Geologische Sensation:Bad Tölz war früher ein Stausee

Blick vom Kalvarienberg über Bad Tölz, 2014

Der Blick vom Kalvarienberg auf die Kurstadt: Noch vor 2500 Jahren erstreckte sich östlich des heutigen Zentrums ein See.

(Foto: Manfred Neubauer)

Das Stadtgebiet war vor 2500 Jahren mit Wasser bedeckt. Es hatte sich hinter einem 15 Meter hohen Damm aus Kalktuff gesammelt - ein einzigartiges Phänomen.

Von Benjamin Engel

Für die Geologen des Landesamts für Umwelt (LfU) ist die Entdeckung eine kleine Sensation: Bisher war der weiche Kalktuff im Tölzer Untergrund vor allem deshalb bekannt, weil dort die Brauer ihre kühlen Bierkeller angelegt hatten. Doch in der Zeit von etwa 8000 bis 500 vor Christus hatte sich das Gestein zu einer 15 Meter hohen Barriere aufgetürmt. Östlich davon staute sich ein riesiger See auf der gesamten Fläche des Ellbachmoors. Etwa ein Drittel des heutigen Stadtgebiets war vollständig von Wasser bedeckt. Erst als der Damm brach, ergoss sich der Tölzer See in die unterhalb vorbeifließende Isar im Westen. Nur deswegen konnten die Bajuwaren im fünften Jahrhundert nach Christus dort siedeln.

Das LfU erforscht derzeit im Projekt "Bodenatlas Bayern" den gesamten Untergrund im Freistaat. Drei Jahre lang hat Thomas Hahn das 144 Quadratkilometer große Gebiet rund um Bad Tölz untersucht. Gemeinsam mit Roland Eichhorn, Abteilungsleiter für den Geologischen Dienst, hat er die Ergebnisse am Mittwoch im Tölzer Rathaus vorgestellt. Wie Hahn sagte, sei ein durch eine Kalktuffbarriere angestauter See ungewöhnlich. "In ganz Bayern ist mir kein weiterer See bekannt, der so entstanden ist." Denn in der Regel hätten sich Seen in den durch den Gletscherschliff entstandenen Wannen nach Ende der Würm-Eiszeit vor 18 000 bis 10 000 Jahren oder in Toteiskesseln gebildet.

Als der Tölzer See entstand, war das Klima feuchter und wärmer als heute, erklärt Hahn. Dadurch habe das Seewasser den Kalk leichter aus dem Gestein lösen können. Der gelöste Kalk schwappte über Holz und Blätter am Ufer und kristallisierte aus. Daraus bildete sich nach und nach eine Barriere aus Kalktuff. Das Gestein sei weniger fest, breche schon einmal aus. Als es kälter geworden sei, habe sich weniger Kalk im Wasser gelöst. Weil das Nachschubmaterial fehlte, könnte die Barriere zusammengebrochen sein, so die Theorie von Hahn.

Schon seit den 1930er-Jahren war bekannt, dass im Gebiet des Ellbacher Moors ein See existiert hat. Doch wie das mit der westlich auf niedrigerem Geländeniveau vorbeifließenden Isar zu vereinbaren war, blieb lange ungeklärt. Wie Hahn erklärt, sei damals diskutiert worden, ob der See schon zur Würm-Eiszeit vor mehr als 10 000 Jahren entstanden sein könnte und sich die Isar erst später ihr Bett durch den Kalvarienberg gegraben hätte.

Doch nun haben die LfU-Geologen im Stadtgebiet zwischen Bahnhof und Rehgrabenbrücke sogenannte stark kalkhaltige Seekreide gefunden, ein untrügliches Zeichen für das Vorhandensein eines Sees, wie Hahn sagte. Durch radiometrische Altersbestimmungen und Untersuchungen an schon früher gefundenen Pollen hätte sich nun die Existenz des Sees eingrenzen lassen - 10 000 bis 2500 vor heute.

Die Erforschung des Untergrunds

Das Landesamt für Umwelt stellt im "Bodenatlas Bayern" auf Karten geologische Daten zusammen - etwa Gesteinsschichten, Rohstoffvorkommen, Informationen über den Baugrund und mögliche Gefahrenstellen zum Beispiel für Steinschläge. Die Geologen prüfen die Qualität des Grundwassers und ob Erdwärme aus den Böden gewonnen werden kann. Sie haben Bayern in 600 Quadrate aufgeteilt, jedes ergibt eine Karte, die von einem Sachbearbeiter erstellt wird. Jede Karte bildet eine Fläche von 144 Quadratkilometern ab. Im Jahr 2008 hat das Landesamt für Umwelt begonnen, den bayerischen Untergrund zu erfassen, bis 2025 wollen die Experten fertig sein. Die Gesamtkosten von 40 Millionen Euro teilen sich der Freistaat und die EU je zur Hälfte.ULFR

Aus den Untersuchungen rund um Bad Tölz ist eine geologische Karte mit Daten zu den Gesteinsschichten geworden. Mit dem Feldcomputer und einem Hammer streifte selbst durch unwegsames Gelände, war insgesamt bis zu 2500 Kilometer zu Fuß unterwegs und nahm Gesteinsproben. Daraus entstand ein digitales Geländemodell. "Ich bin an Ecken gekommen, wo sonst keiner unterwegs ist", sagte Hahn. Das führte zu manch kurioser Begegnung. "Einmal bin ich von einem Landwirt als Pferdedieb angesehen worden, weil sonst kein Mensch unterwegs war."

Trotz aller Freude über die besondere Entdeckung in Bad Tölz, betonte LfU-Abteilungsleiter Eichhorn jedoch vor allem die Seriosität der Aufgabe. "Mit dem Bodenatlas betreiben wir Vorsorge vor Gefahren. Wir wollen helfen, Wirtschafts- und Energiefragen zu beantworten", betonte er. Die digital abrufbaren Karten sollten etwa dem "Häuslebauer" Informationen bei der Frage nach Nutzung von Erdwärme liefern oder eine erste Grundlage für größere Projekte wie im Straßenbau bieten.

See Bad Tölz LfU

Geologe Thorsten Hahn hat das Gebiet um den Kalvarienberg herum untersucht.

(Foto: Manfred Neubauer)
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