Medien in den USA:"Wir sind Präsident, nicht sie"

Medien in den USA: Als Präsidentschaftskandidat war Trump noch gerne zu Gast im TV, hier etwa bei Jimmy Fallon. Inzwischen verfolgt er viele Medien mit absurdem Hass.

Als Präsidentschaftskandidat war Trump noch gerne zu Gast im TV, hier etwa bei Jimmy Fallon. Inzwischen verfolgt er viele Medien mit absurdem Hass.

(Foto: AFP)

Trumps Attacken auf Verlage und Sender zeigen, wie schnell alte Freunde zu Feinden werden. Dabei haben sie seinen Aufstieg zum US-Präsidenten erst möglich gemacht.

Von Willi Winkler

Es ist genau zehn Jahre her, dass Paris Hilton nach einem kurzen Aufenthalt aus dem Gefängnis entlassen wurde. Erinnert sich überhaupt noch jemand an diese überwiegend gelbe Selbstverkäuferin? Schon vor zehn Jahren kam sie der MSNBC-Moderatorin Mika Brzezinski so unbedeutend vor, dass sie sich weigerte, die Meldung als Hauptnachricht zu verlesen. Brzezinski versuchte sogar, das Blatt mit der Hilton-Meldung vor laufender Kamera anzuzünden, dann wollte sie es zerreißen und steckte es schließlich in den Schredder. Die Moderatorin kam damit sofort vom Fernsehen ins Internet und wurde berühmt.

Dabei war sie zuvor keineswegs unbekannt, sondern schon immer die Tochter des ganz besonders kalten Kriegers Zbigniew Brzezinski, der US-Präsident Jimmy Carter als Sicherheitsberater gedient hatte. Auch wenn sich die heute 50-Jährige für Lohngleichheit für Frauen und Gerechtigkeit am Arbeitsplatz einsetzt, waren ihre Aufstiegschancen doch ungleich besser als die anderer Frauen (oder auch Männer); sie gehört seit ihrer Geburt zum politisch-medialen Komplex, der Teil der Unterhaltungsindustrie ist.

Zusammen mit Joe Scarborough moderiert sie die nach ihm benannte und dank des Präsidenten Trump seit einigen Tagen weltweit berühmte Sendung Morning Joe. Scarborough ist eingetragener Republikaner und war kurzfristig sogar als Vizepräsidentschaftskandidat für Donald Trump im Gespräch, Brzkezinski ist Demokratin, was in der Sendung für Kontroversen, vor allem aber für Unterhaltung sorgt. Morning Joe ist nach dem stramm rechten Fox and Friends die meistgesehene Morgensendung im amerikanischen Kabelfernsehen und für den Frühaufsteher Trump eine unerlässliche Informationsquelle. Im Mai gaben Scarborough und Brzkezinski ihre Verlobung bekannt.

Auch das wäre keine Nachricht wert, wäre es nicht eine Hauptnachricht, die allerhöchste Kreise bewegt. Donald Trump hat den beiden schon im Januar angeboten, sie in seinem floridianischen Golfhotel Mar-a-Lago zu trauen, in dem bis vor Kurzem noch ein Cover des Magazins Time hing, das den Hausherrn für seinen sensationellen Erfolg als Darsteller in der Reality-Show The Apprentice feierte. Da Time es unbegreiflicherweise nie fertiggebracht hatte, Trump für den Apprentice auf den Titel zu heben, feierte sich Trump eben selber und fälschte sich den Titel zurecht.

Verleumdung und Erpressung bei einer Morgenshow im Fernsehen? Das wäre selbst der Mafia zu blöd

Auch das wäre keine Meldung wert gewesen, wäre Trump nicht inzwischen Präsident und Gegenstand auch kritischer Berichterstattung; etwas, das er bei der liebedienerischen Medienbegleitung zu Hause in New York nicht gewohnt war. Morning Joe machte sich also vergangene Woche nicht nur über das fantasierte Time-Cover lustig, sondern bezeichnete Trump in den letzten Monaten als "krank", "gestört" und als in jeder Hinsicht für das Amt des Präsidenten ungeeignet. Begreiflicherweise war Trump über die Abkehr seiner ehemaligen Fernsehfreunde nicht glücklich, doch anders als sonst begnügte sich der Medienkritiker-in-Chief diesmal nicht damit, Morning Joe angeblich sinkende Einschaltquoten vorzuhalten. Stattdessen griff er die beiden Moderatoren so persönlich an, wie es nur der Medien-Mann Donald Trump kann, und was vergangene Woche nicht nur Kritiker des Präsidenten zu öffentlicher Empörung veranlasste. Joe Scarborough sei verrückt, Mika Brzezinski habe einen niedrigen IQ, verkündete er unter anderem in einem seiner beliebten Tweets.

