Gesundheitsreform:Im Scheitern von Trumpcare liegt eine Chance

President Trump participates in a Made in America product showcase  - DC

Der Autor des Buchs "The Art of the Deal" hat erneut kein Glück

(Foto: AFP)

Die Republikaner können die Obamacare-Krankenversicherung nicht abwickeln, "Dealmaker" Trump versagt erneut. Doch der Präsident muss eigentlich froh sein.

Kommentar von Matthias Kolb

Zu Beginn der Woche stand es im Senat noch 50 zu 50. Zwei der 52 Republikaner hatten "Trumpcare" schon öffentlich abgelehnt, weshalb kein weiterer Konservativer mehr abspringen durfte. In der Nacht auf Dienstag taten die sehr konservativen Senatoren Mike Lee und Jerry Moran genau dies - sie entzogen dem Plan gemeinsam ihre Unterstützung. So konnte keiner allein die geballte Wut abkriegen.

Damit bricht das Versprechen in sich zusammen, das sieben Jahre lang die Republikaner einte: "Repeal and replace Obamacare." Die 2010 eingeführte Krankenversicherung, die mehr als 20 Millionen Amerikaner absichert, sollte abgeschafft und mit einem stärker marktbasierten Ansatz ersetzt werden. Dies hatte auch Donald Trump im Wahlkampf lautstark gefordert: Er wollte Obamacare durch "etwas Besseres" ersetzen. Es sollte mehr Leistungen bieten und zugleich weniger kosten.

Das klingt nicht nur nach einer Quadratur des Kreises, diese Ankündigung war nie einzuhalten. Dass Trump von der Komplexität des US-Gesundheitssystems überrascht wurde ("Niemand wusste, dass das so kompliziert ist") und die Details der Gesetzesentwürfe nie verstanden hatte, machte die Sache noch aussichtsloser. Für den Moment ist die Blamage für den "Dealmaker" Trump groß, doch mittelfristig können er und alle anderen Beteiligten (allen voran die armen Amerikaner) froh sein.

Das jetzige Gesetz hätte der Marke Trump schwer geschadet

Viele Millionen hat Präsident Trump damit verdient, seinen Namen auf Hochhäusern sowie Produkten von Wodka bis Krawatten anbringen zu lassen. Für seine Marke wäre diese "Trumpcare"-Version verheerend gewesen: Je nach Schätzung hätten zwischen elf und 22 Millionen US-Bürger ihren Schutz verloren, profitiert hätten vor allem die Reichen. So etwas hilft dem Anti-Establishment-Kandidaten Trump, für dessen Wiederwahl-Kampagne bereits Geld gesammelt wird, gar nicht.

Der 71-Jährige wird also das tun, worin er jahrzehntelange Erfahrung hat: Er wird Erfolg neu definieren und darüber klagen, dass die Lobbyisten im Washingtoner Polit-Sumpf, den er angeblich trockenlegen will, eine Reform in seinem Sinne verhindert hätten. Dazu passt, dass Trump den Senatsentwurf als "böse" bezeichnet und den Demokraten die Schuld geben wollte - diese hätten sich verweigert. Entsprechend lesen sich auch seine Tweets am Morgen nach der Pleite. Überzeugend ist das alles nicht, aber seine Basis gibt gern allen anderen die Schuld.

Für die Republikaner gilt Ähnliches wie für Trump: Es ist unübersehbar, wie schlecht die Grand Old Party vorbereitet war, ihr zentrales Anliegen umzusetzen. Also entstanden handwerklich schlechte Gesetzesentwürfe, die weder Hardliner noch moderate Konservative glücklich machen - und für landesweite Proteste sorgten. Dieses "Ende mit Schrecken" sorgt dafür, dass die Abgeordnetenbüros nicht mehr so stark belagert werden und sich jeder einzelne Republikaner eine Kommunikationsstrategie überlegen kann, um seine Wiederwahl zu sichern.

Wichtig für die Glaubwürdigkeit und zur Besänftigung der eigenen Unterstützer und Spender ist nun, das nächste Projekt umzusetzen: die Steuerreform. Hier gibt es viel zu entschlacken und jene Bürger könnten entlastet werden, deren Beiträge dank der Fehlkonstruktionen bei Obamacare seit Jahren steigen. Der Druck ist aber hoch: Die Republikaner müssen beweisen, dass sie ein komplexes Gesetzesvorhaben durch alle Instanzen bringen können.

Nur wenige Wähler wissen, wofür die Demokraten stehen

Für die Demokraten ist das Scheitern von Trumpcare fraglos ein Erfolg: Obwohl die Republikaner neben dem Weißen Haus auch den Kongress kontrollieren, können sie das wichtigste Projekt von Barack Obama nicht abschaffen. Das liegt an der Zerstrittenheit der Konservativen - und auch daran, dass es zum Leidwesen der Republikaner politisch äußerst schwer ist, Bürgern eine Leistung wieder wegzunehmen, an die diese sich gewöhnt haben.

Dass "Trumpcare" nun schneller als erwartet in sich zusammenfällt, nimmt der Oppositionspartei nun ihr liebstes Horrorszenario: Die Konservativen setzen aus ideologischen Gründen das Leben der Bürger aufs Spiel. Stattdessen bleiben Millionen versichert und Trump ist blamiert - allzu lange jubeln sollten die Demokraten aber nicht. Wenn sie 2018 bei der Kongresswahl Sitze zurückgewinnen und 2020 wieder den Präsidenten stellen wollen, müssen sie klarmachen, welche Ideen sie anbieten. Die Mehrheit der Amerikaner sagt weiterhin: Die Demokraten haben außer einem Anti-Trump-Kurs nichts zu bieten. Je früher die Prioritäten klar werden, umso besser.

Einzige Lösung? Ein überparteilicher Ansatz

Was bedeutet die Implosion der Trumpcare-Pläne für die US-Bürger? All jene, die nach der Einführung von Obamacare erstmals eine Versicherung erhielten, werden aufatmen, weil sie ihren Schutz nicht verlieren. Für die untere Mittelschicht heißt dies, dass die relativ hohen Beiträge gleich bleiben und die Leistungen eher schlechter werden - in vielen Bundesstaaten gibt es kaum Konkurrenz zwischen Anbietern.

Die Lehre der vergangenen Wochen ist recht klar: Eine Reform des Gesundheitswesens kann nur überparteilich gelingen. Dass die Demokraten 2010 ihr Vorhaben ohne die Konservativen durchsetzen mussten, brachte zu viel Bürokratie und Schwächen. Der Versuch der Republikaner, diese nun ganz allein zu beseitigen, konnte angesichts des Volumens (ein Sechstel des US-Bruttoinlandprodukts wird in der Gesundheitsbranche erwirtschaftet) nur scheitern.

Mehr als zwei Drittel der Bürger wünschen sich, dass beide Parteien das Problem gemeinsam angehen und die Fehler von Obamacare beheben. Zu einem solchen Schritt müssten sich vor allem die Republikaner entschließen - sie müssten entgegen ihrer Ideologie die schon heute kaum mehr zu leugnende Tatsache eingestehen, dass der Staat seinen Bürgern eine Grundabsicherung liefern muss.

Für den US-Präsidenten wäre ein solcher Schritt gar kein Problem, denn Donald Trump hat in dieser Hinsicht keine echte Überzeugung. Er gibt seinen Namen für vieles her, um als erfolgreich zu gelten. In diesem Fall, also bei einem überparteilichen Kompromiss, könnte es sogar im Volk populär sein.

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