Autor Andreas Steinhöfel:"Mir geht das auf die Nerven"

Warum auch bildungsferne Eltern ihre Kinder liebevoll großziehen und wie er dabei helfen kann: Ein Gespräch mit dem Kinderbuch-Autor Andreas Steinhöfel, der Erich Kästner folgen will.

Roswitha Budeus-Budde

Für sein Kinderbuch "Rico, Oskar und die Tieferschatten" erhielt der Autor Andreas Steinhöfel in diesem Jahr zwei Preise, einmal die "Corine" des Bayerischen Verlegerverbandes und dazu den Hörbuchpreis des Hessischen Rundfunks. Für sein Lebenswerk wurde er außerdem mit dem Erich Kästner-Preis geehrt.

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"Also bin ich bei meinen Lesern angekommen": Andreas Steinhöfel.

(Foto: Foto: Joachim Boepple)

SZ: Wie fühlt man sich nach so einem Preisregen?

Andreas Steinhöfel: Alt. Die Preise für das Lebenswerk sind ja sehr suspekt, weil man jeden Moment mit seinem Ableben rechnet. Aber eigentlich ist es schön, die "Corine" ist ja ein Leserpreis, also bin ich bei meinen Lesern angekommen, und dazu bei den Erwachsenen, die sich mit Literatur auseinandersetzen im "Kästner-Preis". Das war immer mein Anliegen beim Schreiben: Unterhaltung mit literarischem Anspruch zu verbinden, und dann ist es wunderbar wenn ich merke, dass es mir gelingt.

SZ: Der "Erich Kästner - Preis " wurde zum erstenmal an einen Kinderbuchautor vergeben, sehen Sie eine Verbindung zwischen Rico und Emil?

Steinhöfel: Der Vergleich ist immer schwierig, weil Emil ein Klassiker ist, und man alle Detektivgeschichten, die in Berlin spielen, gleich mit Kästner vergleicht. Kästner ist für mich von besonderer Bedeutung, weil er als Erster Kindern eine literarische Stimme gegeben hat, also wirklich auf Augenhöhe mit Kindern für Kinder geschrieben hat. Das ist bei mir auch programmatisch, aber ohne diesen Wegbereiter wäre es vielleicht gar nicht möglich. Und dann zu merken, du wirst als legitimer Nachfolger gehandelt, das ist wunderbar.

SZ: Dieser Rico ist ein ungewöhnlicher Held, er ist ein behindertes Kind.

Steinhöfel: Du kannst ein wunderbares Problembuch über ein Kind mit ADS schreiben, aber das ist nicht mein Ding. Ich möchte nicht sagen, guck mal, du bist behindert. Du hast es ja so schwer auf der Welt. Sondern ich drehe es um und sage, "Hey, das ist eine Frage der inneren Haltung. Rico weiß, dass er doof ist, in Anführungszeichen, aber er sagt dann, ich bin tiefbegabt, da müssen die anderen mit klarkommen. Ich bin doch eigentlich ein ganz netter Typ. Er ist sehr selbstbewusst.

SZ: Rico ist auch ein besonderes Kind, weil er aus einem Milieu kommt, das nicht gerade bürgerlich zu nennen ist.

Steinhöfel: Mir geht die politische Debatte um das Prekariat auf die Nerven. Als würden Leute mit der sogenannten Bildungsferne ihre Kinder ständig in Kühlschränke stopfen. Als würden sie ihre Kinder nicht liebevoll großziehen. Das ist ja das Wichtigste auf der Welt, das Kind zu respektieren und zu akzeptieren wie es ist, und das schaffen auch Leute mit dieser berühmten dämlichen Bildungsferne. Dass Ricos Mama im Nachtclub arbeitet und die Leute, die Rico kennt, alle ein bisschen verpeilt sind, das macht sie nicht zu schlechten Menschen.

SZ: Ist Rico als komischer Held gezeichnet?

Steinhöfel: Er ist ja witzig, er ist der, der viele zum Lachen bringt, einfach weil er die Welt beim Wort nimmt. Aber so eine Figur zu beschreiben und sie nicht als Clown zu zeichnen, sondern als ernstzunehmenden Jungen, das war mein Anliegen. Im zweiten Band wird das vertieft. Da intensiviert sich die Freundschaftsgeschichte zwischen Rico und Oskar. Natürlich ist wieder eine Krimigeschichte dabei und das Buch wird heißen: Rico, Oskar und das Herzgebreche, und es ist dann auch so, die Jungen sind am Ende des Buches richtig traurig.

SZ: Haben Sie nicht versprochen, dass Ihr Held von Band zu Band glücklicher wird?

Steinhöfel: Es gibt ja drei Bände und der mittlere ist immer das tiefe Tal der Tränen. Es ist viel zum Lachen darin. Aber die beiden Freunde merken, dass es ernst wird, dass Kindsein nicht so einfach ist. Erwachsene sind so, als hätten sie beim Großwerden Risse bekommen und dann läuft alle Farbe aus ihnen raus. Rico erinnert sich daran, als es ihm schlecht geht und in seinem Gehirn wieder das Klackern von Bingokugeln alles durcheinanderbringt. Und er denkt: "Vielleicht ist es nur der erste Riss, den ich gekriegt habe."

SZ: Sie lieben es, mit der Sprache zu spielen?

Steinhöfel: Immer schon, mein Deutschlehrer hat es nicht gemocht, und es war immer bei mir eine Abwehrhaltung. Ich war eher so eine Piepsmaus, die in der Ecke saß, hinter Büchern versteckt, um eine Wand zwischen sich und die Welt zu bringen. Als Kind, aber noch mehr als Jugendlicher habe ich gelernt, dass du zwei Arten hast, dich zu wehren, wenn du das Gefühl hast, die Welt trampelt gerne ein bisschen auf dir rum. Du kannst draufhauen, wenn du dich verteidigen willst, was mir nicht lag, dafür war ich viel zu schwach, - also musst du verbal gut sein. Du kannst mit Worten unglaublich verletzen, Worte wie Waffen benutzen. Und damit ich nicht gleich eine reingesemmelt bekam, verpackte ich es halt ironisch oder sarkastisch. Da müssen die Leute erstmal überlegen und dann ist auch der Sache die Schärfe genommen.

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