Gleichstellung:Die Union sollte der Ehe für alle endlich zustimmen

Die Ehe: Exklusiv nur für Mann und Frau? Das ist nicht göttlich, das ist nicht menschlich, das ist falsch. Sie zu öffnen, wird nicht nur eine Anstrengung für die Union - sondern vor allem für das Bundesverfassungsgericht.

Kommentar von Heribert Prantl

Noch ehe der Wahlkampf so richtig begonnen hat, hat sie die Ehe für alle akzeptiert: Angela Merkel ist eine Wahltaktikerin von hohen Graden; sie ist ein Urnen-Junkie. Mit kühl berechnender Souveränität erklärt sie, die Ehe für Homosexuelle öffnen zu wollen. Sie opfert eine Fundamentalposition der Union, um die Steine auf dem Weg zu ihrer neuen Regierung aus dem Weg zu räumen; es sind Steine, die ihr alle denkbaren Koalitionspartner in den Weg gelegt haben.

Die Kanzlerin will den Fraktionszwang aufheben; die Unionsabgeordneten sollen beim "Ehe für alle"-Gesetz "nur ihrem Gewissen unterworfen" entscheiden. Damit steht fest: Die Ehe für alle wird über kurz oder ganz kurz Gesetz. Grüne, FDP und SPD verlieren damit das Thema, mit dem sie die Union als altbackenen Laden beschreiben konnten. Das klingt nach einem Merkel'schen Geniestreich - und ist doch Zockerei.

Die SPD holt nämlich zum Gegenschlag aus: Sie zwingt Merkel und die Union zur sofortigen Abstimmung über die Ehe für alle. Die SPD sagt, Absichtserklärungen für die nächste Legislaturperiode reichten ihr nicht aus. Sie kann sich dafür auf ein altes Sprichwort berufen: "Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen."

Den Aufbruch in neue Zeiten muss Karlsruhe schaffen

Nun ist es freilich so, dass die Ehe für alle im Koalitionsvertrag von Union und SPD nicht enthalten ist; und es gehört zur Fundamentalnorm jeder Koalition, dass man nicht mit einem nicht abgesprochenen Gesetz vorprescht und den Koalitionspartner so nötigt oder bloßstellt; Koalitionäre agieren legislativ gemeinsam. Der Bruch der Gemeinsamkeit stellt üblicherweise einen triftigen Grund dafür da, die Koalition aufzukündigen.

Wenn nun die SPD die Ehe für alle im Bundestag zur Abstimmung stellt, so könnte die Union die Koalition also platzen lassen. Das wäre formal in Ordnung, inhaltlich und wahltaktisch aber grundfalsch: Die Ehe für alle ist ein Projekt, das weite Zustimmung genießt. Man würde es nicht verstehen, wenn die Union ein Regierungs-Tohuwabohu zum Ende der Legislatur in Kauf nimmt - wo sich doch mit der Merkel-Einlassung zur Ehe für alle die bisherige koalitionäre Geschäftsgrundlage dafür verändert hat.

Den Aufbruch in neue Zeiten muss nun auch das Gericht schaffen

Der einzige Bruch, den es gibt, wird also der Vertrauensbruch sein, den die Union beklagt. Aber dieses Lamento wird die SPD nicht sehr interessieren. Die SPD kann sich also als die Hüterin des gesellschaftlichen Fortschritts präsentieren, sie kann erklären, dass sie um des Diskriminierungsschutzes und der Grundrechte willen den Konflikt mit dem Koalitionspartner in Kauf nimmt. Die Ehe für alle ist ja durchaus eine Frage, die den Konflikt lohnt; Koalitionen sind schon aus geringerem Anlass geplatzt: Die FDP hat einst die Regierung Ludwig Erhard wegen einer Sektsteuer verlassen.

Wie kann die Kanzlerin nun im Ehe-für-alle-Getümmel geschickt agieren? So wird es gehen: Die Abstimmung findet eilends und nolens volens statt. Ein Teil der Unionisten stimmt zu, ein nicht unerheblicher Teil lehnt ab. Letzteres wird die konservativen Wähler befriedigen, zumal dann, wenn konservative Abgeordnete das Verfassungsgericht anrufen mit dem Antrag, die Ehe als exklusive Verbindung von Mann und Frau zu erhalten.

"Und nun prüft Karlsruhe": Das ist ein Satz, der in Deutschland einen guten Ruf hat. Überdies ist eine solche Klage für die Konservativen nicht ganz aussichtslos, weil das Gericht, bei aller Liberalität, in seiner Eherechtsprechung bis heute daran festgehalten hat, dass zu den "wesentlichen Strukturprinzipien der Ehe" die Vereinigung von Mann und Frau gehört.

Das Gericht hat die Angleichung der Homo-Ehe an die Ehe zwar energisch betrieben; es war dabei Schutzmacht für Schwule und Lesben. Aber: Es hat sich dabei immer auf das Diskriminierungsverbot gestützt. Eine völlige Angleichung, also eine Gleichstellung, läge zwar auf der Antidiskriminierungslinie des höchsten Gerichts - aber Karlsruhe hat halt mit seiner uralten Rechtsprechung zur Mann-Frau-Struktur der Ehe noch nicht gebrochen.

Den Aufbruch in neue Zeiten muss nun auch das Gericht schaffen. Es muss dazu einen Schuttberg abräumen: die alte Judikatur, die noch naturrechtlich argumentiert. So schwer dürfte das nicht sein. Vor Jahrzehnten, aber bereits zur Geltungszeit des Grundgesetzes, haben Familienrechtler noch die Führungsrolle des Mannes in der Ehe als "jus divinum naturale", als göttliches Grundrecht verteidigt.

Diesen Unsinn hat Karlsruhe beendet. Und nun noch die Ehe exklusiv nur als Ehe von Mann und Frau? Das ist nicht göttlich, das ist nicht menschlich; das ist falsch.

Verglichen mit den Anstrengungen, die Karlsruhe unternehmen muss, ist das Gesetz, das vom Bundestag nun zu verabschieden ist, simpel: Ehe im Sinn des Gesetzes ist auch die Homo-Ehe.

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