Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung:Ein Salutschuss und seine Folgen

Bei einer Beerdigung wird vom städtischen Kanonier ein Ehrensalutschuss abgefeuert. Seitdem ist ein Mann schwerhörig. Jetzt musste ein Gericht über Schmerzensgeld entscheiden.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die Zeiten, in denen Städte ein paar Kanonen vorhalten mussten, um sich unliebsamen Besuch vom Leib zu halten, sind glücklicherweise vorbei. Dennoch gibt es sie - wenn auch eher in Mini bei Böllerschützen. Der Miniaturkanone kommt auch nicht die Aufgabe der Stadtverteidigung zu, sie dient rein zeremoniellen Zwecken: Bei festlichen Anlässen wird damit Salut geschossen, natürlich ohne Kugeln. Dass aber auch dies nicht ganz ungefährlich ist, war nun Thema einer Verhandlung am Ebersberger Amtsgericht.

Angeklagt war der städtische Kanonier, der Vorwurf lautete: fahrlässige Körperverletzung. Bei der Beerdigung eines verdienten Mitglieds eines Veteranenvereins im Herbst 2015 sollte die Kanone standesgemäß drei Schüsse Ehrensalut abfeuern, was auch so geschah. Allerdings offenbar in unmittelbarer Nähe eines älteren Herrn, der durch den plötzlichen Lärm eine erhebliche Verletzung an den Ohren erlitt, seitdem schwerhörig ist und ein Hörgerät braucht.

Der Kanonier erhielt einen Strafbefehl in Höhe von 800 Euro

Für die Staatsanwaltschaft eindeutig die Schuld des Kanoniers, der hätte vor dem Abfeuern seines Arbeitsgerätes darauf achten müssen, dass ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten ist. Das Amtsgericht hatte dies zunächst ebenso gesehen, der Kanonier erhielt einen Strafbefehl in Höhe von 800 Euro. Dagegen legte er allerdings Widerspruch ein, weshalb der Fall nun verhandelt wurde.

Die Wahrheitsfindung gestaltete sich nicht ganz einfach. Einigkeit herrschte zwischen den Zeugen zwar darüber, dass auf der Beerdigung aus der Kanone geschossen worden war; wie viele Schüsse es waren, darüber gab es allerdings unterschiedliche Angaben. Üblich seien drei Schüsse, so einer der Zeugen, wahrscheinlich seien es damals auch drei gewesen. Auch bei der Frage, wo die Kanone während der Beerdigung genau gestanden hatte, gingen die Erinnerungen auseinander. Zwar müsste es irgendwo im Bereich des Volksfestplatzes gewesen sein, aber darin erschöpften sich die Übereinstimmungen der Zeugen auch schon.

Muss wegen Falschaussage gegen Zeugen ermitelt werden?

Einige verorteten die Miniaturartillerie im Bereich einer Wertstoffinsel, andere sogar in unmittelbarer Nähe einer Hecke. Was wiederum nach Aussage des Kanoniers nicht sein könne, da - auch ohne Bleifüllung - das Kanonenrohr einen gewissen Abstand zu anderen Objekten einhalten müsse. Entscheidend war die Frage des Kanonenstandortes für das Gericht deshalb, um abschätzen zu können, ob sich der Geschädigte dem Geschütz überhaupt weit genug hätte nähern können, um Ohrenschäden davonzutragen. Denn laut Angeklagtem selbst war während des Abfeuerns niemand in unmittelbarer Nähe. Dies bestätigten einige Zeugen, sie erklärten, keine Personen zum Zeitpunkt der Salutschüsse neben der Kanone gesehen zu haben, andere dagegen erinnerten sich an das Gegenteil.

Nach mehr als zwei Stunden Verhandlung schlug Richterin Vera Hörauf vor, das Verfahren gegen die Zahlung von Schmerzensgeld an den Geschädigten einzustellen. Nicht zuletzt, weil man sonst - egal ob Verurteilung oder Freispruch - unter Umständen wegen Falschaussage gegen einige Zeugen ermitteln müsse. Staatsanwaltschaft und Verteidigung stimmten zu, auch der Geschädigte war einverstanden. Die Parteien einigten sich auf 2000 Euro, zwar mehr als im Strafbefehl, dafür entfällt allerdings eine Verurteilung.

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