Nordrhein-Westfalen:Ungewöhnlich mächtig

Landtag -  Ministervereidigung

Joachim Stamp (FDP) ist Minister für Familie, Flüchtlinge, Integration.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die Nummer zwei in Laschets neuem Kabinett ist nicht wie in den meisten Bundesländern ein Innen-, sondern ein Integrationsminister.

Von Jan Bielicki

Es gab Zeiten, da ging es im Postenschacher von Koalitionsgesprächen zunächst um die Ressorts, die als wirklich wichtig galten - bewährtes Muster: Nehm' ich Innen, kriegst du Justiz. In Nordrhein-Westfalens neuem schwarz-gelben Regierungsbündnis wollte die CDU auf das Innenministerium nicht verzichten. Blieb also für die FDP das Justizressort? Nein, denn Joachim Stamp ist kein Jurist.

Dass der 47-jährige Politologe eine wichtige Position erhalten würde, war stets klar. Stamp ist die unangefochtene Nummer zwei der NRW-FDP, er ist der Mann, der bisher hinter Parteichef Christian Lindner die Arbeit machte. Lindner aber strebt nach der Bundestagswahl Richtung Berlin. Stamp bleibt und ist nun Stellvertreter des CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet - in einem Ministerium allerdings, das bislang nicht eben als klassisch galt: Um Familie und Kinder soll er sich kümmern, um Flüchtlinge und Integration.

Doch es ist ein Ressort, das sich die FDP sehr genau auf ihren Mann zuschneidern ließ - eine Personalpolitik, die Konsequenz früherer Fehler ist. In NRW haben die Liberalen nun zuerst darauf geschaut, wer von ihnen ministrabel ist. Und was er oder sie kann. Stamp kennt etwa die Details der Kita-Finanzierung schon aus dem Landtagsausschuss. Vor allem aber hat er sich einen Ruf erworben als jemand, der sich tief in die Probleme der Zuwanderung eingearbeitet hat. Er hat die Slums besucht, in denen die Roma in Rumänien und Bulgarien hausen müssen. Er ist nach Marokko gereist und in die Flüchtlingslager Jordaniens, nach Lampedusa und Lesbos. Seine Erkenntnis: Wenn man die Fluchtursachen nicht angehe, "werden noch so hohe Zäune die Leute nicht draußen halten." Als ungewöhnlich mächtiger Integrationsminister wird Stamp auch für Asylrecht und Abschiebungen zuständig sein - ein bundesweit einzigartiger Zuschnitt. Anderswo machen das die Innenminister.

Stamp hat FDP-Politik schon als Schüler gemacht. Und seither eigentlich nichts anderes. Er arbeitete im Büro des langjährigen Parteichefs Guido Westerwelle, bei der Parteistiftung, als Generalsekretär der Landespartei, seine Doktorarbeit handelt von den Jungen Liberalen. Macht er keine Landespolitik, dann Lokalpolitik als Stadtrat in Bonn: "Das erdet brutal." Seinen Kommunalwahlkreis im Stadtteil Röttgen, wo er zwischen Karneval und dem Fußballverein Rot-Weiß zu Hause ist, hat er drei Mal hintereinander direkt gewonnen - durch und durch Berufspolitiker, aber einer, der gängigen Vorurteilen nicht entspricht.

Als zugänglich, umgänglich und meist sachlich beschreiben ihn auch politische Gegner. Stamp ist kein scharfzüngiger Redner wie Lindner, wird selten laut. Eine Koalition, so sagt er, funktioniere besser im Konsens als im Konflikt. Seinem Partner Laschet hat er nach dessen Wahl nicht nur per Handschlag gratuliert. Stamp hat ihn umarmt.

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