Am Königsplatz:"Eine gute Zeit für Nazis"

Am Königsplatz: Robert Andreasch (v.l.),Christine Umpfenbach und Heike Kleffner sind sicher: Es gibt Gewalt von rechts.

Robert Andreasch (v.l.),Christine Umpfenbach und Heike Kleffner sind sicher: Es gibt Gewalt von rechts.

(Foto: Stephan Rumpf)

Kreisjugendring debattiert über NSU-Prozess und seine Folgen

Von Lisa Settari

Der Kreisjugendring fährt derzeit mit einem knallroten Bus durch München. Sein Ziel mit Blick auf die Bundestagswahl im September: dem "Demos" ein Forum bieten, damit es klappt mit der "Kratie". Daher rückten heuer zwei Abendveranstaltungen an die Stelle der ansonsten intensiven Sommer.dok-Tage. Am Königsplatz ging es um die Frage: Was bleibt übrig vom NSU-Prozess?

Rechte Gewalt gehört zum Alltag, darin waren sich die Vortragenden Christine Umpfenbach von der Rassismus-Beratungsstelle Before, NSU-Beobachter Robert Andreasch und die wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Fraktion der Linken im Bundestag, Heike Kleffner, einig. Die Behörden sprechen von fünf Fällen pro Tag. Der NSU-Prozess sei ein prominenter, aber bei weitem nicht der einzige Fall, der das zeige, sagte Andreasch und räumte mit dem "Mythos der dummen Rechten" auf. Als er eine lange Liste rechter Gewalttaten in den vergangenen Jahren aufzählte, wechselten sich im Publikum Stirnrunzeln, Kopfschütteln und fassungslose Blicke ab. Der rechte Terror in Deutschland existiere sehr wohl, so Andreasch. Die Verantwortlichen seien keine psychopathischen Einzeltäter, sondern agierten in einer Tradition des gewaltsamen Umbruchs, der bis zu den Freikorps zurückreicht. "Man kann diese Gefahr nicht ernst genug nehmen, auch wenn natürlich Großmäuler darunter sind", mahnte Andreasch. Heike Kleffner sollte beantworten, welche gesellschaftlichen Folgen sich aus der NSU-Geschichte ergeben. "Es liegt an der Gesellschaft, Konsequenzen einzufordern", sagte sie. Es sei unerträglich, dass einige Helfer der NSU-Kerngruppe in Dortmund immer noch rechte Aufmärsche anführten und die Familie des Mordopfers Mehmet Kubasik in Angst lebe. Außerdem gehöre es zu einer aktiven Erinnerungskultur, den Hinterbliebenen zuzuhören und ihnen eine Bühne bieten, statt abzuwinken und zu sagen, diese sollten nicht im Rampenlicht stehen. Aber immerhin sei durch den Prozess klarer geworden, dass der Verfassungsschutz ein politischer Akteur sei, der demokratisch kontrolliert werden müsse.

Gerade sei eine "gute Zeit für Nazis", stellten Christine Untsenbar und Heike Kleffner abschließend fest. Politische Korrektheit sei nicht angesagt, dadurch trauten sich manche mehr. Das Gefühl hat auch Marianne J., die Mutter zweier dunkelhäutiger Söhne: Das Wort "Neger" sei wieder häufiger zu hören.

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