Konzert:Packende Inszenierung

Seefeld Schloss: Klavierkonzert

Konzertante Wirkung im Sinn: Sylvia Dankesreiter beim Konzert des Pianisten-Clubs.

(Foto: Nila Thiel)

Vier Pianisten spielen im Schloss Seefeld romantische Werke großer Komponisten

Von Reinhard Palmer, Seefeld

Nach 20 Jahren aktiven Wirkens konnte sich der Pianistenclub München in einigen Konzert- und Veranstaltungssälen in München etablieren. Die aktuell einzigen festen Außenstellen liegen im Starnberger Fünfseenland und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Neben Gautings Remise füllen die Konzerte des Pianistenclubs mittlerweile auch das Sudhaus des Schlosses Seefeld bis auf den letzten Platz. So auch die "Romantische Sommernacht", die sich nun als ein ausgesprochener Publikumsmagnet erwies, zumal auf dem Programm ausschließlich große Komponistennamen standen.

Eine Besonderheit dieser Konzerte ist in der Regel auch die Teilnahme mehrerer Pianisten, was mit der Möglichkeit des Vergleichs der musikalischen Charaktere einen besonderen Reiz ausmacht. Dass Sylvia Dankesreiter in ihrer versierten Moderation zur Erläuterung des Konzertkonzepts von Susanne Absmaier das Romanhafte im etymologischen Kontext des Begriffs Romantik ins Spiel brachte, war ein wichtiger Hinweis. Ist doch der Umgang mit dem erzählerischen Aspekt in der Musik des 19. Jahrhunderts ein wichtiger interpretatorischer Faktor. Insbesondere für Dvořáks vierhändige "Legenden" op. 59, aus denen Eleonora Turkenich und Olga Kigel sechs ausgewählte darboten. Selbst der gestrenge Kritikerpapst Eduard Hanslick verspürte einst "Glücksgefühl" bei diesen bildhaft-narrativen Stücken. Das eingespielte Duo Turkenich und Kigel vermochte denn auch den nahezu orchestralen Satz jeweils in die adäquate Atmosphäre zu tauchen und auch mit Schönmusikalität zu beglücken. Die plastische Durchformung vor allem der bewegten Passagen überzeugte zudem mit farbenreicher Differenzierung, mal in leidenschaftlicher Bewegung, mal in lyrisch empfindsamer Zurückhaltung oder auch in heiterer Leichtigkeit. Einzig die Schlüssigkeit in der Entwicklung der einzelnen Legenden hakte bisweilen nicht zuletzt am allzu zaghaften Zugriff. Der Grat zwischen Einfühlsamkeit und klarer Linie ist in so empfindsamen Werken aber auch recht schmal.

Wenig kooperativ erwies sich auch der Bogen in der Klaviersonate fis-Moll op. 2 von Brahms, die der Komponist 19-jährig schrieb. Doch liegen die Gründe für die sperrige Anlage des Werkes eher im jugendlichen Ungestüm des Komponisten. Immer wieder sorgten große Gesten, ja pathetische Akkordklötze für Erstaunen, obgleich Dankesreiter nach ihrer strahlenden und schwungvollen Interpretation von Chopins Grande Valse Brillante Es-Dur op. 18 - mit 23 Jahren komponiert - das Gravitätische bestimmter Passagen schon abschwächte. Sie versäumte es ebenso wenig, in den lyrischen Stellen die Balance sorgfältig zugunsten der klar konturierten Gesamtwirkung auszutarieren. Das Resultat war eine konzertante Wirkung von ausladender Form, zumal Brahms auch den Tonraum des Flügels nahezu gänzlich ausschöpfte.

Was Absmaier für den vielversprechenden 29-jährigen Deutschchinesen Yi Lin Jiang vorgesehen hatte, warf theoretisch Fragen auf, die sich aber in der Umsetzung nicht stellten, zumal Jiang das konzentrierte, beseelte und geistvolle Musizieren allem voranstellte. Seine Hingabe voller Spannung beim Spiel fesselte die Zuhörer und nahm sie auch mit auf die musikalische Abenteuerreise. In diesem Fall ging es um Werke, die explizit von weiten Entwicklungen leben und ohne klare Linie nicht auskommen. Bachs Bearbeitung des Oboenkonzerts von Alessandro Marcello, angelegt wie Bachs Mittelsatz im Italienischen Konzert, verdeutlichte gerade damit den Einfluss der barocken Musik auf die Epoche der Romantik. Was bei Bach an Entwicklungen dem Notentext bereits immanent ist, bedurfte bei den beiden Werken im Höhepunkt des Konzerts der Auslegung: Chopins Polonaise-Fantasie As-Dur op. 61 und Beethovens vorausblickende Sonate c-Moll op. 111 gaben Jiang Anlass genug, seine dramaturgische Inszenierungsstärke spektakulär auszuspielen. Gerade in Beethovens Schlusssatz, der nur langsam und sachte in Bewegung gerät, um schließlich von Jiang zu einem nahezu visionären Finale geführt zu werden. Frenetische Ovationen.

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