Medizinische Versorgung:Sozialreferat fordert Härtefallregelung für mittellose EU-Bürger

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  • Eine Bulgarin hatte bei einer Gasexplosion schwere Verbrennungen erlitten, die offizielle medizinische Versorgung belief sich auf das Minimum.
  • Wegen einer Gesetzesänderung bezüglich Sozialleistungen können EU-Bürger in diese Lage gebracht werden.
  • Für einige Fälle fordert das Münchner Sozialreferat nun eine Härtefallregelung.

Von Sven Loerzer

EU-Bürger vor allem aus osteuropäischen Staaten wie Bulgarien, Rumänien und Polen kann eine Krankheit oder eine Verletzung bei ihrem Aufenthalt in Deutschland in eine schwierige Lage bringen. Denn mit einer Gesetzesänderung, die in diesem Jahr in Kraft trat, hat die Bundesregierung diese Menschen für fünf Jahre von Sozialhilfeleistungen und damit auch von der Übernahme von Krankheitskosten ausgeschlossen.

Am Beispiel einer Bulgarin, über deren schwere Brandverletzungen die SZ kürzlich berichtete, hat die Hilfsorganisation Ärzte der Welt auf die Auswirkungen der Neuregelung hingewiesen. Die schwerstverletzte Frau bekam abgesehen von der akuten Notrhilfe von offizieller Seite keine Behandlung und wurde nur durch ehrenamtliche Helfer unterstützt. Das Sozialreferat sucht deshalb zusammen mit dem Gesundheitsreferat nach Lösungen und will auch in Berlin eine Härtefallregelung einfordern.

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Ivanka Radkova kam aus Bulgarien, hier fand sie Arbeit, dann erlitt sie starke Verbrennungen bei einer Gasexplosion. Auch wegen der Verschärfung der Regelungen zur Sozialhilfe ist ihre Situation brenzlig - sie ist auf Idealisten angewiesen.

Von Sven Loerzer

Zwar seien von der Neuregelung "grundsätzlich nur wenige Personen betroffen", erklärte Sozialreferatssprecherin Edith Petry auf Anfrage. Dennoch hält das Sozialreferat die nun geltende Regelung für problematisch, zumal sie Menschen in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen trifft. "Der Gesetzgeber irrt in bei seiner Annahme, dass diese EU-Bürgerinnen und -Bürger wegen eines Ausschlusses von Sozialleistungen Deutschland verlassen würden", betont Petry. Mit der Gesetzesänderung hatte die Bundesregierung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts reagiert, das Unionsbürgern in der Regel nach sechs Monaten Aufenthalt Anspruch auf Sozialhilfe zugebilligt hat. Mit der Festsetzung der Fünfjahresfrist sollte das unterbunden werden.

Gerade aber im Gesundheitsbereich kann das fatale Auswirkungen haben. Zwar können ambulante oder stationäre Behandlungskosten bei akuten Erkrankungen als "Überbrückungsleistungen" für maximal einen Monat übernommen werden, allerdings nur, wenn Ausreisewille besteht. "Eine Übernahme von Krankenhauskosten ist darüber hinaus im Notfall bei einer nachgewiesenen akuten und lebensbedrohlichen Erkrankung möglich", erläuterte Petry. In solchen Fällen würden dann die Kosten von der Kommune getragen.

Die ambulante Versorgung der Betroffenen wird nach Ansicht des Sozialreferats durch die Anlaufstellen für Menschen ohne Krankenversicherung - Open.med von Ärzte der Welt und Malteser Migranten Medizin vom Malteser Hilfsdienst - "weitgehend sichergestellt". Auch an die Arztpraxen für Obdachlose in St. Bonifaz und in der Pilgersheimer Straße können sich Nichtversicherte wenden. Sofern erhebliche Defizite entstehen, müsse der Stadtrat über weitere Zuschüsse entscheiden.

Weil die Gesetzesänderung die Probleme der Menschen nicht löse, will sich das Sozialreferat für eine Härtefallreglung einsetzen. Danach sollen die Behandlungskosten auch bei Personen mit akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen übernommen werden können und nicht mehr, wie derzeit, vom Ausreisewillen abhängig gemacht werden. Anders sei die Situation bei einem geringen Arbeitsverdienst. Schon bei 100 Euro monatlich bestehe ein Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen vom Jobcenter. Damit seien die Betroffenen dann in der Regel auch kranken- und pflegeversichert.

© SZ vom 29.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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