Reisehinweise:Die Türkei ist vielen unheimlich geworden

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Touristen liegen im Juni 2017 am Kleopatra-Strand in Alanya. (Foto: dpa)

Seit die türkische Regierung ihre Bevölkerung mit Repressalien überzieht, meiden viele Deutsche das Land. Die Bundesregierung verzichtet auf einen Boykottaufruf.

Kommentar von Monika Maier-Albang

Die Türkei war diesen Sommer billig zu haben, schon vor der Verschärfung der Reisehinweise. Das Fünf-Sterne-Hotel in Belek: 513 Euro sieben Tage all inklusive. 240 Euro gespart. Das Hotel an der "Türkischen Riviera", wie die weithin verbaute Südküste euphemistisch genannt wird: 516 statt 860 Euro. Das freut den deutschen Schnäppchenjäger, das Zimmermädchen und der Koch in Antalya spüren es beim Lohn.

Seit die türkische Regierung nach dem misslungenen Putsch die Bevölkerung mit Repressalien überzieht, haben viele Urlauber sich gefragt: Will ich da hin? Viele haben das mit Nein beantwortet - das Land ist ihnen suspekt geworden. Die Bundesregierung hat diesem Gefühl nun Ausdruck verliehen. Niemand kann mehr sicher sein, unversehens vom unbescholtenen Urlauber zum ungewollten Gast zu werden. Da kann es reichen, eine Demonstration zu fotografieren oder eine Militärbasis, sich kritisch über den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu äußern oder positiv zum Prediger Fethullah Gülen.

Angemessen distanziert, aber nicht unfair

Erdoğan hat in seinem Verfolgungswahn seinen Landsleuten, die vom Tourismus leben, bereits jetzt massiv geschadet. Im Jahr 2016 reisten noch etwa vier Millionen Deutsche in die Türkei, aber schon das waren 1,6 Millionen weniger als im Jahr davor. Und für diesen Sommer ist die Nachfrage noch einmal deutlich gesunken. Studienreisen in die Türkei sind komplett eingebrochen. Wer individuell reist, hat das zuletzt noch getan trotz Bauchgrimmens - aus ungebrochener Sympathie und Mitgefühl für das Land.

Die Bundesregierung hat nun einen klugen Weg gewählt. Sie hat auf einen plakativen Boykottaufruf verzichtet, wie ihn Politiker der Linken fordern. Es gibt de jure (noch) keine Reisewarnung, de facto werden aber viele Urlauber von einer Reise in die Türkei nun Abstand nehmen. Wer bucht schon gern Urlaub in einem Land, dem die eigene Regierung so misstraut, dass sie ihre Bürger aufruft, sich in "Krisenvorsorgelisten" einzutragen? Außer vielleicht die, die darauf spekulieren, dass der Badeurlaub jetzt noch ein bisschen günstiger wird - auch dank von der türkischen Regierung bezuschusster Charterflüge.

Zugleich verhält sich die Bundesregierung angemessen distanziert, aber nicht unfair gegenüber der deutschen Tourismusindustrie, die von Reisebeschränkungen naturgemäß überhaupt nichts hält. Ist nun mal schlecht fürs Geschäft. Die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes werden ja, ob es Ägypten betrifft oder die Türkei, nicht unabhängig von deutschen Wirtschaftsinteressen formuliert.

EIne Reisewarnung hätte immense Kosten nach sich gezogen

Bei einer Reisewarnung wären immense Kosten auf die Veranstalter zugekommen - für den Rücktransport ihrer Gäste. Man hätte mit verärgerten Hoteliers in der Türkei über Ausgleichszahlungen verhandeln und verärgerte Kunden daheim besänftigen müssen. Vor allem aber hätten man den Urlaubern jetzt, mitten in den deutschen Sommerferien, keine Ausweichmöglichkeit anbieten können. Spanien ist rappelvoll, Griechenland auch gut gebucht.

Die schmallippige Erklärung des Deutschen Reiseverbandes DRV vom Donnerstag, der auch für die großen deutschen Reiseveranstalter spricht, sich jeder Bewertung enthält und nur den Status quo referiert, zeigt, dass die Branche zwar verärgert ist, aber sehr wohl darum weiß, dass es sie schlimmer hätte treffen können. Und übrigens auch noch treffen kann, wenn die Türkei den Warnschuss ignoriert. Dann werden Urlauber wie Unternehmen nicht unvorbereitet sein. Aber dann ist ja auch die Hauptsaison vorbei.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Von Irene Helmes und Monika Maier-Albang

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