Studie zu Vermögen:Deutsche vererben 400 Milliarden Euro im Jahr

Ältere besitzen viel mehr als bisher angenommen.

Von Harald Freiberger

Die Deutschen werden in den kommenden Jahren deutlich mehr erben als bisher angenommen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Studie rechnet erstmals ein, dass die Bundesbürger auch im Alter sparen und sich ihr Vermögen weiter vermehrt. Dadurch erhöht sich das zu vererbende Vermögen um mehr als ein Viertel auf bis zu 400 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu zählen Geld-, Immobilien- sowie Betriebsvermögen.

"Ob sich aus dem Erbvolumen deutlich höhere Steuereinnahmen ergeben, ist fraglich", schreiben die Autoren der Studie. Wegen der hohen Freibeträge könne die Mehrzahl der Erbschaften steuerfrei übertragen werden. Das gelte auch für sehr große Beträge, die meist als Betriebsvermögen weitgehend steuerfrei blieben. "Die Politik sollte diese Praxis im Sinne der Chancengleichheit überdenken", heißt es in der Studie.

Bisherige Studien gehen davon aus, dass das vererbte Vermögen in Deutschland eine statische Größe ist. Dies trägt nach Ansicht der Autoren aber nicht der Tatsache Rechnung, dass sich das Vermögen der Bundesbürger auch im Alter jedes Jahr weiter vermehrt. In der Studie rechneten sie dies für über 70-Jährige durch. Diese hatten nach den verfügbaren Daten 2012 ein Vermögen von 1,31 Billionen Euro. Durch weiteres Sparen im Alter werden daraus laut der Studie bis 2027 rund 1,46 Billionen Euro. Hinzu kommt die jährliche Wertsteigerung des Vermögens, für welche die Autoren "nach konservativer Schätzung" zwei Prozent annahmen. Durch diesen Faktor erhöht sich das vererbte Vermögen bis 2027 auf 1,68 Billionen Euro - 28 Prozent mehr als nach bisherigen Annahmen.

In einem zweiten Schritt rechneten die Autoren diese Steigerung auf die gesamte Bevölkerung hoch. Darin sind auch die Erbfälle von unter 70-Jährigen enthalten und - besonders wichtig - von Multimillionären und Milliardären, für die es keine Daten gibt. Nach Berechnungen anderer Forscher werden in Deutschland pro Jahr rund 300 Milliarden Euro vererbt. Dazu ein Plus von 28 Prozent - so kommen die Autoren auf ein Erbvolumen von bis zu 400 Milliarden Euro im Jahr.

Die Koalition hatte die Erbschaftsteuer zuletzt vor zwei Jahren reformiert. Sie stellte höhere Anforderungen an Erben von Unternehmen, die teilweise oder ganz von der Erbschaftsteuer befreit werden. Teile der SPD halten die Zugeständnisse an Firmenerben aber nach wie vor für zu weitgehend. "Betriebsvermögen werden weiter stark bevorzugt oder komplett befreit", sagt auch WSI-Forscherin Anita Tiefensee, Mitautorin der Studie. Und bei Privatvermögen gelte pro Elternteil und Kind ein Freibetrag von 400 000 Euro, sodass jedes Kind alle zehn Jahre 800 000 Euro steuerfrei bekommen kann. Deshalb sei anzuraten, die letzte Erbschaftsteuerreform im Hinblick auf Freibeträge für Private und Privilegien für Unternehmen zu überdenken.

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