Verhalten von Managern:Mein Chef, das arrogante A...

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Uber-Boss Kalanick musste wegen Charakterschwächen gehen. Dabei ist er längst nicht der einzige Manager im Silicon Valley, der sich gerne mal daneben benimmt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt im Silicon Valley zwei Bezeichnungen für Travis Kalanick - und das Erstaunliche ist, dass beide Ausdruck der Bewunderung sind. Die eine lautet: genialer Visionär. Die andere: arrogantes Arschloch. Letztere trifft man im Silicon Valley häufig, und so ist die Bezeichnung hier, man muss es so sagen, inzwischen ein fester Gattungsbegriff geworden, der sich - pardon - auch nicht anders übersetzen lässt. Selten ist sie negativ gemeint, im Gegenteil. Wenn man den Menschen im Valley zuhört, klingt es oft so, als könne ein Mensch nur dann die Welt verändern, wenn er zugleich genialer Visionär und arrogantes Arschloch ist.

Kalanick hat den Fahrdienstvermittler Uber innerhalb von acht Jahren zum wertvollsten nicht-börsennotierten Unternehmen der Welt gemacht. "Einhörner" nennen Finanzinvestoren diese seltenen Firmen, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sein sollen. Uber wird inzwischen bereits mit knapp 70 Milliarden Dollar bewertet. (Zum Vergleich: SAP, der teuerste deutsche Konzern, hat einen Börsenwert von 130 Milliarden Dollar.) Uber hat also Potenzial, doch einige Investoren sahen dieses nach zahlreichen Skandalen plötzlich gefährdet. Sie drängten Kalanick deshalb vor wenigen Tagen zum Rücktritt.

Dieser Rücktritt, der eher ein Rauswurf war, trifft nicht nur das Unternehmen selbst, er rüttelt auch am Gründermythos, der im Silicon Valley ehrfürchtig gepflegt wird: Fabelwesen werden nicht geboren, sie werden von Göttern erschaffen. Kalanick war Uber, so wie Mark Zuckerberg Facebook ist, Jeff Bezos Amazon und Evan Spiegel Snapchat. So wie Steve Jobs für immer Apple sein wird und Bill Gates für immer Microsoft. Sie alle eint mehr, als man auf den ersten Blick glauben würde.

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Wer den Firmengründern bei Gesprächen oder Produktpräsentationen zuhört und statt auf Worthülsen wie "Welt verbessern" und "Disruption" mehr auf den Rhythmus achtet, der bemerkt, dass viele von ihnen mit der 1,3-fachen Geschwindigkeit normaler Menschen sprechen und zwischendurch dramaturgische Pausen einlegen. Das verstärkt den Eindruck, sie seien schlauer als die Zuhörer: Ihr Gehirn arbeitet so schnell, dass es Gedanken maschinengewehrartig abfeuert, da muss man den weniger genialen Menschen schon die Möglichkeit zum Aufholen geben.

Sie verändern ja wirklich die Welt - oder zumindest den Teil der Welt, für den sie sich interessieren, es gibt ja noch immer Kriege und Hunger und Epidemien. Ist es nicht wunderbar, dass wir fast überall per Smartphone einen Chauffeur herbeirufen können, dass uns jemand nur wenige Minuten nach der Bestellung die Einkäufe vorbeibringt und dass wir der Ex-Freundin über gefilterte Fotos quasi live beweisen können, dass wir es ohne sie auch ganz gut getroffen haben im Leben? Kalanick, der Taxi-Schreck, hat mit seinem Unternehmen eine Branche aufgescheucht, die viele für monopolistisch, undurchsichtig und unfreundlich gehalten haben. Wen interessiert es da schon, dass er letztlich nur Monopolist anstelle des Monopolisten werden wollte?

Das ist die Lehre im Techniktal an der Westküste: Wer die Welt verändern will, der muss Regeln und bisweilen auch Gesetze brechen. Der darf keine Angst haben vor Klagen der Konkurrenz oder gewaltigen Verlusten. Der darf keine Rücksicht nehmen auf Gefühle von Angestellten, auf schlechte Bezahlung von Geschäftspartnern oder Massenentlassungen in der aufgerüttelten Branche. Der muss sich geniale Ideen auch mal, nun ja, borgen und weiterentwickeln. Es herrscht Kapitaldarwinismus im Silicon Valley: Es überlebt nicht unbedingt der mit der genialsten Idee, sondern der, der sich am Ende durchsetzt.

