Umstrittene Justizreform:Richterbund sieht rechtliche Zusammenarbeit mit Polen in Gefahr

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Erneut gingen in Polen so wie hier in Lublin Tausende Menschen auf die Straße. (Foto: Jakub Orzechowski/Agencja Gazeta/Reuters)
  • Der Deutsche Richterbund warnt davor, Polen sei dabei, sich durch die umstrittene Justizreform in der EU-Rechtsgemeinschaft zu isolieren.
  • In Polen gingen am Sonntag erneut Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Änderungen zu protestieren. Sie fordern Präsident Duda auf, sein Veto gegen die Gesetze einzulegen.

Der Deutsche Richterbund warnt vor den Folgen für die rechtliche Zusammenarbeit anderer EU-Staaten mit Polen, sollte dort tatsächlich die umstrittene Justizreform in Kraft treten. Der Vorsitzende des Richterbundes, Jens Gnisa, sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland, das System der Rechtshilfe erfolge im Vertrauen darauf, dass die beteiligten Länder Rechtsstaaten seien.

"Sobald Polen aber kein Rechtsstaat nach dem gemeinsamen Verständnis der EU mehr ist, dürften sich die anderen Mitgliedsstaaten sehr schwer tun, Polen etwa bei der Strafverfolgung vorbehaltlos zu unterstützen", sagte er. Sofern einem Beschuldigten in Polen "kein faires, sondern ein von der Regierung beeinflusstes politisches Verfahren droht, liefert die deutsche Justiz ihn im Zweifelsfall eher nicht aus", sagte Gnisa. Polen sei dabei, sich durch die Justizreform in der EU-Rechtsgemeinschaft zu isolieren.

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Tausende Polen protestierten am Sonntag zum achten Mal in Folge gegen den Umbau des Justizsystems. In der Hauptstadt Warschau und weiteren Städten zogen die Menschen mit Kerzen vor Gerichtsgebäude.

Die Demonstranten, die sich in Warschau vor dem Obersten Gerichtshof versammelten, skandierten unter anderem "Freie Gerichte" und "Freiheit, Gleichheit, Demokratie". Sie forderten den zum Regierungslager gerechneten Duda auf, sein Veto gegen das Gesetz einzulegen. Duda sei zu einer sachlichen Diskussion über die Reform bereit, hieß es aus der Präsidentenkanzlei. Er empfängt heute führende Richter, die die Änderungen kritisch sehen.

© SZ.de/AFP/AP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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