Robert Haas)

Etwa sechs Prozent der Jugendlichen in Deutschland sind süchtig nach Internetspielen. Um eine Störung zu erkennen, haben Forscher neun Kriterien aufgestellt.

Von Werner Bartens

Die Gedanken kreisen nur noch um das nächste Spiel. Wird ihnen der Zugang zu Smartphone oder Computer verwehrt, reagieren die Jugendlichen gereizt oder traurig. Um halbwegs zufrieden zu sein, müssen die täglichen Spielzeiten immer länger ausfallen.

Langjährige Hobbys und andere Freizeitbeschäftigungen brechen nach und nach weg, es bleibt schlicht keine Zeit mehr dafür, weil die Computerspiele so viel Raum einnehmen. Viele Eltern sind besorgt, weil ihre Zöglinge nur noch daddeln und alle anderen Interessen verloren zu haben scheinen.

"Störung durch Spielen von Internetspielen"

2013 wurde die Internet Gaming Disorder (IGD) als Forschungsdiagnose neu in das Manual psychischer Krankheiten DSM-5 aufgenommen. Die "Störung durch Spielen von Internetspielen", wie die Diagnose übersetzt heißt, bezieht sich auf die problematische Nutzung von Computerspielen mit vielen Kennzeichen einer Sucht. Ärzte und Psychologen des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf um Lutz Wartberg beschreiben nun im Deutschen Ärzteblatt, wie häufig die Störung bei jungen Menschen zwischen zwölf und 25 Jahren auftritt (Bd. 114, S. 419, 2017).

Demnach liegt in diesem Alter bei 5,7 Prozent eine solche Spielsucht vor. Jungen und junge Männer sind mit 8,4 Prozent mehr als doppelt so oft betroffen wie Mädchen und junge Frauen, bei denen der Anteil mit 2,9 Prozent angegeben wird. "Die exzessive und übermäßige Ausprägung führt dazu, dass andere Aktivitäten vernachlässigt werden", schreiben die Autoren. "Typisch ist beispielsweise ein zeitweiser Verzicht auf Essen oder Schlaf, um Aufgaben oder Anforderungen der Computerspiele in dieser Zeit bewältigen zu können." Das Internet häufig und intensiv zu nutzen, ist jedoch noch kein Merkmal einer krankhaften Störung. So beträgt der tägliche durchschnittliche Gebrauch bei 14- bis 29-Jährigen immerhin 245 Minuten.

Um tatsächlich von einer Störung zu reden, müssen jedoch fünf von neun Kriterien erfüllt sein. Dazu gehört die Zustimmung zu Fragen wie: "Hast du im vergangenen Jahr schon mal stundenlang an nichts anderes denken können als an den Moment, an dem du wieder spielen kannst?", "Hast du dich im vergangenen Jahr unglücklich gefühlt, wenn du nicht spielen konntest?", "Hast du im vergangenen Jahr das Spielen nicht verringern können, während andere dir sagten, dass du das tun musst?", "Hast du im vergangenen Jahr Spiele gespielt, um nicht an unangenehme Dinge denken zu müssen?", "Hast du im vergangenen Jahr Streit mit anderen gehabt durch dein Spielverhalten?", "Hast du im vergangenen Jahr die Zeit, die du Spielen gewidmet hast, vor anderen geheim gehalten?", "Hast du im vergangenen Jahr kein Interesse an Hobbys oder anderen Aktivitäten gezeigt, weil du spielen wolltest?", "Hast du im vergangenen Jahr ernsthafte Probleme mit der Familie, Freunden oder dem Partner durch das Spielen gehabt?".

Wenig Freude an anderen Tätigkeiten, Niedergeschlagenheit, Schwermut, aber auch Nervosität, Ängstlichkeit oder Anspannung gelten als weitere Kennzeichen. Die Autoren betonen, dass Jungs besonders gefährdet sind, gerade wenn sie schon in jungen Jahren Freunde und andere Interessen aufgeben.

© SZ vom 22.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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