Spielerischer Spracherwerb:Französisch kann man jetzt schon in der Grundschule lernen

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Am Winthirplatz ist das Französisch-Fieber schon vor fünf Jahren ausgebrochen. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Zwei Münchner Schulen machen beim neuen Versuch "Französisch in der Grundschule" mit.
  • Das Angebot richtet sich genauso an Kinder mit und ohne französischsprachigem Hintergrund.
  • Es soll aber immer die Möglichkeit bestehen bleiben, alle normalen Unterrichtsfächer komplett auf Deutsch zu besuchen.

Von Melanie Staudinger

Am Anfang ist alles ein großer Zufall gewesen. Vor fünf Jahren besuchte eine französische Delegation von der Côte d'Azur die Grundschule am Winthirplatz in Neuhausen. Der Schulamtsdirektor aus Nizza und einige andere Schulräte wollten sich über das deutsche Schulsystem informieren. "Die Delegation hätte auch aus jedem anderen Land kommen können", sagt Schulleiterin Eva Wobido.

Sie kam aber aus dem westlichen Nachbarland, und an der Winthirschule ist das Frankreich-Fieber ausgebrochen. Kooperationen mit bilingualen Kitas und der französischen Schule in Giesing entstanden, die Kinder unterhalten Brieffreundschaften, ein paar Schüler reisten bereits nach Frankreich. Nun wird das Engagement offiziell: Die Winthirschule ist eine von bayernweit zehn Teilnehmereinrichtungen beim neuen Schulversuch "Französisch in der Grundschule", genauso wie die Grundschule an der Weißenseestraße in Giesing.

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"Es gibt immer mehr Eltern, die sich in der Schule ein frühes bilinguales Lernangebot für ihre Kinder wünschen", sagt Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich (CSU). Schüler sollten die Chance bekommen, "die Sprache und Kultur unseres Nachbarn kennenzulernen". Dabei geht es nicht nur um die Eltern, die ihren Kindern möglichst früh zu Fremdsprachenkenntnissen verhelfen wollen, sondern auch um die Mädchen und Jungen, die ohnehin in bilingualen Elternhäusern aufwachsen. So berichtet Wobido, dass bei ihr in jeder Klasse zwischen zwei und fünf Kinder mit zumindest einem französischen Elternteil säßen. Die Grundschule an der Weißenseestraße will mit dem Angebot Schüler aus afrikanischen Ländern, in denen Französisch gesprochen wird, ebenso erreichen wie bildungsbewusste Eltern.

Wie die Schulen das Französisch-Angebot organisieren, bleibt ihnen überlassen. In Neuhausen gab es bisher schon vier Französisch-Kurse für Muttersprachler am Freitagnachmittag, vor zwei Jahren richtete die Schule zwei Französisch-AGs in Kooperation mit dem französischen Institut ein, im abgelaufenen Schuljahr existierten vier jahrgangsübergreifende Französischgruppen für Ganztagsschüler, die auch von den Halbtagsschülern besucht werden konnten. Letzteres Angebot will Rektorin Wobido nun fortführen. Wichtig ist ihr, dass es sich dabei um ein freiwilliges Angebot handle, an dem niemand teilnehmen müsse. Schon jetzt ist das Interesse groß: Im Sommer fuhr Wobido mit 20 Schülern im Alter von neun und zehn Jahren nach Salles-sur-Verdon - ein für eine Grundschule ungewöhnlicher Austausch.

Drei Stunden wöchentlich sind vorgesehen

An der Weißenseestraße wird es für Erst- und Zweitklässler Arbeitsgemeinschaften geben. "Wir waren sofort interessiert, als wir von dem Projekt erfahren haben", sagt Schulleiterin Monica Schröger. Ausschlaggebend für die Bewerbung sei in Giesing eine Lehrerin gewesen. "Wir haben eine Kollegin, die zweisprachig aufgewachsen ist. Ich habe sie einfach gefragt und sie hatte Interesse", erklärt die Rektorin. Von September an wird die Lehrerin nun einmal wöchentlich zwei Schulstunden lang Französisch unterrichten. Die dritte Stunde, die im Schulversuch vorgesehen ist, will Schröger ansparen für Projekte mit der französischen Schule in Giesing.

Vom Inhalt her sollen sich die Kurse am Englisch-Unterricht an Grundschulen und den Vorkursen Deutsch am Kindergarten orientieren. Die Kinder lernen, wie sie sich vorstellen, wie sie jemanden begrüßen oder verabschieden. Sie erfahren, wie man einen Tagesablauf beschreibt, wie sie ausdrücken, wenn sie etwas mögen, welche Hobbys sie haben und welche Interessen. "Es ist ein situationsorientierter Ansatz, bei dem es viel ums Sprechen und Verstehen und erst später ums Lesen und Schreiben geht", sagt Schröger. Das soll heißen: viele Lieder und Rollenspiele statt sturem Vokabel- oder Grammatikpauken.

Im September 2018 will das bayerische Kultusministerium den Pilotversuch weiter ausweiten. Dann soll das Französische auch in den regulären Unterricht Eingang finden - bei geeigneten Themen in Sport, Kunst, Musik oder Mathematik. Auch hier haben die Eltern die Wahl, ob sie ihr Kind in den bilingualen Unterricht schicken oder nicht. Es werde immer auch reguläre Klassen geben, verspricht Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Ob und welche Münchner Schulen sich an dieser Variante beteiligen, steht noch nicht fest.

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© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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