Bildung:Schulz trifft die wunden Punkte der deutschen Schulpolitik

Ob sich deshalb nach der Bundestagswahl in der Bildung tatsächlich etwas ändern wird, ist dennoch mindestens ungewiss.

Kommentar von Paul Munzinger

Nun könnte man es sich einfach machen und sagen: alles wie immer. Die Bundestagswahl rückt näher, und plötzlich reden alle über Bildung. Von der Zukunft ist dann viel die Rede, von Verantwortung, vom wichtigsten Rohstoff, über den die rohstoffarme Bundesrepublik verfüge. Dass der Bund in der Bildung eigentlich nichts zu sagen hat - geschenkt. Es ist Wahlkampf, und was in der Schule passiert, bewegt alle Wähler, ob sie nun Schüler, Lehrer, Eltern oder Großeltern sind. Die Kandidaten überbieten sich mit Ankündigungen, stellen Milliarden in Aussicht und versprechen, Deutschland zum Bildungsweltmeister zu machen, mindestens. Fordern kostet nichts. Und nach der Wahl wird dann weitergewurschtelt. Alles wie immer.

Es gibt in Deutschland genug Anhaltspunkte, die einen solch zynischen Blick auf die Bildungspolitik als One-Hit-Wonder in Wahlkampfzeiten rechtfertigen. Und doch wird diese Sichtweise der "Nationalen Bildungsallianz", die SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nun vorgestellt hat, nicht gerecht. Es stimmt natürlich: Dass ein Bundeskanzler Schulz wirklich Deutschland zum "Bildungs- und Qualifizierungsland Nr. 1 in Europa" machen würde, darf bezweifelt werden. Und ob er die zwölf Milliarden Euro zusammenkratzen könnte, die er für Investitionen von 2018 bis 2021 verspricht, weiß niemand. Aber wenn die Herausforderungen groß sind, sind große Versprechen allemal besser als gar keine.

Schulz greift die Kleinstaaterei dort an, wo sie sich überlebt hat

Schulz' Vorschläge sind vor allem deshalb wichtig, weil sie den Blick auf die Schwachstellen des Bildungsföderalismus lenken. Da ist erstens das sogenannte Kooperationsverbot. Es verbietet der Bundesregierung, sich finanziell in die Schulpolitik einzubringen. Schulz will das ändern, damit Berlin überforderten Kommunen unter die Arme greifen kann. Allein die Zustände auf so mancher Schultoilette in Deutschland belegen, wie überfällig dieser Schritt ist.

Der SPD-Plan geht aber noch weiter. Er fordert mehr Vergleichbarkeit im Schulwesen - und trifft damit einen Punkt, an dem sich die Kleinstaaterei in der Bildung tatsächlich so "überlebt" hat, wie Schulz es anprangert. Von einem Land in ein anderes zu wechseln, ist für Schüler noch immer ein Hürdenlauf. Und beim Abitur schaffen die ungleichen Anforderungen in den Ländern reale Ungerechtigkeiten, etwa bei der Vergabe von Studienplätzen. Nötig wären transparente Standards und ein echter Wettbewerb. Gerade die Länder müssten sich dem öffnen, wollen sie verhindern, dass ihre Hoheit in der Bildung vollends die Akzeptanz der Bürger verliert.

Eine alte Regel besagt, dass man mit Schulpolitik eine Wahl nicht gewinnen, wohl aber verlieren kann. Die Abwahl der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen im Mai hat diese These bestätigt. Dass Martin Schulz sie am 24. September per Sieg widerlegen kann, ist unwahrscheinlich. Sollte zumindest die von Schulz angeregte Debatte seine Kampagne überleben, wäre das für die Bildungspolitik in Deutschland schon ein Gewinn.

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