Resistente Keime:Volle Dosis

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Viele Klinikpatienten werden in Deutschland auf multiresistente Keime vom Typ MRSA getestet. Tatsächlich bereiten andere Keime inzwischen größere Probleme. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die Grünen kritisieren, dass Ärzte noch immer zu viele Antibiotika verschreiben. Dagegen verweist die Bundesregierung auf Fortschritte in der Tiermedizin.

Von Kim Björn Becker, München

Die Grünen im Bundestag werfen der schwarz-roten Bundesregierung vor, im Kampf gegen multiresistente Krankenhauskeime zu "versagen". Obwohl es das erklärte Ziel der Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel sei, den Einsatz von Antibiotika zu verringern, werde nichts erreicht. Dies müsse "ein Weckruf sein", sagte die Grünen-Politikerin Beate Walter-Rosenheimer der Süddeutschen Zeitung.

Sie stützt sich auf Zahlen, welche das Bundesgesundheitsministerium auf eine entsprechende Anfrage der bayerischen Politikerin hin vorgelegt hat. Demnach sinkt zwar die Zahl der entdeckten multiresistenten Bakterien kontinuierlich, allerdings verordnen die Ärzte in Deutschland weiterhin vergleichsweise viele Antibiotika. Experten sehen in der zu häufigen Gabe von Antibiotika eine wesentliche Ursache dafür, dass manche Bakterienstämme immer resistenter gegen Medikamente werden. Im äußersten Fall wirken selbst Notfall-Antibiotika nicht mehr.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts wurden in diesem Jahr bereits 1363 Fälle von multiresistenten Keimen bei Menschen gemeldet, dies entspricht 3,36 Fällen pro 100 000 Einwohnern. 75 Personen starben, weil kein Antibiotikum die Ausbreitung der Bakterien im Körper verhindern konnte. Zwischen 2011 und 2016 sank die Zahl der Fälle von 5,16 auf 3,82 pro 100 000 Einwohner, ebenso gingen die gemeldeten Todesfälle von 349 auf 238 zurück. Sollte sich der Trend der ersten sieben Monate des laufenden Jahres fortsetzen, wären die Zahlen für 2017 ebenfalls besser als im Vorjahr. Das Gesundheitsministerium spricht von einem klaren Rückgang der Fälle seit dem Beginn der Meldepflicht vor bald zehn Jahren.

Was die Grünen dennoch zu ihrer Kritik veranlasst, ist der Umstand, dass die Bundesregierung vor zwei Jahren beschlossen hatte, Ärzte in Krankenhäusern und Praxen sollten in Zukunft weniger Antibiotika verschreiben. Ziel der von mehreren Ministerien erarbeiteten Antibiotikaresistenzstrategie ("Dart 2020") sei es, "dauerhaft einen restriktiven Einsatz antibiotischer Wirkstoffe in allen relevanten Bereichen herbeizuführen", schreibt das Gesundheitsministerium. Die von ihm zitierten Daten legen den Schluss nahe, dass niedergelassene Ärzte ihren Patienten annähernd unverändert viele Antibiotika verschreiben, zum Beispiel bei Erkältungen. Die in Fachkreisen verwendete Messzahl der sogenannten definierten Tagesdosis pro 1000 Einwohner und Tag veränderte sich in jüngster Zeit nur unwesentlich. Ein ähnliches Bild zeichnet das Ministerium beim Antibiotikaverbrauch in deutschen Krankenhäusern. Allerdings sind die Klinikdaten nicht so verlässlich wie die Werte der niedergelassenen Ärzte, da sie nur auf der Grundlage einer verhältnismäßig kleinen Stichprobe berechnet werden.

Die Grünen-Politikerin Walter-Rosenheimer nennt es "besonders alarmierend", dass der Einsatz von Antibiotika "seit Jahren auf viel zu hohem Niveau stagniert". Von einem nennenswerten Rückgang in der Humanmedizin könne keine Rede sein. Zudem rügt sie, dass es für den Antibiotika-Verbrauch in Kliniken keine besseren Daten gebe. "Es ist unverantwortlich, dass die große Koalition diese Transparenz nicht einfordert und Krankenhäuser ohne externe Kontrolle gewähren lässt", sagte Walter-Rosenheimer.

Auf sichtbare Erfolge verweist die Bundesregierung dafür bei der Gabe von Antibiotika in der Landwirtschaft. Dort wird die Menge der antibiotischen Wirkstoffe erfasst, die von pharmazeutischen Großhändlern an Tierärzte abgegeben werden. Im Jahr 2011 waren dies noch Medikamente mit einem Gewicht von 1706 Tonnen, der Wert wurde bis zum Jahr 2015 auf 805 Tonnen mehr als halbiert. Experten zufolge haben bis zu fünf Prozent aller Fälle von multiresistenten Keimen beim Menschen ihren Ursprung in der Tiermedizin. Für gesunde Menschen ist der Kontakt zu multiresistenten Erregern in der Regel ungefährlich, da sie nur selten daran erkranken. Allerdings geben sie die Bakterien möglicherweise an geschwächte Personen weiter, deren Körper sich nicht gegen die Erreger wehren können.

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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