Krankenversicherung:Lockt die Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung!

Hausarzt

Beamte genießen im Gesundheitssystem bislang eine Sonderbehandlung.

(Foto: dpa)

Knapp die Hälfte der Privatpatienten sind Staatsbedienstete und deren Familien. Sie profitieren am meisten von der Zweiklassenmedizin. Dieses System muss sich ändern.

Kommentar von Kristiana Ludwig

Welche Krankenversicherung ein Bürger abgeschlossen hat, das kann er manchmal durch den Telefonhörer spüren. Es ist die Stimmlage der Sprechstundenhilfe, ihr Tonfall nach einer unverblümten Frage: Privat versichert oder gesetzlich? Wie der Anrufer antwortet, entscheidet nicht selten über den Zeitpunkt seiner Untersuchung. Geschieht sie binnen Tagen oder erst nach Monaten? Denn Privatpatienten haben bei einigen Fachärzten Vorrang, bei vielen Herzspezialisten oder Nervenärzten, zum Beispiel. An ihnen verdienen die Mediziner einfach besser.

Weil es beim Arzt aber um die Gesundheit der Menschen gehen sollte und nicht ums Geld, weil es ganz schön ungerecht klingt, Patienten nach Geldbeutel zu sortieren, setzen sich die SPD, die Grünen und die Linken für eine Abschaffung so einer "Zweiklassenmedizin" ein. Sie fordern eine gesetzliche Versicherung für alle. Jeder zahlt ein, jeder bekommt dieselbe Behandlung, der Konzernchef genauso wie der Hartz-IV-Empfänger. Schon vor den vergangenen Bundestagswahlen diskutierten die Parteien dieses Konzept. Es würde für eine gerechtere Medizin in Deutschland sorgen. Durchsetzen ließ es sich nicht.

Denn in der privaten Krankenversicherung sind nicht nur wohlhabende Selbständige Mitglied. Knapp die Hälfte der Privatpatienten sind Beamte, Pensionäre und deren Familien. Sie sind diejenigen, die am meisten von der Zweiklassenmedizin profitieren. Denn die Behörden der Länder, Gemeinden und des Bundes, bei denen sie arbeiten, bezahlen einen Großteil ihrer Arztrechnungen. Ihre Sonderbehandlung ist sogar im Grundgesetz verankert: Für das besondere "Dienst- und Treueverhältnis" seiner Diener muss der Staat extra zahlen. So ist es schon lange und so soll es bleiben, finden die Beamten. Und ihre Lobby ist mächtig. Die CDU und die FDP werden ihnen kaum von der Seite weichen. Doch ohne diese Parteien lässt sich im Bundestag keine Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung erreichen.

In Hamburg hat der rot-grün regierte Senat seinen Beamten nun trotzdem ein unverbindliches Angebot gemacht. Wenn sie im kommenden Jahr doch lieber eine gesetzliche Krankenversicherung abschließen wollen, wird die Stadt ihnen die Hälfte der Beiträge bezahlen. Ganz so, als sei die Behörde ein privater Arbeitgeber. Hinter dem Gesetz der Hamburger steckt nicht nur eine nette Geste für mehr Auswahl. Es ist vielmehr die erste kleine Erschütterung des Privatpatienten-Privilegs für Beamte.

Was der Hamburger Senat hier versucht, ist wohl die einzige Möglichkeit, um die Beamten irgendwann für eine einheitliche Krankenversicherung zu gewinnen. Man muss sie locken. Einigen der Staatsdiener nützt eine gesetzliche Kasse schließlich schon heute. Für diejenigen, die mehrere Kinder haben oder unter einer chronischen Krankheit leiden, die viele, teure Behandlungen erfordert, wird die Privatversicherung trotz der staatlichen Beihilfe teuer. Etwa sechs Prozent der Hamburger Beamten zahlen schon jetzt lieber den kompletten Beitrag für die gesetzliche Kasse.

Um auch andere davon zu überzeugen, auf ihre Vorzüge beim Spezialisten, auf das Einzelzimmer im Krankenhaus oder auf die Chefarztvisite zu verzichten, müssten die Politiker ihnen andere Privilegien bieten. Treue soll nicht umsonst sein, so steht es nun einmal in der Verfassung. Wenn eine kommende Regierung die Trennung zwischen Privatversicherten und Kassenpatienten aufheben will, muss sie erst einmal die Besoldung der Beamten erhöhen. Wenn.

Für die Steuerzahler sind die Beamten-Privilegien teuer

Gegen eine Aufhebung der Zweiteilung in den Krankenversicherungen spricht nämlich, dass die Sonderbehandlung beim Arzt auch eine Sonderbehandlung der Ärzte bedeutet. Mit den höheren Honoraren für Privatversicherte finanzieren sie ihre Praxen. Davon profitieren auch Kassenpatienten. Mit einer Versicherung für alle wäre die deutsche Medizin zwar gerechter, aber sie müsste auch ihre gesamte Finanzierung neu ordnen.

Trotzdem wäre es ratsam, die Abschaffung der zwei Versicherungssysteme in Angriff zu nehmen. Denn auch unabhängig von den Ärzten und Krankenhäusern steigen zur Zeit die Kosten der Privatversicherungen. Niedrigzinsen lassen die Unternehmen in eine Krise rutschen, deshalb erhöhen sie ihre Beiträge. Und weil der Staat für die Beamten mitbezahlt, sind es am Ende die Steuerzahler, die den Staatsdienern immer mehr aushelfen müssen - und zwar nicht nur bei Einzelzimmern und Spezialtherapien. Besser wäre also, eine neue Art zu finden, die Beamten für ihre Treue zu belohnen.

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