Familienpolitik:Mehr Teilzeit, mehr vom Leben

Familienpolitik: Mehr Teilzeit, mehr Freizeit, mehr Familienleben. (Symbolfoto)

Mehr Teilzeit, mehr Freizeit, mehr Familienleben. (Symbolfoto)

(Foto: Christin Hume/Unsplash)

Wenn sich Eltern den Haushalt teilen und beide in Teilzeit arbeiten, darf das keine finanziellen Einbußen bedeuten. Denn von der gelebten Gleichberechtigung profitieren Kinder, Mütter, Väter - und der Arbeitgeber.

Kommentar von Jakob Schulz

Wenn unterschiedliche Seiten sich Ähnliches wünschen, warum klappt es dann trotzdem nicht? Vor diesem Rätsel steht, wer sich mit dem Arbeitspensum von Müttern und Vätern in Deutschland beschäftigt. Die große Mehrheit der Eltern mit kleinen Kindern wünscht sich, dass Mutter und Vater gleich viel arbeiten. Unternehmer wünschen sich, dass Mütter nicht lange zu Hause bleiben, sondern zügig wieder arbeiten. Und Kinder finden es gut, wenn ihre Eltern die Arbeit im Job und Zuhause gerecht aufteilen. Das zumindest ist das Ergebnis einer Studie, die Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) zuletzt vorstellte. Auch Barley will mit ihrem Modell einer "Familienarbeitszeit" erreichen, dass Eltern in Deutschland die Arbeit fair verteilen.

Doch allen Wünschen zum Trotz sieht die Realität anders aus. Den wenigsten Eltern gelingt es, das Familieneinkommen zu gleichen Teilen zu verdienen. Das sollte sich dringend ändern: Kinder und Eltern profitieren gleichermaßen davon, mehr Zeit füreinander zu haben. Und je mehr Frauen arbeiten, desto niedriger ist ihr Risiko, im Alter zu verarmen. Arbeit in Teilzeit muss deshalb einfacher und attraktiver werden. Dazu sind verschiedene Ansätze nötig: Eltern brauchen ausreichend Betreuungsangebote für ihre Kinder. Der Schritt in die doppelte Teilzeit darf Familien finanziell nicht schlechter stellen. Und Arbeitgeber müssen flexibler werden.

Mehr als neun von zehn Vätern von Kindern unter sechs Jahren arbeiten Vollzeit

Was haben Kinder davon, wenn beide Eltern arbeiten, beide aber dafür weniger lang? In besagter Studie sagen die befragten 8- bis 14-Jährigen, dass sie partnerschaftliche Arbeitszeiten für beide Eltern als gerecht erleben. Sie schätzen zudem, dass Mutter und Vater im Familienleben ähnlich präsent seien und sie sich mit ihren Anliegen an beide Elternteile wenden können.

Und noch mehr spricht für die doppelte Teilzeit. Im besten Fall übernehmen die Kinder keine tradierte Rollenverteilung, sondern wachsen in gelebter Gleichberechtigung auf: Putzen ist nicht zwingend Frauensache, Schränke aufbauen hängt nicht zwingend am Papa. Besonders Mädchen profitierten demnach von präsenteren Vätern, weil die ihnen "geschlechtsuntypischere" Aktivitäten eröffneten, so die Forscher. Diese Vorstellung finden die meisten Eltern mit kleinen Kindern attraktiv. 60 Prozent von ihnen wünschen sich Erhebungen zufolge, die Arbeit Zuhause und im Job unter den Partnern gerecht aufzuteilen. Sind die Kinder dann aber erst einmal da, sieht die Welt anders aus. Mehr als neun von zehn Vätern von Kindern unter sechs Jahren arbeiten Vollzeit. Unter den Müttern ist es nur gut jede vierte.

Das Familiengeld ist eine gute Idee - aber nur Geld allein reicht nicht

Ein Grund für dieses Ungleichgewicht ist die Bezahlung. Frauen in Deutschland arbeiten häufiger in schlechter bezahlten Berufen als Männer, etwa im Einzelhandel oder in Pflegeberufen. In den meisten Fällen lohnt es sich für die Eltern also schlicht mehr, den ohnehin besser verdienenden Vater länger arbeiten zu lassen. Würden nun beide Eltern gleichberechtigt in Teilzeit arbeiten, hätte die Familie am Ende des Monats mitunter weniger Geld zur Verfügung. Familienministerin Barley setzt für ihr Modell der Familienarbeitszeit deshalb auf ein Familiengeld. 300 Euro pro Kind und Monat sollen Eltern zwei Jahre lang bekommen, wenn sie Beruf und Haushalt partnerschaftlich aufteilen. Das gleicht Einkommensverluste zwar nicht immer aus, ist aber trotzdem eine gute Idee, weil es gerade Geringverdienern überproportional hilft.

Geld allein hilft Familien aber nicht. Wenn beide Eltern in Teilzeit arbeiten wollen, sind ausreichend Kitaplätze und für Schulkinder auch Angebote für Nachmittagsbetreuung nötig. Auch die deutschen Unternehmen müssen sich bewegen und Arbeitszeitmodelle den Bedürfnissen von Eltern anpassen. Bis heute gilt Teilzeit als Synonym für Karriereknick. Der unterschwellige Vorwurf: Der oder die hänge sich nicht zu 100 Prozent rein. Was ja stimmt: Wer Teilzeit arbeitet, geht früher nach Hause, weil er oder sie die Kinder zumindest teilweise über den Job stellt.

Die Familienpolitik tut gut daran, Eltern zu mehr Partnerschaftlichkeit zu ermuntern, auch finanziell. Davon profitieren die Kinder, die Väter, die Mütter und auch die Unternehmen. Eltern sind auf besondere Förderung angewiesen. Sie geben nicht nur viel Geld für den Nachwuchs aus, sondern verdienen oft genug auch noch weniger als Kinderlose.

So gut gleichberechtigte Teilzeit für beide Eltern aber auch klingt: Untersuchungen zeigen, dass weibliche Führungskräfte neben ihrem Job viel häufiger und mehr im Haushalt arbeiten als männliche Chefs. Das kann aber kein Gesetz ändern, sondern nur jedes Paar für sich.

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