Erderwärmung:Das Ozonloch klafft noch länger

Ozonloch über der Antarktis

So sah das Ozonloch 2013 aus. In den blauen und violetten Bereichen ist die Ozonschicht dünn.

(Foto: dpa)

Eigentlich sollte sich das Ozonloch bis Mitte des Jahrhunderts schließen. Daraus wird womöglich nichts, warnen Forscher.

Von Christopher Schrader

Die Saga vom Ozonloch ist eine Geschichte, wie Menschen sie lieben. Sie handelt von Ignoranz, Verfehlung, Erkenntnis, Gemeinschaft, Tatkraft und Erlösung: Zuerst hatte die Menschheit mit ihrer Industrie die schützende Ozonschicht in der Erdatmosphäre beschädigt und über der Antarktis sogar ein Loch hineingestanzt. Doch dann besannen sich die Staaten, und nach globaler Anstrengung auf Basis eines internationalen Vertrages namens Montreal-Protokoll sollte das Problem bis zur Mitte dieses Jahrhunderts behoben sein.

Nur hat die Sache leider einen Haken: Das Montreal-Protokoll umfasst nicht alle schädlichen Substanzen. Insbesondere ein Molekül namens Dichlormethan (CH₂Cl₂) könnte die Rettung behindern, berichtet eine englisch-amerikanische Forschergruppe um Ryan Hossaini von der Lancaster University. Der globale Ausstoß der Chemikalie hat sich zwischen 2004 und 2014 fast verdoppelt. Bleibt er auf dem heutigen Niveau von etwa einer Million Tonnen pro Jahr, könnte sich das Ozonloch fünf Jahre später schließen als erhofft. Setzt sich der Wachstumstrend fort, sodass die Emission 2050 etwa 2,8 Millionen Tonnen erreicht, dauert es sogar 30 Jahre länger (Nature Communications, online).

"Zurzeit ist die Wirkung von Dichlormethan begrenzt", sagt Hossaini. Anhaltendes Wachstum aber könnte viele "Vorteile des Montreal-Protokolls zunichtemachen". Die Substanz dient als Lösungsmittel, zum Entfetten von Metallen und Aufschäumen von Kunststoff. Die genauen Emissionsquellen sind unbekannt, ein kleiner Anteil kommt aus verbrannter Biomasse, 90 Prozent stammen aus der Industrie reicher Länder. Besonders in Indien und wohl auch in Südostasien wachsen die Emissionen stark. Das zeigten Messflüge des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie zwischen 1998 und 2012.

Dichlormethan wird, wie viele andere Substanzen, nicht von dem internationalen Vertrag geregelt, weil es eine relativ kurze Halbwertszeit von etwa fünf Monaten hat. Doch sobald das Molekül in den Tropen von Aufwinden erfasst und in höhere Schichten der Atmosphäre geblasen wird, verlängert sich seine Lebensdauer. In der Stratosphäre ab etwa 15 Kilometern Höhe bilden sich Ozon zerstörende Radikale aus den beiden Chloratomen.

Es sei inzwischen wichtiger, mahnen die Forscher um Hossaini, die unterschätzte Substanz im Montreal-Protokoll zu ergänzen, als die Produktion der dort bereits erfassten Stoffe zu unterbinden. Mit der Studie werde "klar gezeigt, dass CH₂Cl₂ künftig einen sehr bedeutenden Einfluss auf die Ozonschicht haben kann", bestätigt Johannes Orphal vom Karlsruher Institut für Technologie. "Insofern müsste diese Substanz in der Tat nun auch in das Protokoll aufgenommen werden." Andere deutsche Experten halten jedoch die von dem britischen Kollegen angenommene Steigerung der Emissionen für spekulativ.

Allerdings ist Dichlormethan nicht die einzige Substanz, die im Montreal-Abkommen fehlt. Kurzlebige Brom-Verbindungen, hatten US-amerikanische Forscher schon 2016 gezeigt, könnten die Rückbildung des Ozonlochs ebenfalls jahrelang aufhalten.

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