Smartphone-Betriebssystem:Das bringt die neue Android-Version

Android Oreo, die neue Version von Googles Smartphone-Betriebssystem.

Smartphone-Betriebssystem mit Keks-Gimmick: Google hat Android 8.0 ("Android Oreo") vorgestellt.

(Foto: AP)
  • Google hat die neueste Version seines mobilen Betriebssystems Android vorgestellt.
  • Wie jedes Jahr heißt es nach einer Süßigkeit: Auf Marshmallow und Nougat folgt Oreo.
  • Nutzer bekommen von der wichtigsten Änderung auf den ersten Blick nur wenig mit: "Project Treble" soll es Herstellern erleichtern, Software-Updates für ihre Geräte anzubieten.
  • Das könnte Android-Smartphones deutlich sicherer und langlebiger machen.

Von Simon Hurtz

Android ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Android hat aber auch ein gewaltiges Problem. Drei Zahlen reichen, um das Dilemma des mobilen Betriebssystems auf den Punkt zu bringen. Sie lauten: 86. 86,5. 87.

86 Prozent beträgt der weltweite Marktanteil von Android. Es ist das mit Abstand am weitesten verbreitete Betriebssystem für Smartphones und Tablets. 86,5 Prozent stehen für den Anteil der Android-Nutzer, die Geräte mit veralteten Versionen verwenden. Anders ausgedrückt: Lediglich 13,5 Prozent von ihnen haben das Upgrade auf Android 7 ("Nougat") erhalten. 87 Prozent sind dagegen das Traumergebnis des einzigen verbleibenden Konkurrenten iOS: So viele der Apple-Kunden nutzen bereits die neueste iOS-Version 10.

Am ersten Wert will Google selbstverständlich nichts ändern. Android soll seine marktbeherrschende Stellung halten. Am Verhalten der Apple-Nutzer kann Google nichts ändern. Was sich dagegen dringend ändern muss: die Upgrade-Rate des eigenen Betriebssystems. Das soll die neueste Android-Version schaffen, die Google am Montagabend vorgestellt hat.

Mit Project Treble versucht Google, das Problem der unzähligen Android-Geräte und den jeweiligen Software-Anpassungen der Hersteller in den Griff zu bekommen. Es ist die wohl ambitionierteste Neuerung, die Googles nächstes mobiles Betriebssystem bringt. Das Projekt ändert zwar nichts an der Fragmentierung der Android-Welt, könnte aber deren negative Folgen abmildern. Google will es Herstellern erleichtern, Updates schneller anzubieten. Während Apple immer nur wenige iPhone- und iPad-Modelle im Blick behalten muss, gibt es Zehntausende unterschiedliche Android-Geräte von Tausenden Herstellern, die das Betriebssystem jeweils nach Lust und Laune verändern. Optimieren, wie sie es selbst nennen, verschlimmbessern, wie es viele Nutzer nennen.

Alle wichtigen Fakten zur neuen Android-Version im Überblick:

O steht für Oreo

Google benennt alle Android-Versionen in alphabetischer Reihenfolge. Nach Lollipop, Marshmallow und Nougat musste dieses Jahr eine Süßigkeit gefunden werden, die mit dem Buchstaben O beginnt. Von Anfang an galt Oreo als Favorit, ein Großteil der Nutzer wünschte sich die Bezeichnung, und kurz vor der offiziellen Präsentation veröffentliche Google ein (schnell wieder gelöschtes) Video mit vielsagendem Name: "GoogleOreo_Teaser_0817_noDroids (1).mp4". Das war keine falsche Fährte, sondern ein versehentlicher Leak.

Android 8 wird nach dem schwarz-weißen, gefüllten Doppelkeks benannt - eine Enttäuschung für Oatmeal- und Orangina-Fans, ein netter Werbegag für den US-Konzern Nabisco, und für die meisten Nutzer vollkommen egal.

Project Treble soll das Update-Problem lösen

Mit der Initiative verhält es sich genau umgedreht wie beim Rätselraten um den finalen Namen: Sie erfährt kaum öffentliche Aufmerksamkeit, ist mittelfristig aber entscheidend für die Zukunft des gesamten Android-Projekts.

