Nordkorea:Nordkorea provoziert erneut mit Raketentest

Das Regime in Pjöngjang bejubelt den Start einer Interkontinentalrakete und sieht sich als Atomstaat, der überall angreifen könne. Doch Experten winken ab.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea hat am Dienstag erneut eine Rakete abgefeuert. Seine staatliche Nachrichtenagentur KCNA sprach vom "ersten erfolgreichen Test einer Interkontinentalrakete." Das mache das Land zu einem Atomstaat, der überall angreifen könne, hieß es aus Pjöngjang.

Das in Südkorea stationierte US-Militär hat die Rakete dagegen als Mittelstreckenrakete identifiziert. Die Rakete, die von Nordkorea als Typ Hwasong-14 bezeichnet wird, hob um 9:40 Ortszeit im Westen Nordkoreas ab, überflog die Halbinsel und tauchte nach 39 Minuten Flug etwa 933 Kilometer östlich, rund 200 Meilen vor der japanischen Küste, ins Meer.

"Wir können diese wiederholten Provokationen absolut nicht tolerieren", empörte sich der Sprecher der japanischen Regierung, Kabinettssekretär Yoshihide Suga. Südkoreas Präsident Moon Jae-in sagte, er sei "schwer enttäuscht" und warnte Diktator Kim Jong-un, er sollte nicht bis zum "Punkt ohne Wiederkehr" provozieren. Präsident Trump twitterte über Kim: "Hat dieser Typ nichts Besseres zu tun mit seinem Leben" und warnte ihn vor einem schwerwiegenden Schachzug Chinas.

US-Präsident Donald Trump hatte den Norden nach seinem Treffen mit Südkoreas neuem Präsidenten Moon vorige Woche gewarnt, Japan und Südkorea ginge die Geduld aus. Explizit erwähnte er eine erneut "militärische Lösung", die sich eigentlich verbietet, da die südkoreanische Hauptstadt in Reichweite der nordkoreanischen Artillerie liegt.

Pünktlich zum 4. Juli, dem amerikanischen Nationalfeiertag, zündelt Kim nun zurück. Nach südkoreanischen Berichten soll Trump Moon aber auch versprochen haben, er werde dessen zweigleisige Politik unterstützen. Moon will Druck auf den Norden ausüben, aber gleichzeitig das Gespräch suchen. Seit Moons Amtsantritt vor acht Wochen hat Kim sechs Mal Raketen gestartet, was mehrere UN-Resolutionen Nordkorea strikt verbieten.

Robert Schmucker, Professor für Raketentechnik an der TU München, identifizierte die Rakete vom Dienstag aufgrund des von KCNA verbreiteten Fotos als einen neuen Typ. "Aber eine Interkontinentalrakete (ICBM) ist das nicht, dafür ist sie zu klein. Eine ICBM braucht mehr Masse. Ich sehe auf dem Bild keine große Zweitstufe. Vielleicht eine Mittelstreckenrakete, vergleichbar der früheren sowjetischen R-14."

Mit den ICBM, die Nordkorea bisher bei Militärparaden gezeigt hat, habe dieses Modell nichts zu tun, so Schmucker. "Das heißt, diese Rakete war bis vor Kurzem auch für Nordkorea unbekannt. Sie scheint fertig, also muss sie aus einem anderen Land stammen." Aus welchem, könne er auch nicht sagen, so Schmucker. Er bezweifelt überhaupt, dass Nordkorea eigene Raketen entwickelt, sondern glaubt, die 15 verschiedenen Typen, die das Regime in Pjöngjang bereits vorgezeigt hat, seien importiert: aus Beständen der Sowjetunion, aus China und mindestens ein Typ aus Iran.

Die Entwicklung von Raketen ist enorm teuer, China leistet sich nur acht verschiedene Typen. Aber das kleine, verarmte und isolierte Nordkorea behauptet, 15 Raketenmodelle zu entwickeln. "Natürlich werden sie nicht komplett eingeführt", so Schmucker, "nur die Hauptkomponenten, die Blecharbeiten und der Zusammenbau erfolgen wohl in Nordkorea."

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