Kündigung von Betriebsräten:Der Rausschmeißer

Kündigung von Betriebsräten: Helmut Naujoks schrieb die Bücher "Die Kündigung von Unkündbaren" und "Schwarzbuch Betriebsrat". Ein Richter sagt über ihn: "Er gehört in die Kategorie der Halbseidenen."

Helmut Naujoks schrieb die Bücher "Die Kündigung von Unkündbaren" und "Schwarzbuch Betriebsrat". Ein Richter sagt über ihn: "Er gehört in die Kategorie der Halbseidenen."

(Foto: Müller-Stauffenberg/imago)
  • Der Rechtsanwalt Helmut Naujoks inszeniert sich wie keiner seiner Berufskollegen als Freiheitskämpfer für scheinbar von Betriebsräten unterdrückte Arbeitgeber.
  • Ein Detektiv berichtete zuletzt, mit welch dubiosen Methoden Naujoks seinen Auftraggebern dabei half, Mitarbeiter loszuwerden.
  • Nun wenden sich die ersten Auftraggeber von Naujoks ab.

Von Uwe Ritzer

Helmut Naujoks ist zweifellos eine markante Erscheinung. Wenn er einen Gerichtssaal betritt, zieht er sofort die Blicke auf sich. Ein Bär von einem Mann, das lange, graue Haar streng nach hinten gegelt, der Blick bevorzugt finster. Wuchtige Auftritte gehören zum Image, das er sich in gut anderthalb Jahrzehnten aufgebaut hat. Naujoks ist Rechtsanwalt von Beruf und er inszeniert sich wie keiner seiner Berufskollegen als Freiheitskämpfer für scheinbar von Betriebsräten unterdrückte Arbeitgeber. Denen, die sich dafür halten, gilt er als eine Art letzter Nothelfer, der Kerl für die ganz harten Schlachten.

Nun aber wenden sich die ersten von ihnen öffentlich von Helmut Naujoks ab und erheben ihrerseits Vorwürfe gegen ihn. Und erstmals äußert auch ein langjähriger Arbeitsrichter scharfe Kritik. "Unseriös" sei Naujoks, sagt Klaus Hennemann, ehemaliger Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg. "Er gehört in die Kategorie der Halbseidenen."

Ausgelöst haben die empörten Reaktionen Enthüllungen eines Detektivs. Er schilderte, mit zahlreichen Dokumenten unterlegt, Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR detailliert, wie er und Kollegen jahrelang in Firmen unbequeme Mitarbeiter (bevorzugt Betriebsräte) nicht nur bespitzelten, sondern ihnen Fallen stellten und Straftaten andichteten. Damit ihre Arbeitgeber sie loswerden oder zumindest den Betriebsrat sprengen konnten. Der Detektiv, der mit seiner Vergangenheit gebrochen hat, belastete Naujoks in diesem Zusammenhang schwer. Der sei in viele dieser schmutzigen Fälle involviert gewesen, behauptet er. Naujoks bestreitet dies jedoch vehement.

Einer der Vorfälle spielte in einem Seniorenheim in Bad Nauheim. Dort hängten der Detektiv und ein Kollege einer Betriebsrätin eine nie stattgefundene Körperverletzung an, einer anderen unerlaubten Alkohol im Dienst. Die Heimleiterin hatte den verdeckten Einsatz der Detektive und die Fallenstellerei stets bestritten, ebenso jede Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Naujoks. Nun macht auch sie reinen Tisch.

Ja, die Detektive seien von ihr beauftragt worden, lässt sie einen Sprecher erklären. "Dies geschah auf ausdrücklichen Wunsch von Herrn Naujoks, der den Einsatz dieser Firmen quasi zur Bedingung für seine Tätigkeit gemacht hat." Sie bedauere "aus heutiger Sicht die Zusammenarbeit mit Herrn Naujoks" und den Detektiven. Naujoks ließ eine Anfrage zu den Äußerungen der Geschäftsführerin unbeantwortet. Auf eine frühere Anfrage hin ließ er seinen Anwalt kürzlich noch erklären, weder Auftraggeber noch Ansprechpartner von Detektiven gewesen zu sein.

