Ebersberg:Wohngemeinschaft ohne Hürden

An der Gärtnereistraße in Ebersberg entsteht ein Haus für 24 Menschen mit Behinderung. Beim Einrichtungsverbund Steinhöring ist man erleichtert - denn die Warteliste ist lang

Von Viktoria Spinrad, Ebersberg

Ob es vor allem Doppelzimmer oder Einzelzimmer sein werden, fragt der lebhafte Mann im Rollstuhl und schaut zu seinem Betreuer hoch. "So viele Einzelzimmer wie möglich", versichert der ihm, der Mann im Rollstuhl, Brille, Silberohrring, blonde Haare, wirkt zufrieden. 24 Einzelzimmer sollen es genau genommen werden, die auf der Fläche an der Gärtnereistraße entstehen sollen - für Menschen wie David Kruzolka, der im Rollstuhl sitzt und auf Unterstützung angewiesen ist.

Ebersberg: Der Anfang ist gemacht: David Kruzolka, Sabrina Wörz, Rupert Ober, Georg und Isolde Weber, Gertrud Hanslmeier-Prockl und Sebastian Pauker (von links).

Der Anfang ist gemacht: David Kruzolka, Sabrina Wörz, Rupert Ober, Georg und Isolde Weber, Gertrud Hanslmeier-Prockl und Sebastian Pauker (von links).

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Der 33-Jährige ist Vorsitzender des Bewohnerrats des Einrichtungsverbunds Steinhöring. Zu dessen Einrichtungen gehören auch Kinderhäuser, Schulen und Seniorentagesstätten im Landkreis Erding. Ein weiteres Wohnhaus soll mit der neuen Einrichtung an der Gärtnereistraße 2a Ende 2018 dazukommen. Der Standort, nur 750 Meter vom Marienplatz entfernt, soll auch der Inklusion dienen: "Hier haben die Bewohner die Möglichkeit, an der Gesellschaft teilzunehmen", sagt Sabrina Wörz, angehende Leiterin der Einrichtung.

Diese wird sich über 1100 Quadratmeter Wohnfläche erstrecken, verteilt auf drei Etagen, auf denen jeweils eine Wohngruppe mit acht Menschen Platz haben soll - ein Familiensystem. Auch Balkone und eine Terrasse sind geplant. "Es ist wichtig, dass man Platz hat", wird auch Kruzolka später sagen, während er auf seinen Rollstuhl deutet. Das Besondere an dem Neubau links des Seniorenheims: Er wird vollkommen barrierefrei sein.

In dem Haus sollen drei Wohngruppen Platz finden

Geplant war das alles so eigentlich nicht. Ein Zufall war es, erzählt der Bauherr Georg Weber, der ihn dazu brachte, seine bereits fertigen Baupläne für ein Mehrfamilienhaus im März des vergangenen Jahres zu verwerfen. Seine Frau und er lasen einen Bericht über einen Bewohner des Einrichtungsverbunds. Dass Plätze fehlen, stand dort, und die beiden dachten sich: Das Grundstück wäre doch eigentlich optimal. Man verwarf das Elf-Parteien-Haus, der Planer musste einen neuen Entwurf vorlegen. Eine Aufgabe, die Martin Dumpler so oft noch nicht untergekommen war. "Das war schon eine Herausforderung", sagt der Planer, denn schließlich war der Bauplan schon genehmigt. Jetzt galt es, das Innere des Hauses barrierefrei zu gestalten. "Mit viel Tüftelei haben wir es hinbekommen", berichtet Gertrud Hanslmeier-Prockl, die Leiterin des Einrichtungsverbunds von der Arbeit, die sich über ein halbes Jahr zog. Die Belange der künftigen Bewohner unter einen Hut zu bringen mit den Vorschriften der Behörden, Brandschutz, Lärmschutz, das sei schon eine Aufgabe gewesen, sagt sie. Jetzt, da der Spatenstich gemacht ist, zeigt sie sich dankbar über die nahende Entlastung: "Das sind Wohnplätze, für die wir einen riesigen Bedarf haben", sagt sie. Aktuell stehen 30 Menschen mit Behinderung auf der Warteliste des Einrichtungsverbunds, die gerade akut einen Wohnplatz benötigen, weitere 20 haben für einen Platz ab 2018 angefragt.

Ein betreutes Zuhause in Ebersberg soll dann auch denjenigen ermöglicht werden, die sowohl geistig als auch körperlich beeinträchtigt sind - zum Beispiel älteren Menschen. Sie sollen vom Nachtdienst profitieren, den es in der Unterkunft geben wird, ab 24 Plätzen kommt dafür der Bezirk auf. Zwei Wohngruppen werden voraussichtlich aus Menschen zusammengesetzt, die tagsüber kleine Arbeiten verrichten können, zum Beispiel in der Speisekammer am Bahnhof. Die dritte Gruppe, Menschen mit stärkeren Beeinträchtigungen, wird wohl in die Förderstätte nach Steinhöring pendeln.

"Wir wollen auch die Privatsphäre der Bewohner wahren", sagt Sabrina Wörz. Wo sich früher alle an einen langen Tisch setzten, sei heute mehr Flexibilität gefragt. So sollen sich die Möbel in den Gemeinschaftsräumen modular anordnen lassen, die Bewohner bräuchten auch Raum für sich.

Aufmerksam hat Kruzolka die Ausführungen über die neue Unterkunft verfolgt. Er ist so selbständig, dass er in einer WG-ähnlichen Unterkunft mit Notruf leben kann. Balkone gibt es dort allerdings nicht, sagt er. Ob er erwägen würde, in die Gärtnereistraße zu ziehen? "Ich habe einen super Betreuer, der mir sehr am Herzen liegt", sagt er und schaut lächelnd, fast entschuldigend in die Runde.

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