Landwirtschaft:Flucht in die Berge

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Ein äthiopischer Bauer pflückt Kaffekirschen auf seiner Farm nahe der Stadt Jimma im Westen des Landes. (Foto: Sayyid Azim/Associated Press)

In Äthiopien bringt der Klimawandel Millionen Kaffee-Kleinbauern in Not. Sie können nur überleben, wenn ihnen der Umzug in höhere Lagen gelingt.

Von Christopher Schrader

Die Region gilt als die Wiege des Kaffees: das Hochland Äthiopiens, wo die Menschen angeblich schon vor Jahrhunderten entdeckt hatten, dass man Bohnen von Sträuchern der Spezies Coffea arabica rösten, mahlen und daraus einen aromatischen Sud brühen kann. Eine Provinz des Landes namens Kaffa könnte dem Getränk sogar den Namen gegeben haben. Doch inzwischen bedrängt der Klimawandel viele der Millionen Kleinbauern, die meist unter dem Dach des Regenwaldes ihre Pflanzen hegen. Es wird wärmer in den Bergen und es fällt weniger Regen. Und das trifft das wichtigste Exportgut Äthiopiens, das in der Saison 2015/16 mehr als 800 Millionen Dollar mit seinen Kaffeebohnen-Ernten einnahm.

Die Bauern und ihre Familien könnten schon in gut 20 Jahren bis zu 31 Prozent ihrer Anbaufläche verlieren, und zum Ende des Jahrhunderts gar bis zu 55 Prozent. "Weitermachen wie immer würde desaströse Folgen für das Land haben", warnt Justin Moat von den Royal Botanic Gardens in England, der die mögliche Anbaufläche gerade mit Kollegen in einem aufwendigen Verfahren untersucht hat ( Nature Plants). Dabei haben sie besonders auf die direkten Effekte des Klimas geachtet; also wie sich die erhöhten Mengen Kohlendioxid in der Erdatmosphäre auf die Pflanzen auswirken. Ob die Wärme auch Schädlinge und Pflanzen-Krankheiten wie Kaffeerost begünstigt, was viele Experten befürchten, blieb in dieser Untersuchung noch außen vor.

Man benötigt zahlreiche neue Bäume, die den Kaffee-Pflanzen Schatten spenden

Anhand der Studie lässt sich die Entwicklung einzelner Regionen verfolgen. Traditionelle Anbaugebiete könnten demnach unter erheblichen Druck geraten, ebenso Regionen wie Yirgacheffe, die unter Kennern als Geheimtipp gelten - den Kaffee von dort erhält man hierzulande nur im Spezialgeschäft zu Preisen ab ungefähr 25 Euro pro Kilogramm. In den Regionen Harar und Bale könnte der Anbau in 20 Jahren sogar vorbei sein. "Dabei gilt Bale als exzellente Lage, und der Kaffee dort hat einen tollen Geschmack", sagt Moat.

Es gibt jedoch auch gute Nachrichten. Mittlerweile eignet sich nämlich auch das Klima großer Flächen in den höheren Lagen zunehmend besser für den Kaffeeanbau. Statt auf 1000 bis 2600 Metern könnten die Pflanzen dort in Zukunft auf 1500 bis 3300 Metern Höhe gedeihen. Die Gesamtfläche könnte sich daher bis 2039 verdoppeln oder sogar verdreifachen. Danach würde die geeignete Region zwar wieder kleiner werden, doch 2099 hätte das Land der Berechnung zufolge noch immer deutlich mehr Anbaufläche als heute: 52 000 statt 23 000 Quadratkilometer.

Nur: Wie soll der arme und von ethnischen Konflikten erschütterte Staat diesen Umbau seiner wichtigsten Exportindustrie organisieren? Viele Bauern stünden vor dem wirtschaftlichen Aus, andere müssten lernen, neue, ungewohnte Feldfrüchte anzubauen. Und in den neuen Kaffee-Lagen müsste man zahlreiche Bäume anpflanzen, um den nötigen Schatten für die Kaffeepflanzen zu spenden. Justin Moat sagt: "Nur wenn es die richtigen finanziellen Anreize gibt, also nachhaltige Kaffeepreise, dann können die nötigen Eingriffe gelingen." Die Preise sind zurzeit aber eher nicht so.

Immerhin hat Äthiopien den Vorteil, dass es neue Gebiete erschließen kann. Weltweit hingegen könnten die geeigneten Anbauflächen für Arabica-Kaffee und die einfachere Sorte Robusta bis 2050 im Mittel um die Hälfte schrumpfen, stellte 2015 ein Team um Dieter Kirschke von der Humboldt-Universität fest. Besonders betroffen seien Brasilien, Zentralamerika, Zentralafrika und Vietnam. Die Autoren markierten auf den Karten ihrer Studie Gebietsverluste mit Brauntönen, mögliche neue Anbau-Regionen mit Grün. Nur in einigen Ländern in Südost-Asien und in Äthiopien hielten sich die Farben die Waage.

Die Krankheit bedroht mittlerweile zehn Millionen Menschen mehr als früher

Zusätzlich zur wirtschaftlichen Unsicherheit bedroht die Malaria immer mehr Menschen in Äthiopien. "Die Klimabarriere, die das Hochland geschützt hat, weicht auf", sagt Madeleine Thomson von der Columbia University in New York. Sie hat mit Kollegen die Temperaturen im Land analysiert und besonders auf die Minimalwerte geachtet ( Environmental Research Letters). Bereits jetzt wird demnach eine Temperatur von mindestens 18 Grad bis in Höhen von 1500 Metern erreicht, bei der sich der Erreger der gefährlichen Malaria tropica entwickeln kann. In Höhen von bis zu 1900 Metern liegt die untere Schwelle mittlerweile bei 15 Grad, warm genug für den Erreger der - allerdings eher gutartigen - Malaria tertiana. Beide Höhenangaben sind von 1981 bis 2014 um etwa 100 Meter gestiegen. Somit seien zehn Millionen Menschen mehr als früher der Krankheit ausgesetzt, vier Millionen könnten beiden Varianten begegnen. Allerdings betonen die Autoren, dass hohe Temperaturen allein nur eine Bedingung für die Verbreitung der Parasiten und Überträger-Mücken ist. Noch gebe es Möglichkeiten, einzugreifen.

Auch die Zukunft der Pflanze Coffea arabica ist nicht akut bedroht. "Arabica-Kaffee ist unser Geschenk an die Welt", sagt Sebsebe Demissew von der Universität Addis Abeba, der zu Justin Moats Team gehört. "Äthiopien bewahrt die genetische Vielfalt." Schutzgebiete in Illubabor und Kaffa dürften die kommenden Jahrzehnte unbeschadet überstehen. Das bietet die Möglichkeit, Sorten zu züchten, die klimatische Veränderungen besser bewältigen - und, wie die Forscher anmerken, "einzigartige Aromaprofile" zu bewahren.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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