Kommentar:Das bisschen Elektrik

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Die Gewinnwarnung des großen Zulieferers Schaeffler zeigt, was mit der Elektromobilität auf die ganze Branche zukommen wird: Autobauen wird nicht mehr so lukrativ sein.

Von Max Hägler

Es wirkt wie eine Firmenangelegenheit, aber es könnte Vorbote sein für den gewaltigen Umbruch einer gesamten Industrie: Schaeffler, der große deutsche Autozulieferer mit Hauptsitz im fränkischen Herzogenaurach, erwartet weniger Gewinn als noch vor einigen Monaten prognostiziert. Der Börsenkurs brach ein nach der entsprechenden Warnmeldung. Kommt vor, Aktionäre sind oft übersensibel, einerseits.

Und andererseits deutet vieles darauf hin, dass dieser eingetrübte Ausblick - er ist übrigens nicht im Ansatz existenzbedrohend, das sei zur Einordnung angemerkt - ein erster Warnschuss sein könnte dafür, was mit der Elektromobilität auf die gesamte Branche zukommt: Mit ihr wird nicht nur die Luft in den Städten besser, und die Menschen werden gesünder leben können. Mit den neuen batteriebetriebenen Autos, die gerade in den Forschungshallen zusammengeschraubt werden, wird auch das Geldverdienen schwieriger. Und zwar für Autohersteller und für Zulieferer. Die hohen Kosten für Elektroauto-Projekte haben zumindest einen Teil beigetragen zu der verringerten Marge, gesteht Schaeffler ein. Und zugleich habe sich der Preisdruck in der Branche weiter erhöht.

Tatsächlich sind die Zulieferer mit ihren mehreren Hunderttausend Beschäftigten von mehreren Seiten unter steigendem Druck. Und: Er wird weiter zunehmen und viel Jobs kosten.

Ein Elektroauto ist grob gesagt nicht mal halb so komplex wie ein Auto mit einem Verbrennungsmotor. Dort laufen pro Minute Tausende kleine Explosionen ab, die sorgsam gesteuert sein wollen, damit sich vorne Kurbelwellen effizient bewegen. In der Mitte braucht es Getriebe und hinten Abgasreinigungsanlagen. 42 größere Bauteile hat das Center Automotive Research (CAR) gezählt, die wegfallen, wenn ein Auto nur per Strom getrieben ist. Dann heißt es, zugespitzt: Batterie, Elektromotörchen - im Größenvergleich ist der Diminutiv angemessen - und ein bisschen Elektronik: schon fährt so ein Wägelchen dahin.

Die Zulieferer können also schlicht weniger Teile absetzen. Und ausgefuchste mechanische Präzisionssachen, wie sie Schaeffler auch im Angebot hat, etwa Ventilspiel-Ausgleichselemente oder Kupplungen, braucht es irgendwann gar nicht mehr. Stattdessen ein bisschen Batteriechemie, ein paar Meter Wickeldraht für den Elektromotor und dazu allerlei Software-Sachen, weil die Autos immer roboterisierter werden.

Schaeffler ist übrigens besonders der alten Technik verhaftet: Die Hälfte des Umsatzes hängt nach Schätzung der CAR-Forscher am Verbrenner. Deswegen liegt es nahe, dass die Franken den Wandel am ehesten spüren - der unumstößlich kommen wird, mit dem zunehmenden Erfolg der Elektromobilität. Zulieferer wie Bosch oder Continental werden darunter auch leiden; aber sie haben ein größeres Sortiment. ZF Friedrichshafen hat dazu übrigens eine besonders radikale und nach derzeitigem Ermessen richtige Antwort gefunden: Weil sie nicht mehr nur von den namensgebenden Zahnrädern und Doppelkupplungsgetrieben abhängig sein wollten, kauften die Schwaben für Milliarden Euro einen Elektronikspezialisten dazu.

Zugleich sind Elektroautos für die Hersteller absehbar kaum profitabel, wahrscheinlich sogar meist ein Geschäft zum Draufzahlen. Denn die Entwicklung ist teuer, und die wenigen verkauften Autos fahren mit sündteuren Batterien herum, an denen nur Fabriken in Fernost verdienen: Autobauen ist im Batteriezeitalter plötzlich gar nicht mehr so lukrativ. Bei einem großen Autokonzern aus Wolfsburg, dem Weltmarktführer, kommen noch zig Milliarden Euro an Diesel-Strafen erschwerend hinzu. Um das auszugleichen, sparen die Herstellern, so sehr es eben geht. In den eigenen Häusern werden "Effizienz-Programme" aufgelegt. Aber auch beim Einkauf, bei den Zulieferern - egal, ob die nun Kugelschreiber bauen oder Autoteile, für welche Antriebsart auch immer. Die schon immer gepflegte Preisdrückerei nimmt weiter zu.

Es ist ein gewaltiger Umbruch, der begonnen hat. Für viele in der Branche wird die Elektromobilität unangenehm werden, auch existenzbedrohend. Aber, und das ist die gute Nachricht: Es ist keine schnell laufende Revolution, es gibt keinen Grund zur Panik. So sanft wie der Gewinnrückgang bei Schaeffler ausfallen dürfte - von zwölf auf elf Prozent Marge reduzierte der Konzern seine Erwartungen - so sanft wird der Übergang in dieses E-Auto-Zeitalter ablaufen. Noch stehen fast nirgends Ladestationen, noch kauft fast keiner diese Autos. Noch bleibt Zeit, sich neue Geschäftsideen auszudenken.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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