Zitate:"Das soll man ändern, nur weil es ein paar Leuten einfällt?"

Homo-Ehe Baden-Württemberg Landeskirche

Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Partnerschaften - das sahen Politiker oft äußerst kritisch.

(Foto: dpa)

Da könne man ja gleich "über Teufelsanbetung diskutieren", sagte Edmund Stoiber in den frühen Neunzigern. Der Weg zur Ehe für alle in Zitaten.

Von Barbara Galaktionow

Über Jahrzehnte hinweg diskutierten Politiker über die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe. An diesem Freitag wurde sie im Bundestag beschlossen. Einen Riesenschritt ging die rot-grüne Regierung 2001 mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Danach vollzog sich die weitere rechtliche Annäherung, insbesondere im Steuerrecht, vor allem über den Umweg über Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Zitate aus fast drei Jahrzehnten.

Die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), 1991: "Mit dem Begriff und dem Rechtsinstitut 'Ehe' werden wir in dieser Frage nicht weiterkommen. Eine Eheschließung wie zwischen Mann und Frau kann es für homosexuelle Paare nicht geben. Aber - und das sage ich ganz bewußt - es gibt in diesem Bereich Dinge, die neu zu regeln sind." (Bunte)

Edmund Stoiber (CSU), damals bayerischer Innenminister, 1991: "Wenn ich über steuer- und erbrechtliche Anerkennung von homosexuellen Paaren diskutiere, dann kann ich gleich über Teufelsanbetung diskutieren." (zitiert nach dem Spiegel)

Christian Pulz (Bündnis 90), 1992: "Statt die Hetero-Ehe nur auf homosexuelle Paare auszudehnen, sollte vielmehr ein alternatives Rechtsinstitut für alle Lebensgemeinschaften geschaffen werden, auch für Wohngemeinschaften. Bloße Zweisamkeit braucht vom Staat nicht belohnt zu werden." (TAZ)

Karin Junker, damals Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), 1992: "Unter dieser Gleichstellung verstehen wir aber nicht die Orientierung am jetzigen Recht, das einseitig patriarchale Privilegien beziehungsweise Benachteiligungen enthält. (...) Nach unserer Auffassung ist es der falsche Ansatz, auch für Schwule und Lesben die Ehegemeinschaft zu fordern, weil damit strukturell nichts verändert wird." (TAZ)

Wolfgang Zeitlmann (CSU), damals innenpolitischer Sprecher der Union, 1998: "Sie verletzen doch die Gefühle vieler Menschen, die in ganz normalen ehelichen Verhältnissen leben. Was soll denn zum Beispiel eine Familie mit Kindern sagen, wenn anstelle von ihr eine lesbische Frau mit ihrer Freundin in den Genuß einer Sozialwohnung kommt? Da entsteht doch eine ganz andere Schieflage." (TAZ)

Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck, 1998: "Freie Fahrt für die Homo-Ehe" (Forderung bei einer Demo)

SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder (1998): "Neben anderen Maßnahmen gegen die Diskriminierung wollen wir mit dem im März von uns in den Bundestag eingebrachten Gleichbehandlungsgesetz für lesbische und schwule Lebensgemeinschaften das Rechtsinstitut 'Lebenspartnerschaft' schaffen, das die gleichen Rechte und Pflichten wie in der Ehe umfaßt. Lediglich die adoptions- und sorgerechtlichen Regelungen sollen ausgenommen sein." (Schwulenmagazin Hinnerk)

Volker Beck (Grüne), 1999: "Der Verzicht auf den Ehe-Begriff ist auch ein Angebot an die Konservativen und die Kirchen. Wir wollen eine Minderheit von Diskriminierung befreien. Dazu dient die eingetragene Partnerschaft. Denn Liebe verdient Respekt." (SZ)