Auf niedrigerem Niveau als die Mafia

Bei seinem inzwischen unterirdischen Krieg gegen kritische Journalisten kann sich Trump auf den National Enquirer verlassen, eine Boulevardzeitung, die sonst ausschließlich reißerische Geschichten über Stars bringt, aber am besten mit ganz viel Gewichtszunahme und noch mehr Seitensprung. Unweigerlich tauchte auch das Liebespaar aus Morning Joe dort auf, selbstverständlich als erwischt beim Ehebruch, aber erst nach einer klassischen Erpressung, von der die beiden in der Washington Post berichteten: Wenn sie sich beim Präsidenten für ihre Kommentierung entschuldigten, würde Trump seinen Einfluss geltend machen und die Geschichte verhindern, so sei es ihnen ausgerichtet worden. Sie taten es nicht, die Geschichte erschien. David Pecker, der CEO von American Media Inc., zu dem auch der National Enquirer gehört, ist ein enger Freund Trumps, der wiederum bei Gelegenheit das Skandalblatt allen Ernstes für den Pulitzerpreis empfohlen hat. Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, soll vor einiger Zeit versucht haben, die Zeitung zu kaufen.

Verleumdung, Erpressung, politische Kungelei: Man könnte an die Mafia denken, aber der Guardian lässt den bulligen Herren in Armani-Anzügen hier doch Gerechtigkeit widerfahren: "Die Mafia würde sich dann doch nicht auf das Niveau von Morgensendungen herablassen."

Der gegenwärtige Präsident der Vereinigten Staaten allerdings schon, denn es ist das, was er kennt und was ihn groß gemacht hat. Dazu haben nicht zuletzt die Medien beigetragen: die New Yorker Zeitungen und Magazine, die ihn fasziniert hochgeschrieben haben; NBC, das mit seiner Sendung The Apprentice Traumquoten erzielte und ihn damit zum landesweit bekannten Kandidaten beförderte; und vor allem Twitter, die ideale Plattform für brutale Botschaften. Seine Methode, unter Umgehung der Medien über Twitter direkt mit dem Volk oder jedenfalls mit seinen Anhängern zu kommunizieren, sollen die Feinde ruhig für nicht präsidentengemäß halten, hat er am Wochenende in einer letzten Botschaft auch den innerparteilichen Kritikern entgegen gehalten, sie sei "modern day presidential", genau das Richtige für einen Präsidenten auf der Höhe der Zeit.

Wie weit oben er inzwischen ist, hat Trump am Samstag deutlich gemacht. Bei einem Treffen von Veteranen und Evangelikalen in Washington erklärte er, die Presse sei zu weit gegangen. Die Versammlung klatschte Zustimmung. Er meinte natürlich nicht den National Enquirer, nicht die New York Post, die wie der Sender Fox News seinem väterlichen Freund Rupert Murdoch gehört. Er meinte New York Times, Washington Post, CNN: Am Sonntagmorgen twitterte Trump ein Video, in dem er einen Mann verprügelt, auf dessen Kopf ein CNN-Logo montiert wurde. #FraudNewsCNN schrieb er: Schwindelnachrichten.

Bei seiner Rede vor den Veteranen war hinter Trump die riesigste amerikanische Fahne aller Zeiten entrollt, wie die meisten vermutlich in der Volksrepublik China hergestellt. Dann sprach er das Machtwort: "Aber wir sind Präsident, nicht sie." Die Menge erhob sich und jubelte ihrem regierenden Volkstribunen begeistert zu.

Der römische Kaiser Caligula war ziemlich verrückt, aber immerhin kein Sadist. Caligula hat sich darauf beschränkt, sein Pferd zum Senator zu ernennen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: