Entzogene Akkreditierungen:Schwarze Liste bei G 20: Journalisten arbeiteten in türkischen Kurdengebieten

Medienzentrum beim G-20-Gipfel in Hamburg

Innenansicht des Medienzentrums beim G-20-Gipfel in Hamburg: Seit Freitagmittag gab es an den Kontrollposten eine Liste mit 32 Namen, die das BKA und das Bundespresseamt der Polizei durchgegeben haben. Die abgewiesenen Journalisten arbeiten für Medien wie Tagesspiegel, Spiegel Online oder Junge Welt.

(Foto: Matt Cardy/Getty)
  • Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert haben ausschließlich deutsche Behörden darüber entschieden, beim G-20-Gipfel in Hamburg die bereits erteilte Akkreditierung von 32 Journalisten kurzfristig zu widerrufen.
  • Der zeitliche Ablauf von Akkreditierungserteilung und -widerruf weckt allerdings Zweifel an dieser Darstellung.
  • Zwei abgewiesene Fotografen waren 2014 in der Kurdenhochburg Diyarbakır kurzzeitig in türkische Haft gekommen. Ähnliches haben auch andere betroffene Journalisten erlebt.

Von Ronen Steinke und Cerstin Gammelin

Von den 32 Journalisten, denen beim G-20-Gipfel am vergangenen Freitag plötzlich die Akkreditierung nachträglich entzogen wurde, haben nach Informationen der Süddeutschen Zeitung zuvor mindestens vier in den Kurdengebieten im Südosten der Türkei gearbeitet.

Den Journalisten war am Freitagmittag in Hamburg von deutschen Beamten gesagt worden, dass ihre sogenannte Akkreditierung mit sofortiger Wirkung ungültig sei. Dies ist die Erlaubnis von Seiten der Behörden, sich in besonders gesicherten Bereichen des Gipfelgeländes zu bewegen. Die Absage kam so kurzfristig, dass manche der Betroffenen nicht mehr an ihre Rucksäcke kamen, die noch im Inneren des Medienzentrums lagen.

Bei den Journalisten handelt es sich dem Vernehmen nach großteils um Deutsche. Das Bundeskriminalamt (BKA) teilte neun von ihnen auch schriftlich mit, "im Benehmen zwischen den beteiligten Behörden" sei entschieden worden, "Ihnen den Zugang zur Veranstaltung zu verweigern, die Akkreditierung zu entziehen und Sie von der Veranstaltung auszuschließen". Darunter waren auch die vier Journalisten, die zuvor in der Türkei gearbeitet hatten.

Bei den "beteiligten Behörden" handele es sich ausschließlich um deutsche Stellen, betonte am Dienstag zwar Regierungssprecher Steffen Seibert. Zweifel daran löste allerdings der zeitliche Ablauf aus.

Die deutschen Behörden hatten sich viele Wochen Zeit genommen, alle Anträge von Journalisten zu prüfen. Der Fotograf Björn Kietzmann etwa, der 2014 für den Tagesspiegel aus den türkischen Kurdengebieten berichtete, hatte seinen Antrag auf eine Akkreditierung bereits im Juni gestellt und war als Berichterstatter zum G-20-Gipfel zugelassen worden.

Auch die US-Sicherheitsbehörden hatten in den zurückliegenden Wochen der intensiven Prüfung offenbar keine Einwände gegen die 32 Namen auf der Liste. Einer der dort aufgeführten Fotografen war sogar autorisiert worden, die Landung von US-Präsident Donald Trump auf dem Rollfeld aus der Nähe zu fotografieren. Ein anderer hatte die Erlaubnis, im Inneren der Elbphilharmonie das Konzert für die Staatsgäste zu dokumentieren.

Zwei der abgewiesenen Fotografen waren schon kurzzeitig in türkischer Haft

Dass eine Ablehnung dieser 32 Personen doch noch in letzter Minute kam, spricht für eine einzelne Quelle. Die Fotografen Björn Kietzmann und Chris Grodotzki etwa waren 2014 in der Kurdenhochburg Diyarbakır kurzzeitig in türkische Haft gekommen.

Eine Anti-Terror-Einheit der türkischen Polizei hatte sie verdächtigt, Spione oder Provokateure zu sein. Erst nachdem sich das Auswärtige Amt für Kietzmann und Grodotzki eingesetzt hatte, waren sie freigekommen.

Ähnliche Erlebnisse haben nach SZ-Informationen auch andere Journalisten gemeinsam, die sich nun beim G-20-Gipfel auf der "schwarzen Liste" wiederfanden.

Türkei wollte kürzlich Verfassungsschutz für sich einspannen

Es ist gängige Praxis, dass deutsche Sicherheitsbehörden bei einer solchen internationalen Veranstaltung auch Warnhinweise von ausländischen Nachrichtendiensten aufnehmen, bevor sie sicherheitsrelevante Entscheidungen treffen.

Allerdings liegt es an den deutschen Behörden, diese kritisch zu prüfen. In den vergangenen Monaten gab es bereits Versuche des türkischen Auslandsgeheimdienstes MİT, das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz einzuspannen, um in Deutschland vermeintliche Regimegegner zu überwachen. Diese Versuche waren von deutscher Seite jedoch empört zurückgewiesen worden.

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