Edmund Stoiber (CSU), damals bayerischer Ministerpräsident, 2002: "In diesen elf Jahren haben sich die gesellschaftlichen Anschauungen verändert. Wenn ich jetzt immer noch auf der Position von 1991 beharren würde, dann wäre ich reaktionär, dann wäre ich nicht veränderungsbereit." (zur Frage des Spiegel, wie sein Teufelsanbetungs-Zitat von 1991 mit einer neueren Äußerung zusammenpasst, dass jeder nach seiner Fasson glücklich werden soll)

FDP-Chef Guido Westerwelle, 2004: "Die FDP ... will das Adoptionsrecht auf alle festen gleichgeschlechtlichen Paare ausweiten. Denn: Wenn man die Wahl hat zwischen dem Aufwachsen in behüteten, liebevollen Verhältnissen und dem Aufwachsen eines Kindes in einem Heim, dann entscheidet man sich doch zum Wohl des Kindes für die behüteten Verhältnisse." (Spiegel)

Beate Merk (CSU), damalige bayerische Justizministerin, 2009: "Es muss Grenzen geben. Bei Adoptionen zum Beispiel: Es kann nicht sein, dass ein homosexuelles Paar ein fremdes Kind adoptiert. Da ist der Rubikon überschritten." (SZ)

Der damalige Bundestagsabgeordnete Norbert Geis (CSU), 2012: "Das Grundgesetz versteht unter Ehe die Ehe von Mann und Frau. Wir verstehen seit mindestens 2000 Jahren unter Ehe 'Mann und Frau', wenn wir die Römer dazunehmen, sind es mindestens 2500 Jahre. Das soll man ändern, nur weil es ein paar Leuten einfällt?" (Main-Echo)

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn, 2013: "Es wird doch keine Ehe weniger geschlossen und kein Kind weniger geboren, nur weil gleichgeschlechtliche Partnerschaften steuerlich gleichbehandelt werden. (...) Die steuerrechtliche Gleichstellung ist geboten, weil es die gleichen Pflichten wie in der Ehe gibt, etwa beim Unterhalt. (...) Was das Adoptionsrecht anbelangt, braucht es in der Gesellschaft wie in der Union noch etwas Zeit. Hier gibt es wesentlich mehr Vorbehalte, auch bei der SPD und den Grünen schreit da nicht jeder Hurra. Am Ende ist in jedem Einzelfall das Kindeswohl entscheidend." (Welt)

"Die Bedeutung der Ehe erschöpft sich doch nicht in einem Steuervorteil"

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), 2013: "Diese Diskussion muss vom Kindeswohl aus geführt werden. Es geht nicht um die Verwirklichung von Lebensentwürfen. Mein Menschenbild schließt ein, dass Männer und Frauen unterschiedlich sind, gleichberechtigt, aber nicht gleich. Dass ein Kind Vater und Mutter hat, bedeutet ja ebenfalls etwas. Aber im Zentrum steht das Kindeswohl. Wie man das dann gesetzlich regelt, das müssen unsere Fachleute sagen. Ich bin nicht allwissend, sondern Finanzminister." (zugleich plädiert er im Tagesspiegel dafür, das Ehegattensplitting auf Lebenspartnerschaften auszuweiten)

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), 2013: "Mit uns wird es keine totale Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft geben. Aber wir sind eine Rechtsstaatspartei. Ob es mir passt oder nicht - Urteile des Verfassungsgerichts müssen wir umsetzen." (Spiegel)

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU), 2012: "Ich war einer derjenigen, die nach Karlsruhe gegangen sind. Heute weiß ich: Die systematische Diskriminierung der Homosexuellen war eine schlimme Verirrung." (SZ Magazin)

Die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), 2013: "Für mich erschöpft sich die Bedeutung der Ehe doch nicht in einem Steuervorteil." (Im Tagesspiegel zur Frage, warum die CDU das Ehegattensplittung für Lebenspartnerschaften verwehrt)

