TV-Moderator Claus Strunz:Der Spalter

Claus Strunz

Claus Strunz, Ex-Chef von BamS und Hamburger Abendblatt, ist einer von vier Moderatoren des TV-Duells zwischen Merkel und Schulz.

(Foto: Karlheinz Schindler/dpa)

Die einen halten ihn für einen gefährlichen Populisten, andere feiern ihn als letzten Verteidiger der Wahrheit. Claus Strunz polarisiert. Wer ist dieser Mann, der das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz mitmoderiert?

Von Julian Dörr

Claus Strunz spaltet, er polarisiert. Die einen halten den Journalisten für einen "knallrechten" Populisten, einen "Brandbeschleuniger". Die anderen feiern ihn als letzten Verteidiger der Wahrheit in einem von Lügen zersetzten Mediensystem. Claus Strunz spricht Klartext. So heißt auch das Segment im Sat.1-Frühstücksfernsehen, in dem Strunz regelmäßig das politische Geschehen kommentiert. Zum Thema Abschiebung klingt das dann etwa so: "Aus der Sorge heraus, einem Einzigen unrecht zu tun, gehen wir auf Abertausende von Asylbetrügern, Straftätern und Terrorverdächtigen lächerlich lasch zu." Oder so, zum Thema Sicherheit: "Wir leben wie in Israel, an vielen Fronten angegriffen von Islamisten, die uns und - seit Manchester - auch unsere Kinder töten wollen." Sandra Maischberger, mit der Strunz am Sonntag das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz moderieren wird, nannte ihn im SZ-Interview: "politisch scharf".

Es ist diese Rolle als journalistisches Aushängeschild von Sat.1 (seit Anfang des Jahres moderiert Strunz als Nachfolger von Ulrich Meyer dort auch die Akte - das einzige journalistische Format im Abendprogramm), die ihn für die Position des Moderators in diesem TV-Duell-Spätsommer kurz vor der Bundestagswahl qualifiziert hat. Am Mittwochabend hat Strunz bei seinem Heimatsender bereits das kleine TV-Duell von Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen), Christian Lindner (FDP), Katja Kipping (Die Linke) und Alice Weidel (AfD) moderiert. Im Gespräch mit den Spitzenkandidaten setzte er auf persönliche Angriffe. So fragte er die Linkspartei-Chefin Katja Kipping: "Sie selber haben keine Flüchtlinge aufgenommen?". Von Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckhardt wollte er wissen, ob sie Christian Lindner scharf fände. Überhaupt drehten sich große Teile der Sendung um das Aussehen des "Posterboys" der FDP - als sei dessen Physis das wichtigste Thema in diesem Wahlkampf.

Am Sonntag nun folgt der große Kampf Merkel vs. Schulz - gemeinsam mit seinen Kollegen Sandra Maischberger, Maybrit Illner und Peter Kloeppel moderiert er das Duell. Welche Rolle wird Strunz in dieser Runde spielen? Wird er Angela Merkel fragen, ob sie Martin Schulz scharf findet?

Um den Moderator Claus Strunz zu verstehen, muss man sich den Journalisten Claus Strunz anschauen. Der war acht Jahre lang Chefredakteur der Bild am Sonntag, danach leitete er 2008 bis 2011 das Hamburger Abendblatt. Seine journalistische Sozialisation erlebte Strunz beim Axel-Springer-Verlag. Heute ist er dort Geschäftsführer der TV- und Videoproduktionen und Programmgeschäftsführer der Springer-Tochter MAZ&More, der Produktionsfirma hinter dem Sat.1-Frühstücksfernsehen. Dort erklärt er als "Experte" immer wieder in einfachen Worten die komplizierte Welt: die Bundeskriminalstatistik, die G-20-Proteste oder den Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt.

"Populismus ist das Viagra der erschlafften Demokratie", sagte Strunz einmal

Wer nun aber zu früher Morgenstunde von ihm eine ausgewogene und informierte Analyse erwartet, der erlebt die erste Enttäuschung des Tages noch vor der verspäteten und überfüllten S-Bahn. Denn die Welt, die Strunz in seinen kurzen Kommentaren zeichnet, ist düster, bedrohlich - und steht immer am Rande des Untergangs. Da trauen sich Frauen nicht mehr auf die Straße, aus Angst vor marodierenden Flüchtlingen. Immer wieder ist von Staatsversagen die Rede, von Kontrollverlust. Auf Facebook entfachen seine Kommentar-Videos hitzige Debatten. Und die rechtspopulistische Masche verfängt. "Gott sei Dank gibt es noch solche Journalisten wie Claus Strunz", heißt es dann oft.

