70. Geburtstag von Arnold Schwarzenegger:Sonnengebräunte Selbstironie

Arnold Schwarzenegger rieb sich mit zu viel Öl ein, regierte Hollywood aber trotzdem immer mit großer Würde. Zum 70. Geburtstag einer Ikone.

Von Philipp Bovermann

Hamlet zündet sich erst mal eine Zigarre an. "Hey, Claudius, du hast meinen Alten umgenietet. Mächtig großer Fehler!" Ohne eine Miene zu verziehen, packt er den Mörder und wirft ihn aus dem Fenster, denn "etwas ist faul im Staate Dänemark, und einer muss den Müll rausbringen". So stellt sich im Film "Last Action Hero" (1993) ein gelangweilter Junge während des Unterrichts die Shakespeare-Tragödie vor. Er hat im Kopf die Hauptrolle mit Arnold Schwarzenegger besetzt.

Man könnte dieses Gedankenexperiment auf so ziemlich jeden Filmstoff anwenden. Sobald man Arnie darin unterbringt, fangen unter dem Druck der Action die Nähte an zu reißen wie bei einem zu engen T-Shirt, das über den Muskeln spannt. Zum ersten Mal, wenn auch eher unfreiwillig, ließ sich das 1970 in "Herkules in New York" beobachten. Der massige junge Österreicher aus der Steiermark war zwei Jahre zuvor nach Los Angeles gekommen, wo am "Muscle Beach" die Fitness-Bewegung geboren wurde. Jetzt sollte er den griechischen Halbgott bei einem Urlaub in der Gegenwart spielen.

"Arnold Strong", so hieß er im Abspann, durfte sein T-Shirt ausziehen und einen Diskus werfen, außerdem im New Yorker Central Park einen entlaufenen Bären niederringen, während auf der Tonspur Sirtaki-Musik dudelte. Der Film ist heute Kult, weil völlig behämmert. Nichts daran funktioniert. Den heftigen steirischen Akzent konnte ein Synchronsprecher ausbügeln. Aber die Rolle eines griechischen Helden mit einem Bodybuilder zu besetzen, zeugt von einem elementaren Missverständnis.

Einem Bodybuilder kauft man kein Leiden ab

Nichts ist unheroischer als der preisgekrönte Körper eines "Mr. Olympia". Einem Helden sieht man die Konflikte an, die er austrägt, für deren Lösung er die Zähne zusammenbeißt und sich mäßigt. Bodybuilding hingegen ist purer Exzess. Es treibt mit quasi-bildhauerischen Methoden ein Formprinzip in den Körper hinein, lässt ihn über seine natürlichen Funktionen hinaus anschwellen und versiegelt die Oberfläche anschließend mit glänzendem Öl. Einem Bodybuilder kauft man kein Leiden ab, denn er ist ein wandelndes Stillleben der Konsumgesellschaft.

Genau das macht den merkwürdigen Reiz vieler der Actionfilme aus, die Schwarzenegger in den Achtzigern und Neunzigern gedreht hat. Er funktioniert umso besser, je weniger seine Gegner ihm entgegenzusetzen haben. Weil er aber mit seiner Physis dieses Bild bis ins Absurde übersteigert, fühlt sich die Gewalt, die von ihm ausgeht, ein bisschen irreal an. Das gilt für "Conan der Barbar" (1982), in dem das Gemetzel irgendwann Teil der Kostümlandschaft wird; für "Das Phantom-Kommando" (1985) und seine ausufernde Flut von Arnies markigen Sprüchen; vor allem aber für "Total Recall" (1990), der stets die Möglichkeit offenlässt, dass sich die Handlung in einer Simulation vollzieht. Schwarzenegger, ein in seiner Muskel-Oberfläche versunkener Österreicher, war der Action-Held der Postmoderne.