Alexander Dobrindt, damals CSU-Generalsekretär, 2013: "Die Union als Volkspartei hat die Aufgabe, der stillen Mehrheit eine Stimme zu geben gegen eine schrille Minderheit." (Welt am Sonntag)

CDU-Minister Wolfgang Schäuble, 2013: "Wenn die CDU Volkspartei bleiben will, dann muss sie veränderte Realitäten zur Kenntnis nehmen. (...) Wir können nicht bloß sagen: Das ist gut, nur weil es immer schon so war, und deshalb muss es so bleiben. Wenn viele Menschen das heute anders sehen, muss man nachdenken." (Tagesspiegel)

Ole von Beust, ehemaliger Erster Bürgermeister von Hamburg (CDU), 2013: "In der Unions-Führung herrscht die Sorge vor dem Vorwurf, die CDU würde ihre konservative Stammklientel vernachlässigen. Man fürchtet Schlagzeilen, dass die CDU schon wieder eine konservative Bastion aufgibt und nach links rückt. Dabei hat das Thema Gleichstellung überhaupt nichts mit links oder rechts zu tun. (...) Es gibt nichts Konservativeres als die Ehe. Wenn Menschen, ob gleichgeschlechtlich oder nicht, eine dauerhafte Bindung eingehen, sich Treue und Fürsorge versprechen und den Staat entlasten, dann ist das doch ein sehr konservativer Gedanke." (Frankfurter Rundschau)

Kanzlerin Angela Merkel (CDU), 2015: "Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich mich schwertue mit der völligen Gleichstellung. (...) Ich weiß, dass das für viele gleichgeschlechtliche Paare schwer ist, aber ich bin mir einfach da nicht ganz sicher, ob wir nicht versuchen sollten, doch dann die Adoption hier nicht so gleichzustellen wie bei Paaren mit Männern und Frauen. (...) Ich bin unsicher, was das Kindeswohl anbelangt." (ARD Wahlarena)

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), 2015: "Die vollständige Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts ist und bleibt unsere Position." (via Facebook)

Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), 2015: "Wenn wir diese Definition (der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau; Anm. d. Red.) öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen." (Saarbrücker Zeitung)

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), 2015: "Die alten Tanten haben dann Tränen in den Augen und freuen sich, dass die Neffen und Nichten jemanden gefunden haben." (Presse-Statement über die Normalität von Lebenspartnerschaften selbst in konservativen Familien)

CDU-Minister Wolfgang Schäuble, 2017: "Ich frage mich schon, ob dieser Begriff, der seit biblischen Zeiten als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau angelegt war, unbedingt auch auf andere Formen der Partnerschaft angewandt werden soll." (Rheinische Post)

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, 2017: "Es gibt auch Leute, die haben Schrecksekunden von vier Jahren, um zu merken, was sich in der Gesellschaft an Entwicklungen tut. (...) Eine zukunftsorientierte Gesellschaft sollte jetzt endlich die Ehe für alle einführen." (Pressestatement)

Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU), 2017: "Es ist keine reaktionäre Grundhaltung, wenn man sich Gedanken macht, welche Bezugspersonen für Kinder die bestmöglichen sind. Und da bin ich der Meinung: Kinder brauchen Vater und Mutter." (SZ)

Kanzlerin Angela Merkel (CDU), unmittelbar nach der Abstimmung, 30. Juni 2017: "(Ich) bin inzwischen bei Änderung meiner Position zu der Überzeugung gelangt, dass die Volladoption für gleichgeschlechtliche Paare auch möglich sein sollte. Was die Frage der Ehe anbelangt, so ist es meine Grundüberzeugung, dass der grundgesetzliche Schutz im Artikel 6 die Ehe von Mann und Frau beinhaltet. (...) Für mich ist die Ehe im Grundgesetz die Ehe von Mann und Frau. Und deshalb habe ich heute auch diesem Gesetzentwurf nicht zugestimmt."

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