Entwicklungshilfe:Was Afrika wirklich weiterbringt

Entwicklungshilfe: Wenn der Westen Afrika wirklich helfen will, dann muss er mehr abgeben als nur etwas Geld.

Wenn der Westen Afrika wirklich helfen will, dann muss er mehr abgeben als nur etwas Geld.

(Foto: Stringer/AP/dpa)

Die Entwicklungshilfe lässt den Kontinent wie einen Bettler erscheinen, der Geld braucht. Doch anderes wäre noch wichtiger: fairer Handel und gutes Regieren.

Kommentar von Bernd Dörries

Vor einigen Monaten beriet eine deutsche Hilfsorganisation darüber, welches Bild auf die Titelseite ihres Jahresberichts kommen soll. Eine kenianische Bäuerin mit einem Handy in der Hand, hatten die Mitarbeiter vorgeschlagen. Und waren auf Bedenken gestoßen, weil eine Frau mit einem Handy vielleicht nicht hoffnungslos genug aussehen und daher nicht genug Spenden bringen würde. Also nahm man ein anderes Foto. Eines, das dem Bild vieler von Afrika als arm und hilfebedürftig besser entspricht.

Seit Jahrzehnten appelliert die Weltgemeinschaft an das Mitleid der Spender, lässt den Klingelbeutel für Afrika herumgehen. Mit immer drastischeren Bildern und Appellen, die nicht immer unbedingt der tatsächlichen Lage entsprechen. Bilder und Mitleid nutzen sich ab mit der Zeit, es muss also stets noch krasser werden. Auch in diesen Tagen rufen die Entwicklungshilfeorganisationen die Geberstaaten und deren Bürger zu Spenden auf. Doch diese fließen nur langsam, man ist abgehärtet gegenüber dem Leid der Menschen in Afrika. Man fragt sich nach Jahrzehnten der Notrufe: Warum verändert sich nichts?

Hilfsorganisationen behaupten, vor allem bedürftige Menschen unterstützen zu wollen. Ihnen geht es aber auch um Selbsterhalt. Wie normale Unternehmen möchten sie wachsen, neue Filialen errichten, bessere Gehälter zahlen. Gäbe es keinen Hunger mehr, müssten sie sich auflösen. Das ist noch nie passiert. Es kann aus dieser Logik heraus nur mehr Hilfe geben, nicht weniger.

Gewiss: Hilfsorganisationen sind nicht das Grundübel, das man für alle Fehlentwicklungen in Afrika verantwortlich machen darf, wie es derzeit Mode ist. Sie leisten oft gute Arbeit. Dennoch sind sie auch Teil des Problems. Sie haben über Jahrzehnte ein Bild von Afrika vermittelt, das nachhaltig schadet. Afrika ist in der allgemeinen Wahrnehmung kein vielfältiger Kontinent, auf dem es reiche Menschen gibt - und sogar Autos. Afrika erscheint vielmehr wie ein einziges Land, chronisch bemitleidenswert und hilfebedürftig.

Dieses Zerrbild haben auch viele Afrikaner übernommen, sei es, weil sie es in ihrem Alltag nicht anders kennen, sei es, weil es bequem ist. Für afrikanische Politiker bedeuten die nie versiegenden Hilfsgelder, dass sie sich gar keine Mühe machen müssen, ein funktionierendes Staatswesen aufzubauen. In Nigeria wurden gerade die Hälfte aller Hilfsgüter gestohlen. In Somalia kämpfen Soldaten um Lieferungen. Im Südsudan zweigt die Regierung Güter ab, um ihre Villen in Nairobi zu finanzieren. Und was tut die internationale Gemeinschaft? Sie ringt sich vielleicht zu einer kleinen Rüge durch. Und schickt neue Hilfsgüter.

Den korrupten Regimen das Geld wegnehmen

Dieser Kreislauf macht die Spender müde, zumal in Zeiten, in denen der Boden auch im Westen immer schwankender wird und jedes Land zuerst an sich denkt. Die Entwicklungshilfe steckt in einer Legitimationskrise. Seit Jahren schon. In der Theorie wäre es daher einen Versuch wert, einem Land wie dem Südsudan einmal jegliche Hilfe zu entziehen, damit die Bürger dort beginnen, ihre Regierung für all das Elend zur Verantwortung zu ziehen. In der Praxis müsste man Millionen Menschen verhungern lassen und auf eine Art Lerneffekt hoffen - was unerträglich und unmöglich ist.

Möglich aber wäre es, korrupte Regime stärker zu kontrollieren, ihnen das Geld wegzunehmen, das sie in den Londoner Immobilienmarkt investieren, das sie auf Schwarzgeldkonten parken. Jedes Jahr verschwindet mehr Geld aus Afrika als dem Kontinent zufließt. Es ist ein Paradox, dass die Milliarden Entwicklungshilfe einerseits oft reine Verschwendung waren und andererseits doch zu wenig, um Afrika nachhaltig zu helfen.

Die deutsche Vereinigung hat ungefähr zwei Billionen Euro gekostet, für ein vergleichsweise kleines Land mit überschaubarer Einwohnerzahl. Dagegen sind die etwa 150 Milliarden, die ganz Afrika pro Jahr bekommt, ein Witz. Die Spender haben letztlich der Fernsehwerbung geglaubt: Geben Sie zwei Euro im Monat und retten Sie Afrika! So einfach wird es jedoch nicht sein. Wenn der Westen Afrika wirklich helfen will, dann muss er mehr abgeben als nur etwas Geld. Wer fairen Handel will, muss sich von einseitigen Vorteilen trennen. Sollen dort Arbeitsplätze entstehen, werden hier womöglich welche wegfallen.

Die Bundesregierung setzt mit ihrer neuen Politik auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und hat Fehler der Vergangenheit korrigiert - und macht doch gleich neue. Als Marshallplan wird das Konzept verkauft, als schnelle Lösung. Die wird es in Afrika nicht geben. Was es braucht, ist eine entschiedene Ungeduld gegenüber korrupten Regimen. Und einen langen Atem für die Menschen.

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