Es lässt sich streiten, wie sinnvoll es ist, dass viele Hersteller unbedingt eigene Funktionen implementieren und das eigentlich recht schicke Material-Design des nackten Androids mit knalligen Farben und fragwürdigen Icons verunstalten wollen. Fest steht jedenfalls: Am Ende leiden die Nutzer, denn viele der Geräte erhalten Updates wegen der nötigen Software-Anpassungen gar nicht oder nur mit großer Verspätung. Wenn Google Android lediglich praktische Verbesserungen spendiert, ist das für Nutzer, denen sie vorenthalten werden, ärgerlich. Wenn Google kritische Sicherheitslücken stopft, ist es gefährlich.

Vereinfacht gesagt bietet Project Treble eine Schnittstelle, die es Geräte-Herstellern wie Samsung, Sony und Lenovo ermöglicht, einen Großteil des neuen Codes ohne grundlegende Anpassungen zu übernehmen. In der Theorie sollte es damit einfacher und günstiger werden, Googles monatliche Sicherheitsupdates schnell an Nutzer zu verteilen. (Ausführlicher und technischer haben es die Kollegen von Golem.de erklärt.)

Smartphones starten schneller und halten länger durch

Googles Entwickler haben den Code verbessert, sodass Geräte nun deutlich schneller booten. Auf einem Google Pixel mit einer Betaversion von Android O hat sich die Startzeit beinahe halbiert. Generell hat sich die Performance verbessert, Verzögerungen beim Aufrufen von Apps treten seltener auf. Dafür erhöht sich die Laufzeit des Smartphones spürbar, da das Betriebssystem Hintergrundprozesse frühzeitig beendet, damit diese nicht unbemerkt den Akku leersaugen.

Am Design ändert sich nur wenig

Das Material-Design hat sich bewährt und wirkt nach wie vor modern. Google sieht zurecht wenig Anlass, am minimalistischen Gestaltungsstil mit seinen farbigen Flächen und zurückhaltenden Tiefeneffekte zu rütteln. Oreo ähnelt optisch seinem Vorgänger, die wenigen Änderungen sind aber nützlich. App-Icons erhalten sogenannte Notification Dots. Nutzer können dann bereits am Symbol auf dem Startbildschirm sehen, ob sie neue E-Mails oder Facebook-Benachrichtigungen haben. Im Gegensatz zu iOS blendet Android aber nur Punkte ein und informiert nicht über die genaue Zahl - ein Homescreen, der bereits auf den ersten Blick von Tausenden ungelesenen E-Mails zeugt, bleibt Android-Nutzern also vorerst erspart.

Android Oreo

Links das überarbeitete Einstellungs-Menü, rechts die neu gestalteten Schnelleinstellungen.

(Foto: SZ.de)

Außerdem wurde das Einstellungsmenü überarbeitet. Die Kategorien für die einzelnen Optionen erscheinen logischer, das Design aufgeräumter. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase fällt es leichter, bestimmte Einstellungen zu finden. Die Quick Settings, die erscheinen, wenn man vom oberen Bildschirmrand nach unten wischt, sind nun monochrom schwarz auf grau und wirken dadurch übersichtlicher. Ganz und gar nicht monochrom sind dagegen die neuen Emojis. Google verabschiedet sich von den eigenwilligen Blobs und kehrt zur klassischen, runden Form zurück.

Benachrichtigungen lassen sich auf später verschieben

Die Snooze-Funktion des Weckers kennt jeder. Mit Android Oreo können Nutzer auch Benachrichtigungen zurückstellen. Statt Wisch-und-weg heißt es jetzt: Schieb-und-später. Nach einem sanften Schubser zur Seite öffnet sich ein Menü, um die Einblendung in einem selbstgewählten Zeitraum von 15 Minuten bis zwei Stunden erneut anzuzeigen. Das kann praktisch sein, wenn man gerade keine Zeit hat, auf eine wichtige E-Mail zu reagieren, die Antwort aber keinesfalls vergessen möchte.