Für solche Filme braucht es eine erzählerische Rechtfertigung, dass der Held Leute abknallen darf, aber möglichst wenige menschliche Konflikte austrägt, die sich auf den Zuschauer übertragen könnten. Bei Arnie trieb man dieses Prinzip so weit, dass etwas höchst Eigentümliches geschah: Erst als Maschine offenbarte er echte Zärtlichkeit. James Cameron besetzte ihn 1984 als "Terminator", gewissermaßen der Archetypus hinter all seinen Rollen. Ein Kampfroboter, dessen Körper so undurchdringlich und so expressiv wie ein Cola-Automat ist, der keine Morde begeht, sondern vollautomatisch "terminiert". Sprechen tut er nicht, aber er macht Ansagen, insgesamt 58 Worte in 17 Sätzen - so was nennt man effizient. Er stammte aus der Zukunft und verkörperte damit das wohlige "No Future"-Gruselgefühl der Achtzigerjahre. Die Fans liebten ihn.

Die väterliche Liebe des Terminators als Utopie der idealen Liebe

Dass James Cameron beschloss, den Terminator im zweiten Teil diese Liebe erwidern zu lassen, war ein Geniestreich. Der umprogrammierte Kampfroboter sollte nun auf den kleinen John Connor aufpassen, statt ihn zu "terminieren". Als der Junge weint, fragt der Terminator, was mit seinen Augen los sei. Es liegt kein Trost in der Frage, aber auch kein Männer-weinen-nicht-Vorwurf, sondern eine hundertprozentige Sorge um das Schutzobjekt, auch wenn sie rein technisch ist. An einer Stelle beobachtet seine Mutter die beiden, wie John ihm High fives beibringt. Sie begreift: "Der Terminator würde niemals aufhören. Er würde ihn nie verlassen. Und er würde ihm niemals wehtun, ihn niemals anbrüllen oder sich betrinken und ihn schlagen oder behaupten, er sei zu beschäftigt und hätte keine Zeit für ihn." Die väterliche Liebe des Terminators ist zwar eine Projektion, aber ist das nicht die Utopie der idealen Liebe, in die niemals der Egoismus des Gegenübers hereinbricht?

Auch Schwarzenegger selbst scheint irgendwann den Übergang vom ersten zum zweiten "Terminator"-Teil gemacht zu haben. Bekannte aus jungen Jahren berichten von seiner irritierend kalten Zielstrebigkeit. Bodybuilding, mit mechanischen Muskelbewegungen den Widerstand des Fleisches überwinden, hat etwas mit Roboter-Werdung zu tun. Diese an seinem Körper ausgeprägte Beharrlichkeit trug er 2003 in die Politik. Sein nächstes Trainingsziel war, Gouverneur von Kalifornien zu werden, dieses flirrenden Stück Lands, das Grenzverschieber und "self-made men" wie ihn schon immer angezogen hat. Er trat an mit Sprüchen, bei denen man sich bisweilen nicht ganz sicher war, ob es sich um ein Zitat aus einem seiner Filme handelte. Die zerstrittenen Parlamentarier in Sacramento bezeichnete er als "Weicheier" und versprach das Haushaltsdefizit zu "zerstören".

Die Kalifornier wählten ihn zweimal hintereinander zum "Gouvernator"

Als handwerkliches Symbol hielt er dabei einen Besen in die Kameras. Die Botschaft: Etwas ist faul im Staate Kalifornien und einer muss hier mal durchfegen. Schwarzenegger allerdings wusste, wann er vom "Terminator" auf den "Kindergarten Cop" umzuschalten hatte. In der Komödie von 1990 durfte der Muskelberg angesichts einer Bande plärrender Kinder erstmals heillos überfordert, regelrecht putzig wirken. Die Kalifornier liebten diese Mischung aus Großspurigkeit und sonnengebräunter Selbstironie. Sie wählten ihn zwei Amtszeiten hintereinander zum "Gouvernator".

Zuletzt sprach er in einem Youtube-Video davon, wie grüne Technologie die Wirtschaft seines Bundesstaats "aufgepumpt" habe - anstatt sie, wie sein republikanischer Parteikollege Donald Trump behauptet, zu ruinieren. Er klingt dabei immer noch wie die alte Kampfmaschine, mit seinem ungeschlachten steirischen Akzent, aber jemand hat ihn für die Rettung des Planeten umprogrammiert. Am Ende von "Terminator 2" redet John Connors Mutter über Hoffnung: "Wenn eine Maschine, ein Terminator, den Wert des Lebens schätzen lernen kann, dann können wir es vielleicht auch." Am Sonntag wird der große Weltverbesserer Arnold Schwarzenegger siebzig Jahre alt.

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