Technik:Dieses Familienunternehmen macht Vinyl-Fans glücklich

Clearaudio

Manch modernes Gerät erinnert nur entfernt an einen Plattenspieler. So bringt das Modell "Statement" von Clearaudio mehrere Hundert Kilogramm auf die Waage - das hohe Gewicht soll Erschütterungen ausgleichen.

(Foto: Clearaudio)

Clearaudio baut teure High-End-Plattenspieler - ausgerechnet in Erlangen. Wo das Format MP3 erfunden wurde.

Von Maximilian Gerl, Erlangen

Die Totgeglaubten stehen auf Podesten. Robert Suchy stellt sie nacheinander vor. "Den gibt's ab 1500 Euro", sagt er über den ersten Plattenspieler. Das nächste Modell ist massiver, Holzkorpus, 2000 Euro. So geht es durch den Raum, die Geräte werden ständig größer und teurer, bis Suchy vor einem Monstrum von Musikanlage steht. 400 Kilo schwer, 15 000 Euro teuer. Suchy legt eine Schallplatte auf. Eine Prozedur für sich, er muss einen Metallring abnehmen und einen riesigen Tonarm wegschieben, um die LP auf den Teller zu bekommen. Braucht man wirklich so ein Gerät? Suchy sagt: "Brauchen nicht." Brauchen ist nicht das Entscheidende. Sondern das Wollen.

Immer mehr Menschen wollen wieder Schallplatte hören. Dabei war Vinyl tot. Zu antiquiert und unhandlich erschien die Technologie gegenüber neuen Medien, die mehr Speicherplatz auf kleinerem Format versprachen. Doch während Kassetten und CDs in die Bedeutungslosigkeit abdriften, erfährt die Platte ein Comeback. Davon profitieren besonders Firmen, die der Platte trotz langer Durststrecke treu blieben. Wie Clearaudio mit seinen etwa 50 Mitarbeitern. Der Umsatz des Mittelständlers geht auf die zehn Millionen Euro zu. Klingt bescheiden, reicht aber, um bei High-End-Plattenspielern zu den fünf weltweit führenden Anbietern zu gehören.

Clearaudio kommt aus Erlangen. Ausgerechnet. In Erlangen wurde mit MP3 jenes Digitalformat erfunden, das die Musikspeicherung revolutionierte - und analoge Tonträger eigentlich überflüssig macht. Das Hauptquartier der Firma ist ein weiß getünchter Bau an der Stadtgrenze. Im Erdgeschoss Werkstätten, im ersten Stock Büros, rundherum Wald. Nur der Showroom mit den in Szene gesetzten Plattenspielern fällt aus dem Rahmen.

Hier empfängt Geschäftsführer Suchy unter anderem Schulklassen. Denen spielt der 47-Jährige gern Musik aus dem Handy vor, das klingt oft blechern. Zum Vergleich wirft Suchy danach die 400 Kilo schwere Anlage an. Sie heißt "Statement" und liefert dazu passenden Sound ab, prägnant, klar, wuchtig. "Als ob die Band mit im Raum wäre", sagt Suchy. "Die Schüler sind immer überrascht, wenn sie das hören."

Die Rückbesinnung auf Vinyl setzte vor etwa 15 Jahren ein. Plötzlich war Platte wieder schick. Viele hielten das für einen kurzlebigen Trend - ein Irrtum. Rund 400 000 Schallplatten wurden 2006 deutschlandweit verkauft. Im vergangenen Jahr waren es 3,1 Millionen Stück, der Umsatz lag bei 70 Millionen Euro. Entsprechend verlockend sind die Gewinnaussichten. Der Musikkonzern Sony will sogar wieder ein eigenes Plattenpresswerk eröffnen. "Wir hatten in den letzten Jahren teilweise Wachstumsraten von 20, 25 Prozent", sagt Suchy, "trotzdem konnten wir den Bedarf in unserer Nische nicht bedienen."

Die Nische heißt: teuer. Bei Internethändlern sind Plattenspieler schon für weniger als 100 Euro zu haben. Clearaudio kann da nicht mithalten. Die Erlanger sehen sich als Manufaktur, sie schrauben ihre Geräte von Hand zusammen. Allein an den unscheinbaren, wenigen Zentimeter großen Tonabnehmern feilen Mitarbeiter bis zu fünf Tage. Zwischen Fräsen, Lasern, Werkbänken, Kisten und Regalen herrscht geordnetes Chaos. Längst ist es Clearaudio in den Räumen zu klein geworden, bald soll umgebaut werden. Das Archiv, das hauptsächlich alte Prototypen beheimatet, ist bereits ausgezogen in eine Forchheimer Lagerhalle. Eigentlich Elektroschrott, aber, so sagt Suchy, vielleicht ja mal was für ein Museum.

Bevor Seniorchef Peter Suchy die Firma gründete, arbeitete er als Ingenieur im Kraftwerksbau. 1978 beschloss er, auf seine Leidenschaft umzusatteln, die Klangtechnik. Heute führen seine Kinder die Geschäfte. Robert Suchy, der Älteste, war früher Boxer und kümmert sich jetzt um den Export, der 90 Prozent des Umsatzes ausmacht. Veronika Suchy ist für Personal, Patrick Suchy für Entwicklung und Design zuständig. Wichtige Entscheidungen würden gemeinsam gefällt, heißt es, oft gemeinsam mit dem Vater. Der 72-Jährige schaut regelmäßig vorbei.

Die Vinyl-Renaissance hat mehrere Gründe. Viele Musikfans schwören auf den angeblich besseren Sound von LPs. Ihnen gilt die Platte als Genussmittel, als Erlebnis und Möglichkeit, Musik bewusster zu hören. Einige zelebrieren schon das Auflegen einer LP geradezu. Und auch Künstler und Musiklabels befeuern die Rückkehr: Weil sie mit CDs weniger verdienen, suchen sie nach Alternativen. Alben werden daher zunehmend als Vinyl-Sondereditionen auf den Markt gebracht.

Die Wiedergeburt der Platte lässt sich gut erklären. Trotzdem wirkt sie seltsam altmodisch. Denn alle anderen Wirtschaftszweige versuchen, mit der Digitalisierung der Welt Schritt zu halten. Wer nicht mitzieht, verliert. Bei Schallplatten dagegen ist es andersherum: Analog gewinnt. Zwar haben sich auch Plattenspieler weiterentwickelt, so kopiert manches Modell die Lieder beim Abspielen auf eine Festplatte. "Da kommt in den nächsten Jahren noch Interessantes", sagt Suchy. Aber die LP selbst werde immer bleiben, was sie ist. Suchy wechselt die Platte, wieder diese Prozedur am Monstrum von Musikanlage. Er zeigt auf einen Spalt zwischen Teller und Unterbau, wo ein gyroskopisches Lager verbaut ist. Es soll Erschütterungen absorbieren, damit die LP störungsfrei rotiert. "Das ist ein Hobby", sagt Suchy, "man kann viel Geld investieren, muss aber nicht."

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