Android Oreo

Wer Benachrichtigungen sanft zur Seite wischt, kann sie "snoozen".

(Foto: SZ.de)

Eine weitere nützliche Funktion sind die sogenannten Notification Channels. Bislang konnten Nutzer nur auf App-Ebene entscheiden, ob die Apps Benachrichtigungen anzeigen dürfen, ob das Smartphone klingelt und vibriert und in welchem Zeitraum der "Bitte nicht stören"-Modus aktiv ist. In Zukunft erhalten App-Entwickler - und in der Folge auch Nutzer - mehr Kontrolle. So wäre es etwa möglich, Whatsapp nur bei neuen Nachrichten in der Familien-Chatgruppe Alarm schlagen zu lassen und alle anderen Benachrichtigungen auszublenden.

Multitasker können während des Arbeitens parallel Videos schauen

Android Nougat brachte einen Split-Screen-Modus, bei dem zwei Apps nebeneinander auf dem Bildschirm angeordnet werden können. Android Oreo optimiert diese Funktion für Videos. Nutzer können dann beispielsweise Youtube-Clips oder Whatsapp-Videochats in einer Ecke des Displays fixieren, während sie im Hintergrund eine andere App geöffnet haben.

Endlich lohnen sich hochwertige Bluetooth-Kopfhörer

Zugegeben: Es mag eine Neuerung sein, die nur wenige Nutzer herbeigesehnt haben, und die kaum jemand bemerken wird. Wer es aber tut, freut sich dann aber wirklich. Android Oreo unterstützt endlich hochauflösende Bluetooth-Codecs, darunter Sonys LDAC und Apt-X, dessen Lizenzrechte beim Chiphersteller Qualcomm liegen. Wenn Smartphone und Kopfhörer den entsprechenden Standard unterstützen, können Audiodateien in deutlich besserer Qualität übertragen werden, als das beim alten SBC-Codec der Fall war.

Viele Bluetooth-Kopfhörer in der Preisklasse ab etwa 100 Euro bieten diese Möglichkeit, auch die meisten Smartphone Hersteller statten ihre Spitzenmodelle mit Apt-X-Unterstützung aus. Die Kompression der gestreamten Musik ist nur einer von vielen Faktoren für guten Klang, und ein Bluetooth Kopfhörer wird auf absehbare Zeit schlechter klingen als ein Kopfhörer mit Kabeln, der ähnlich viel kostet. Dennoch können sich Nutzer freuen, die bereits Apt-X-fähige Hardware besitzen und durch ein simples Software-Update bessere Tonqualität bekommen.

Fazit

Google erfindet Android nicht neu, das ist aber auch gar nicht nötig. Die Entwickler haben die Leistung und die Akkulaufzeit verbessert, die Designer wenige, aber sinnvolle Änderungen vorgenommen. Nach mehreren Monaten mit der Beta-Version von Android Oreo lässt sich eindeutig sagen: Das neueste Android ist auch das Beste.

Die große Frage bleibt aber, ob und wann die Hersteller das Upgrade anbieten. Während Googles Nexus- und Pixel-Smartphones im Laufe der nächsten Tage mit Android Oreo ausgestattet werden sollen, kann das bei den Spitzenmodellen von Samsung, LG, Motorola, Sony und Co. locker bis Ende des Jahres dauern. Mittelklassegeräte bleiben vermutlich gänzlich außen vor.

Umso wichtiger ist Project Treble. Falls es Google damit gelingt, dass Hersteller ihre fahrlässige Update-Praxis überdenken und sowohl Sicherheitsupdates als auch Funktionsupgrades schneller umsetzen, wäre das der wichtigste Erfolg der vergangenen Jahre. Wenn im kommenden Jahr Android P ansteht, reicht ein Blick auf die Verbreitung von Android Oreo, um Googles Bemühungen zu beurteilen: Es gilt, die 13,5 Prozent von Android Nougat zu schlagen.

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