Kunst:Mobile der Poesie

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Magie des Raums, Kontemplation und organische Schönheit: Zwölf Künstler von SüdpArt 2 verwandeln den Wald mit Objekten aus Naturmaterialien in eine außergewöhnliche Galerie

Von Jürgen Wolfram

Was der Wald so hergibt: Blätter, Zweige, Zapfen, Wurzeln. Für Angela Dorscht sind das natürliche Materialien, die sich prima in Kunst verwandeln lassen. In ein faszinierendes Mobile zum Beispiel, vier Meter breit, zusammengehalten mit Juteschnur. Die Sendlinger Fotografin, Malerin und Bildhauerin nennt ihr ausbalanciertes, federleicht wirkendes Gebilde "Gioco nel vento - Spiel im Wind". Vor Betrachtern zitiert sie gern ihr französisches Vorbild Marcel Duchamp: "Wenn alles klappt, ist ein Mobile ein Stück Poesie, das vor Lebensfreude tanzt und überrascht."

Windspiel: Urbane Landschaftskunst mit umweltpolitischen Bezügen ist von Samstag an im Südpark zu sehen. (Foto: Robert Haas)

Vor Freude tanzen möchten gegenwärtig noch zwölf weitere Künstlerinnen und Künstler, die sich wie Dorscht an SüdpArt2 beteiligen, einem nicht kommerziellen, von der Stadt unterstützten "Natur-Prozesskunst-Projekt" mitten im Wald zwischen Sendling, Fürstenried und Obersendling. Ihr großer Auftritt unter Bäumen, auf Lichtungen und im Dickicht steht unmittelbar bevor. Von Samstag, 22. Juli, an werden die Installationen von Susanne Sommer, Penelope Richardson, Gertrud Fassnacht, Niko Jahn, Emmy Holstkamp, Anne Fischer, Verena Friedrich, Gabriele Frosch, Frank Fischer, Nia Laitl, Martin Kortes, Angela Dorscht und Initiatorin Lore Galitz öffentlich präsentiert, 16 Wochen lang. Anschließend sollen die Werke an Ort und Stelle "vergehen", sprich: verwittern.

Wer sich animiert fühlt, kann beim Spaziergang seine Gedanken in ein Heft niederschreiben. (Foto: Robert Haas)

In alten Märchen bevölkern Wegelagerer und Hexen die Wälder. Das mag für den Harz vielleicht noch zutreffen. Doch im Münchner Wald, da sind keine Räuber, da wirken kreative Kräfte. Leute wie die Architektin Nia Leitl. Sie hat eine Pyramide in den Südpark gezaubert, die nach antiken Maßen aus Totholz gefertigt wurde. "Von ihr soll Heilkraft ausgehen", erläutert Leitl bei einem Besichtigungstermin. Die könne der von Stürmen schwer gezauste Wald zur Regeneration gut brauchen. Natur- und Kunsterlebnis trefflich zusammengeführt hat auch Verena Friedrich. In ihrem Opus "Wandlung" bewegen sich aufgetürmte Hölzer flussähnlich mäandernd zwischen Bäumen hindurch. "Durch eine bewusste Anordnung der Äste entsteht die Assoziation einer Bewegung im Raum. Der Ort erhält eine neue Qualität, eine neue Wahrnehmung", kommentiert die Künstlerin ihr Werk.

The artists are present: die Künstlergruppe vor Nia Leitls Totholz-Pyramide. (Foto: Robert Haas)

So wandert der Besucher auf schmalen Pfaden von Installation zu Installation, von einer ungewöhnlich großen Parkbank mit Aussicht zum "magischen Band", vom "lebendigen Kranz" zum "Strom des Lebens". Als Oberbegriff haben sich die Südpart-Anhänger diesmal "Gemeinschaft" ausgesucht. Gemeint ist Gemeinschaft mit dem Wald, mit Ausstellungsbesuchern und Künstlerkollegen gleichermaßen. Ausdrücklich erwünscht sei meditatives Eintauchen in die Baumwelten, sagt Mitorganisatorin Gertrud Fassnacht. Mit "Raum der Klarheit" hat sie selbst einen passenden Beitrag zur selbstversunkenen Beschau im Grünen beigesteuert. Fassnacht will den "Raum zwischen Bäumen" erfahrbar machen.

Penelope Richardsons "Drei Wünsche" gehen in eine ähnliche Richtung. Ihr Anliegen ist, einen Ort der Kontemplation zu schaffen und sich auf die Idee der Regeneration zu konzentrieren. Mit drei Elementen - Dreieck, Wünsche, Wünschelrute - erzeugt sie mit umwickelten Baumstämmen und Astgabeln einen magischen Raum. Oder Susanne Sommers "Das Gute von oben", eine Schale aus Fichtentotholz: Hier soll man sich vorstellen, wie der Waldboden gefäßgleich Wasser aufnimmt und daraus im Zusammenspiel mit dem Licht der Sonne immer wieder neues Leben entsteht. Zur Philosophie der Künstlergruppe um Lore Galitz gehört es, den Wald als exemplarisch lebendigen Organismus zu betrachten und ihm den entsprechenden Respekt entgegenzubringen. Ausstellungsbesuchern rät sie, sich einmal ganz entspannt auf die schattige, sensible Lebensgemeinschaft einzulassen, ebenso wie auf die Kunstwerke, die in ihrer naturnahen Ausgestaltung mit ihr verschmelzen sollen. "Das hat zwar überhaupt keinen Event-Charakter, tut der Seele aber ungemein gut", sagt Gertrud Fassnacht. Griffbereite Flyer an den Parkzugängen weisen den Weg. Ganz nebenbei könnten die Münchner einen Parkbereich entdecken, der vielen Menschen unbekannt sein dürfte. Fassnacht und ihre Kollegen waren natürlich schon unzählige Male hier. Um "Impulse" aufzufangen, die in künstlerisches Schaffen münden. Der mitwirkende Niko Jahn würde diesen Vorgang vermutlich so nennen wie seinen Beitrag zur Performance im großen Grün: "Der Waldgeist wird wieder wach."

SüdpArt 2 erreicht man am besten vom Parkplatz an der Inninger Straße 30 aus oder mit dem Bus der Linie 132, Haltestelle Aichacher Straße. Eröffnung der Ausstellung, die bis 14. Oktober dauert, ist am Samstag, 22. Juli, 14 Uhr. An diesem Tag sowie am 28. August (Start 18 Uhr), 15. September (17 Uhr), 30. September (14 Uhr) und 14. Oktober (14 Uhr) werden "geführte Spaziergänge" angeboten. Treffpunkt ist jeweils der Parkplatz an der Inninger Straße. Anmeldung unter 01 79 / 7 20 85 17 oder gertrud_fassnacht@web.de.

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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