Der Kampf lohnt sich, der Gewinner wird aufgrund der "Der-Sieger-bekommt-alles"-Mentalität derart reich, dass er sich über dem Gesetz wähnen darf. Skandale werden dann zu witzigen Anekdoten verklärt, geworfene Büromöbel (Zynga-Chef Mark Pincus, Microsoft-Manager Steve Ballmer) oder die Beleidigung von Mitarbeitern (die damalige Google-Managerin Marissa Meyer) regen kaum noch auf. Einen Eklat gibt es nur bei ganz großen Fehltritten: Mark Zuckerberg etwa verschickte vor den juristischen Auseinandersetzungen um Facebook unschöne, nicht jugendfreie Kommentare über die Kläger und frühere Partner und bezeichnete frühe Facebook-Nutzer als "Volldeppen". Oder Celery-Gründer Peter Shih, der in einem Blog aufzählte, was er an San Francisco hasst: Obdachlose, Transvestiten, Frauen.

Auch Steve Jobs, Schutzpatron aller Silicon-Valley-Gründer, ließ seinen Gedanken gern ungefiltert freien Lauf. In einem Meeting etwa begrüßte er die Anwesenden als "fucking dickless assholes", als verdammte schwanzlose Arschlöcher. Die Biographie von Walter Isaacson zeichnet das Bild eines charismatisches Genies, der auch ein übler Narziss war - der "gute Steve" und der "böse Steve", wie der Autor schreibt und zugleich die Frage aufwirft: Wäre Apple heute eines der wertvollsten Unternehmen der Welt, wenn der inzwischen verstorbene Jobs ein netter Kerl gewesen wäre? Die implizierte Antwort: natürlich nicht. Seit Jobs, der bei Apple gefeuert und später zur Rückkehr gebeten wurde, haben Gründer im Silicon Valley oft den Status der Unfehlbarkeit.

Das führt direkt zu Kalanick: Womöglich würde Uber heute nicht mehr existieren, hätte der Chef nicht frech Verbote in beinahe jeder Stadt der Welt zu unterlaufen versucht. Hätte er die Fahrer nicht unverschämt als "Unternehmer" definiert. Hätte er nicht dreist Experten von der Konkurrenz abgeworben. Hätte das Unternehmen nicht Konkurrenten, Journalisten und auch Ermittler der Polizei ausgespäht. Neue Mitarbeiter müssen bei Uber vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages ein Blatt mit 14 Grundsätzen unterschreiben. Einer dieser Grundsätze: "Always be hustlin'." Man kann hustling mit "sich ins Zeug legen" übersetzen, aber auch mit "abzocken" oder "auf den Strich gehen".

Fraglich ist, ob Kalanicks Rauswurf wirklich eine Warnung ist

Die Erkenntnis, dass Kalanick nicht nur genial ist, sondern auch ein ziemlich übler Bursch, ist also nicht neu. Das Arbeitsklima gilt nicht erst seit dem Blogeintrag der ehemaligen Angestellten Susan Fowler, die ihren Ex-Vorgesetzten Diskriminierung und sexuelle Belästigung vorwirft, als frauenfeindlich. Kalanick selbst nannte sein Unternehmen in einem Interview mit dem Magazin GQ ganz lässig "Boob-er", weil ihm seine Machtposition Geschlechtsverkehr mit vielen Frauen ermögliche. Nur 33 Prozent der Uber-Angestellten in Nordamerika sind Frauen, im oberen Management sind es nur 22 Prozent.

"Es kann im Silicon Valley überaus effizient sein, sich ausschließlich auf den Erfolg des Unternehmens zu konzentrieren", sagt Robert Sutton, Professor in Stanford und Autor des Buches "The No Asshole Rule": "Du kannst nur ein Arschloch sein, so lange du erfolgreich bist. Deine Feinde nämlich liegen im Busch und warten nur auf eine Gelegenheit, dich abzuschießen." Die wahre Genialität von Steve Jobs etwa, das behauptet sein Biograph Isaacson, lag darin, dass er sowohl charmant als auch aufbrausend sein konnte - und genau wusste, bei wem er sich welche Eigenschaft leisten konnte. Kalanick wusste das am Ende offensichtlich nicht mehr.

Eines ist nämlich wichtig: Kalanick ist nicht zum Rücktritt gedrängt worden, weil ihn die Investoren für ein arrogantes Arschloch halten. Er musste gehen, weil diese Eigenschaften dem Wert des Unternehmens schadeten. Es ist auch fraglich, ob seine Demission als Warnung dient: Kalanick sitzt noch immer im Aufsichtsrat von Uber. Und einige Mitarbeiter haben gerade einen Aufruf gestartet, ihn als Chef zurückzuholen. Er ist ein genialer Visionär und ein arrogantes Arschloch. Hach!

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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