Nicht nur die Bad Nauheimer Heimleiterin, sondern auch Roland Breu sieht den Einsatz von Naujoks im Nachhinein als großen Fehler. Breu ist Vorstandschef des Autozulieferers Schweizer Group in Hattingen. Auch dort gab es einen massiven Konflikt zwischen Management und Betriebsrat, auch dort trieb der ehemalige Detektiv sein Unwesen, auch dort mischte Naujoks als Anwalt mit. Kaum war Breu im Amt, beendete er die Zusammenarbeit und fand schließlich einvernehmliche Lösungen.

Kritiker werfen ihm Psychodruck und Mobbing vor

Naujoks' Einsatz sei nicht nur erfolglos, sondern ein Schaden für die Firma gewesen, bilanziert Breu rückblickend, der innerbetriebliche Konflikt sei dadurch nur "weiter eskaliert". Auch in einem anderen Fall, dem einer fränkischen Großbäckerei, kam es 2014 erst zu Einigungen, als die Firma Naujoks vom Verhandlungstisch zurückpfiff. Der rühmt sich auf seiner Internetseite, viele "zum Teil erbittert geführten Auseinandersetzungen" "im Sinne der Arbeitgeber" beigelegt zu haben.

Klaus Hennemann, bis zu seiner Pensionierung Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, erinnert sich an einen "bizarren" Auftritt von Naujoks vor Gericht. Und daran, dass er dessen Antrag zurückgewiesen und für die Begründung der richterlichen Entscheidung selbst nach sorgfältiger Prüfung eine Seite mit einem Satz ausgereicht habe.

Dessen Kritiker wie Hans-Martin Wischnath von der DGB-Rechtsschutzsparte sagen, die Methode Naujoks gründe sich weniger auf juristische Finesse als auf Psychodruck und Mobbing. Er überziehe vermeintlich unkündbare Mitarbeiter, zu denen neben Betriebsräten hierzulande auch Schwerbehinderte oder Schwangere gehören, mit Kündigungen und Klagen im Akkord. "Juristisch sind sie meist völlig unhaltbar", sagt Wischnath. Die schiere Menge und die nicht selten bizarre Höhe finanzieller Forderungen an einfache Arbeiter oder Angestellte ziele darauf, sie zu zermürben und zum Aufgeben zu bringen.

In Video-Clips inszeniert er sich als Teil einer Elite

Erstmals fiel Helmut Naujoks, Jahrgang 1967, mit seinen ganz speziellen Methoden zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts als Arbeitgebervertreter beim Kabelnetzbetreiber Kabel BW und der Volksbank Ludwigsburg auf. Binnen kürzester Zeit eskalierten dort die Konflikte. Damals veröffentlichte Naujoks auch seine Bücher "Die Kündigung von Unkündbaren" und "Schwarzbuch Betriebsrat". So verheerend öffentliche Reaktionen auf sein Tun seither bisweilen ausfallen - Naujoks brachte es zu gewisser Prominenz und Talkshow-Präsenz. Die Anfeindungen waren, wenn man so will, beste Werbung für ihn. Und sein Geschäftsmodell, das augenscheinlich gut funktioniert.

Der "Duisburger Anwalt", wie es anfangs oft hieß, hat die unspektakuläre Ruhrgebietsstadt längst verlassen und residiert in guten Adressen in Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt. Mutmaßlich ertragreich waren seine Seminare für Personalmanager. In Video-Clips inszeniert er sich als Teil einer Elite nur ganz weniger Anwälte, "die konsequent und ausschließlich Arbeitgeberinteressen vertreten". Als Undercover-Reporter Günter Wallraff sich in der Rolle eines Unternehmers bei Naujoks einschlich, ließ der ihn wissen: "Mein Ziel ist es, dass Betriebsräte das Unternehmen verlassen. Davon lebe ich." So stieg er zum bekanntesten Protagonisten einer wachsenden Szene von Arbeitsrechtlern auf, die scheinbar kaum Zurückhaltung kennen.

Als Unternehmer übrigens hat sich Naujoks auch versucht, auf unvermutetem Terrain. Er startete ein Internetportal, das sich von Frauen über Promis bis Sport mit allem möglichen beschäftigt. Die Seite gibt es noch. Im Impressum steht ein anderer Name. Die Adresse ist jene von Naujoks Kanzlei.

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