Schmiergeld-Prozess:Brasiliens Ex-Präsident Lula wegen Korruption verurteilt

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Lula im Mai bei seiner Aussage vor Gericht. (Foto: AP)
  • Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ist zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
  • Es ist der erste Schuldspruch in einem der fünf Verfahren, die gegen ihn wegen Korruptionsverdacht laufen.
  • Dem Gericht zufolge nahm Lula während seiner Amtszeit Schmiergeld in Höhe von mehr als einer Million Euro von einer Baufirma an. Im Gegenzug dazu hatte er der Firma Aufträge des staatlichen Ölkonzerns Petrobas verschafft.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Der ehemalige brasilianische Staatspräsident Luiz Inácio da Silva, genannt Lula, ist zu neuneinhalb Jahren Haft wegen Korruption verurteilt worden. Der Bundesrichter Sergio Moro verkündete das mit Spannung erwartete Urteil am Mittwoch in Curitiba.

Moro leitet dort die seit dreieinhalb Jahren andauernde Operation "Lava-Jato" (Autowäsche), die größte Anti-Korruptionsoffensive in der Geschichte Brasiliens. Lula da Silva, 71, ist der bislang mit Abstand prominenteste Politiker, der im Rahmen von Lava-Jato verurteilt wurde. Bis zur Bestätigung des Urteils durch ein Berufungsgericht bleibt er allerdings auf freiem Fuß.

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Lulas Verteidiger plädierte auf Freispruch

Der nahezu ebenso prominente Richter Moro sieht es als erwiesen an, dass Lula während seiner Zeit als Präsident von 2003 bis 2010 sein Amt missbrauchte, um den brasilianischen Baukonzern OAS zu bevorteilen. Im konkreten Fall geht es um ein Luxus-Apartment im Strandort Guarujá, Bundesstaat São Paulo, das von OAS für Lula aufwendig renoviert worden sei.

Im Gegenzug soll der frühere Staatschef dem Unternehmen lukrative Aufträge des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras verschafft haben. Das Urteil wird auch mit angeblichen Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe als Lula Arbeiterpartei PT begründet. Lula da Silva bestreitet, der Eigentümer des betreffenden Apartments zu sein. Seine Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert. Sie verwiesen darauf, dass die Vorwürfe sich vor allem auf Kronzeugenaussagen ehemaliger OAS-Manager stützten. Diese sind vor Gericht nicht als Beweise zugelassen.

Lula selbst hatte den gesamten Prozess mehrfach als "Farce" bezeichnet; als politisch motiviert, um seine Wiederwahl zu verhindern. Für die für Herbst 2018 anstehenden Präsidentschaftswahlen gilt er als einer der aussichtsreichsten Kandidaten. In aktuellen Umfragen liegt er bei etwa 30 Prozent - und damit weit vor allen anderen Anwärtern.

Von einem nicht unerheblichen Teil der Brasilianer, vor allem aus der Unter- und Mittelschicht, wird er immer noch wie ein Nationalheld verehrt. Allerdings gibt es wohl auch keinen Politiker im Land, dem so viel Abneigung entgegenschlägt. In konservativen Kreisen gilt er als der Grund allen Übels im Krisenstaat Brasilien. Falls das Urteil vom Mittwoch in zweiter Instanz aufgehoben wird, dürfte Lula da Silva bei den Wahlen 2018 antreten.

Die goldenen Lula-Jahre sind noch bei vielen Brasilianern im Gedächtnis

In den goldenen Lula-Jahren legte Brasilien ein beeindruckendes Wachstum hin und stieg zwischenzeitlich zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt auf. Gleichzeitig revolutionierte der frühere Gewerkschaftsführer die Sozialsysteme. Millionen von Brasilianern entkamen dadurch der extremen Armut und konnten zwischenzeitlich von einem Leben in der Mittelschicht träumen, jedenfalls konsumierten sie entsprechend. Lula war ein Weltstar, dem alles zu gelingen schien. Ein Mann des Volkes, der sich auch mit Unternehmern und Bankern gut verstand - zu gut, wie es inzwischen aussieht. Sergio Moro hat noch vier weitere Anklagen gegen den Ex-Präsidenten in der Hinterhand.

Dass Lula trotzdem noch alle Wahlumfragen anführt, zeugt auch von einem dramatischen Mangel an Alternativen. Durch die Lava-Jato-Ermittlungen ist praktisch die gesamte politische Klasse Brasiliens in Verruf geraten. Auch der aktuelle Präsident Michel Temer wird wegen Korruption angeklagt. Lulas politisches Erbe hat sich unterdessen in Luft aufgelöst: Das Land steckt in seiner schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten.

Ein Großteil der neuen Mittelschicht ist längst wieder arm. Mit dem Namen Lula verbinden viele die Sehnsucht nach besseren Tagen. Es wird noch einige Tage dauern, bis sich herausstellt, ob die Zukunft des beliebtesten und unbeliebtesten Brasilianers im Präsidentenpalast oder im Knast spielt.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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