In einer Talkrunde bei Sandra Maischberger hat Strunz einmal gesagt: "Populismus ist das Viagra der erschlafften Demokratie". Auf den ersten Blick erscheint das wie ein harmloses kleines Sätzchen, hihi, ein halber Pimmelwitz, aber es ist ein brandgefährliches kleines Sätzchen. Denn das, was der 50-Jährige in seinen Frühstücksfernsehauftritten verbreitet, ist Rechtspopulismus aus dem Lehrbuch. Vorgetragen von einem Journalisten, der Fakten längst gegen Gefühle eingetauscht hat.

Seine Beiträge funktionieren immer nach dem gleichen Muster. Zu Beginn spricht Strunz seine Zuschauer direkt an. Appelliert an ihre Emotionen. Macht klar, warum das, was jetzt kommt, sie unmittelbar betrifft. Nach dem Anschlag von London im Juni imaginierte er Bedrohungsszenarien für die Sommerurlauber: Islamisten, die mit Macheten an Urlaubsstränden Jagd auf Badende machen. Die ständige Gefahr, bei jedem Open-Air, in jeder Museumsschlange.

Ein populistischer Journalist funktioniert wie ein populistischer Politiker

Womit wir beim zweiten Schritt seiner populistischen Argumentationsstrategie wären: der Aufladung. Bei ihm geht es immer um die großen Begriffe und Fragen. Terror, Angst, Freiheit. Gefühlte Wahrheiten werden als Fakten verkauft. Und immer wieder wird pauschalisiert. Der Kommentar mündet dann in eine beinahe apokalyptische Vision und Strunz, der Untergangs-Prophet, verkündet: "Jetzt ist nichts mehr, wie es einmal war".

Ein populistischer Journalist funktioniert genauso wie ein populistischer Politiker. Am Ende seines Vortrags inszeniert er sich als Augenöffner, als letzter Aufrechter in einer Welt der Falschspieler und Lügner. Einer Welt der "Sonnenblumen-Multikultler" (Strunz), die den Abgrund vor ihren Füßen nicht sehen. Anfang des Jahres saß Strunz einmal mehr am Frühstücksfernsehtisch, vor ihm eine schöne, reichlich gefüllte Obstschale, und klärte auf über die Ereignisse der Silvesternacht in Köln. Ein Jahr danach. Wieder habe es Sex-Mobs gegeben, in vielen Städten zudem. "Wieder von vielen Medien tabuisiert, hat aber stattgefunden". Die Bild-Zeitung berichtete damals über angebliche Vorfälle in der Frankfurter Innenstadt. Und musste sich später entschuldigen, den Sex-Mob gab es nicht.

Als Journalist, der in seinen Beiträgen das Narrativ von den manipulativen "Mainstreammedien" bedient, selbst aber bei einem der größten Privatsender des Landes arbeitet, ist Claus Strunz in der deutschen Medienlandschaft eine Ausnahme. Man kann es bedenklich finden, so jemanden als einen von vier Moderatoren in ein Kanzlerduell zu schicken. Einen der auch mal on air ein Fazit zieht wie: "Dann kannst du in Deutschland nur noch die AfD wählen".

Aber es geht am Sonntag nicht um Strunz oder Maischberger oder Kloeppel, sondern um die Kanzlerin und ihren Herausforderer. Außerdem ist Strunz eingebettet in ein Team aus vier Moderatoren. Wie er sich schlägt, wenn er alleine auf sich gestellt ist, das hat er im kleinen TV-Duell schon gezeigt. Und sich ganz ordentlich in seiner eigenen populistischen Masche verheddert. In anfangs besagter Sendung warf er Katja Kipping vor: "Sie laden alle Menschen ein, in Deutschland ihr Glück zu suchen: vom Flüchtling bis zum Terroristen. Damit erweitern Sie das Problem, das Frau Merkel uns bereitet hat." Kipping entgegnete: "Sind Sie sicher, dass es klug ist, in unseren Köpfen die Begriffe 'Flüchtling' und 'Terrorist' zusammenzubringen?"

Ja, Strunz spaltet und polarisiert. Aber wenn er jetzt mal nicht alleine von der Kanzel predigen darf, dann demontiert er sich auch schnell selbst. Einen wie ihn zum Moderator eines Kanzlerduells zu machen, bildet auch die Meinungsvielfalt im Land ab. Am Ende ist es aber vor allem ein sehr gutes Training im Erkennen von und im Umgang mit Populismus. Für Merkel und Schulz. Aber noch viel mehr für die Zuschauer zu Hause.

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