Das Ende der Glühbirne:Verschwenderischer Glanz

Die Welt wird kühler: Wenn die klassische Glühbirne verschwindet, geht ein Kapitel der Moderne zu Ende. Das ist schade. Sehr schade.

Gerhard Matzig

Wenn ein Stern explodiert, dann erstrahlt er für kurze Zeit so hell wie eine Galaxie. Man nennt das "Supernova". Die Leuchtkraft des Sterns nimmt dabei milliardenfach zu. Dann aber ist Schluss, der Stern ist futsch - und das All steht wieder schwarz und schweiget.

Das Ende der Glühbirne

Bei der Glühbirne kann man das Innenleben noch verfolgen - bei den neuen Lampen ist es nicht einmal mehr zu erahnen.

(Foto: Foto: AP)

Sollte die Europäische Union das Problem mit der zeitlich begrenzten Glühdauer eines sterbenden Sterns (dessen Licht dann auch noch ein paar tausend Jahre herumrast, bevor man es auf der Erde auch nur ahnen kann) in den Griff bekommen, dann dürfen wir uns auf eine interstellare Debatte gefasst machen. Dann wird die EU-Kommission, die soeben das Ende der Glühbirne zugunsten der Energiesparlampe ab 2009 verfügt hat, die Supernovae dieser Welt richtlinienfest machen wollen.

Denn für den Einsatz von Sparfunzeln gegenüber Glühbirnen spricht, dass die Energiesparlampe bei gleicher Helligkeit weniger Energie benötigt - eine Supernova nahe der Erde toppt das locker. Andererseits hat sie womöglich noch weniger Freunde als die Sparvarianten, die für ihr immer noch recht kühles Licht bekannt und deshalb bei Lichtplanern berüchtigt sind. Wobei klar ist: In Zeiten schwindender Ressourcen ist die EU gezwungen, die Glüh-Verschwender zu verbieten, wenn nicht inhaftieren zu lassen. Schon bald werden EU-Suchtrupps die Keller nach 100-Watt-Birnen ohne Aufenthaltsgenehmigung durchsuchen.

Schon deshalb darf man an die Geschichte einer Ästhetik erinnern, die nun mit der Birne zu Grabe getragen wird. Es ist schließlich die Geschichte der Moderne selbst. Sie beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals war Europa wohlhabend und, wie Wolfgang Schivelbusch in seinem Standardwerk zur Geschichte der elektrischen Beleuchtung schreibt ("Licht - Schein und Wahn", Verlag Ernst & Sohn), "satt und zufrieden wie selten zuvor". Die große Wohlstandsmaschine, der Kapitalismus, tuckerte munter vor sich hin und gebar immer weitere Wunder. In aller Unschuld, noch.

Nach der Periode der Textilien und der Eisenbahnen verhießen Chemie und Elektrizität neue Reichtümer. Gefeiert wurden die Utopien des Materialismus auf den Weltausstellungen. Die Schau aber, die im Mai 1900 in Paris eröffnet wurde, hatte keinen pompösen Kristallpalast und keinen tollkühnen Eiffelturm zu bieten. Bei Tag sah das Areal sogar blamabel unscheinbar aus. Die Sensation jener Zeit zeigte sich erst bei Nacht: Dann erstrahlte der "Elektrizitätspalast", illuminiert von tausenden Glühbirnen.

Kein offenkundiges Innenleben

Es dauerte fast ein Jahrhundert, bis sich die Glühlampe (auch Glühlicht genannt) zum industriell gefertigten, standardisierten Leucht-Produkt entwickelte. Der bekannteste Miterfinder der nur umgangssprachlich als Glühbirne bezeichneten Innovation war Thomas Alva Edison. Er erhielt 1880 ein Patent für seine Entwicklung in den USA. Sein Glühfaden, der als elektrischer Leiter durch Stromfluss so stark erhitzt wird, dass er glüht, bestand aus Bambusfasern.

Noch heute erinnert die Konstruktion der Glühlampe mit Schraubsockel und sichtbarem Glühfaden an die ersten Formen der Glühlicht-Geschichte. Darin liegt der ästhetische Reiz der Glühbirne - im Gegensatz zur Sparbirne. Die gibt es auch in Birnenform, aber außer mehrfach gebogenen, "kompakten" Leuchtstoffröhren (daher der Fachbegriff "Kompaktleuchtstofflampe") verfügt sie über kein offenkundiges Innenleben.

Seinerzeit wurde - wie jetzt im Grunde wieder - beklagt, dass mit dem Kerzen- oder Fackellicht, mit Öl- und Gaslampen gar, das "natürliche", also flackernd-unstete Licht verloren gehe. Deshalb setzte man früh alles daran, die vertrauten Lichtquellen zu imitieren. Der sichtbar glühende, aufgezwirbelte Draht und die Glasblase, die sich birnenförmig nach oben weitet, waren konstruktiv bedingt, versöhnten aber auch mit dem Verlust des lebendig züngelnden Feuers.

Vielleicht stellte man sich auch deshalb in geradezu entflammter Weise noch in den 1930er-Jahren vor, die Elektrizität sei weiblichen Ursprungs. Allegorisch wurde die Stromversorgung dargestellt als Göttin in der Nachfolge der Venus. Auch die Lichtgöttin der berühmten Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft, AEG, bewehrt mit Rad und Flügeln, ließ eine Birne über ihrem Kopf erstrahlen. Palast, Feuer, Göttin, barocke Birnenform: Das waren einmal die Begriffe rund um die Glühlampe. Nun, durch die EU, wissen wir, dass das alles nur tumbe Verschwendung und Illegalität bedeutet. Schade, sehr schade.

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