Credit Default Swaps:Die Katalysatoren der Finanzkrise sind zurück

Credit Default Swaps: An der Wall Street handeln nun andere Spekulanten als noch zu Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 - und die liebäugeln nun wieder mit Kredit-Derivaten.

An der Wall Street handeln nun andere Spekulanten als noch zu Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 - und die liebäugeln nun wieder mit Kredit-Derivaten.

(Foto: AP)
  • An den großen Börsen dieser Welt haben die Spekulanten wieder begonnen, mit Kredit-Derivaten zu handeln.
  • Das sind unter anderem jene Wertpapiere, die 2008 maßgeblich zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen haben.
  • Die Investoren sagen, sie gingen nur tragbare Risiken ein - doch das sagen sie immer.

Von Markus Zydra, Frankfurt

In diesen Tagen erinnert sich die Welt an den Beginn der globalen Finanzkrise vor zehn Jahren. Der internationale Bankensektor stand damals vor dem Kollaps, weil unverantwortliche Manager die Bilanzen der Kreditinstitute mit äußerst komplizierten und daher brandgefährlichen Finanzprodukten mästeten. Die Rede ist von Kredit-Derivaten, von denen in der Folge niemand mehr etwas wissen wollte.

Tempus fugit, die Zeit vergeht. Eine neue Generation von Spekulanten hat an der Wall Street und der Londoner City das Sagen. Ihnen fehlt die praktische Krisenerfahrung, dafür besitzen sie Wagemut, den Unerfahrene so gerne ausleben: Sie handeln im Jahr zehn nach dem Kollaps wieder in großem Umfang mit Kredit-Derivaten. Ein Bespiel für ein solches Wertpapier ist der Credit Default Swap (CDS).

Der funktioniert in etwa so: Wenn eine Bank an einen Industriekonzern einen millionenschweren Großkredit vergibt, möchte sie mitunter eine Versicherung für den Fall zeichnen, dass der Darlehenskunde das Geld nicht mehr zurückzahlen kann. Ein CDS ist eine solche Kreditausfallversicherung. Der Versicherer erhält als Gegenleistung von der Bank eine lukrative Prämie. Wenn man viele dieser Policen in ein einziges Finanzprodukt zusammenlegt, erhält man ein CDS-Bündel. Die Experten sprechen von "Bespoke Tranches", an denen die Investoren zuletzt ein großes Interesse entwickelt haben.

Der Markt habe sich in den ersten sieben Monaten 2017 verdoppelt, man schätzt das Volumen auf 20 bis 30 Milliarden Dollar, schrieb die Financial Times am Donnerstag. Vor allem Hedgefonds kauften diese riskanten Produkte. Seit die Zentralbanken der Industriestaaten den Leitzins nahe null Prozent fixiert haben, ist die Verzweiflung Renditehungriger Anleger gewachsen. Mit sicheren Anleihen lässt sich kein Geld mehr verdienen. Also sucht man das Risiko auf einem Feld, das noch vor nicht allzu langer Zeit als No-buy-Area gegolten hat.

Diese maßgeschneiderten Kreditausfallversicherungen haben einen positiven Kern, weil sie einen Transfer von Risiken ermöglichen. Allerdings sind die Produkte kompliziert. Die Ratingagenturen, an deren Urteilen zu Finanzprodukten sich die Investoren orientieren können, ließen die Finger von "Bespoke tranches", so die Financial Times. Es gibt auch keinen geregelten Börsenhandel dieser Derivate. Es ist stets ein Geschäft zwischen zwei Vertragspartnern, sowohl bei Abschluss als auch beim Weiterverkauf. Denn oft werden diese CDS - mal tranchiert, mal vollständig - an andere Investoren weitergereicht. Für die Aufsichtsbehörden ist das ein Albtraum, denn sie wissen nicht, welchen Weg diese Produkte nehmen, wer die Policen gerade hält und dafür im Ernstfall geradestehen muss.

Nach der Finanzkrise wollte man Transarenz schaffen - eigentlich

Es ist ein Dominospiel, bei dem der letzte Stein nicht umkippen darf. Er muss finanziell stark genug sein, um im Versicherungsfall wirklich zahlen zu können. Sonst kippt alles. Können Hedgefonds das leisten? "Es gibt kaum differenzierte Informationen dazu, wer die Gegenpartei für diese Kreditausfallversicherung ist", sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch.

Eigentlich wollte man nach der Finanzkrise mehr Transparenz auf diesem Markt schaffen. Doch die Bemühungen sind größtenteils versandet, trotz der schlimmen Erfahrungen nach der Pleite von Lehman Brothers. Die US-Bank war 2008 ein großer Spieler im CDS-Markt, dessen Volumen damals auf mehr als 60 Milliarden Dollar geschätzt wurde. Mit dem Bankrott waren die Kreditausfallversicherungen von Lehman praktisch wertlos.

Dieser Umstand wirkte wie ein Brandbeschleuniger für die Finanzkrise, weil sich plötzlich alle an den Finanzmärkten gegenseitig misstrauten. Banken verweigerten einander Kredit, weil sie unsicher waren, ob sie ihr Geld wiedersehen würden. Auf Kreditausfallversicherungen gab man in diesem Moment gar nichts mehr.

Nun aber sind die CDS zurück. Investoren sagen, sie gingen nur tragbare Risiken ein. Doch das sagen sie immer. Die Situation ist vertrackt: Selbst wenn man seitens der Aufsicht eine komplette Übersicht über die Haftungskette eines CDS hätte - was würde das bringen? Die Erfahrung hat gelehrt, dass es in einer Finanzkrise keine Gewissheiten gibt. Selbst die stärkste Versicherung könnte irgendwann ausfallen. Ob ein CDS wirklich bedient wird, sieht man auch heute noch nur im Ernstfall.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: