Gerhard Schröder:Gut geölt

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Blitzlichtempfang im Norden: Gerhard Schröder wirbt im niedersächsischen Rotenburg für die Sozialdemokraten. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Bei einem Wahlkampftermin unterstreicht Schröder seinen Karriereplan: Er will zum russischen Mineralölkonzern Rosneft. Für die SPD bleibt er aber ein schwieriger Genosse.

Von Thomas Hahn, Rotenburg/Wümme

Der Altkanzler braucht nur wenige Sätze, dann hat er das Publikum. Die sonore Väterlichkeit, mit der Gerhard Schröder Menschen fangen kann, wirkt sehr schnell, hier, im Buhrfeindsaal des Diakonieklinikums von Rotenburg an der Wümme. Lässig lehnt er im Bühnensessel beim Podiumsgespräch mit dem SPD-Wahlkämpfer und Bundestagsabgeordneten Lars Klingbeil. Dunkles Hemd, offener Kragen, kein Jackett.

Die Kritik an seinem bevorstehenden Engagement im Aufsichtsrat des halbstaatlichen russischen Mineralölriesen Rosneft versenkt er in Selbstsicherheit und guter Laune. "Ich werde das tun", sagt er mit felsenfester Leichtigkeit. Präzise erklärt er seine Erwägungen zu Energiesicherheit und Verständigung mit Russland, die er mit der neuen Karriereaussicht verbindet. In Worten legt er seinen Zuhörern freundschaftlich den Arm um die Schultern. Schau. Weißt du. Stellt euch mal vor. Und zum Schluss seines Rosneft-Bekenntnisses muss er dem jungen Abgeordneten Klingbeil noch was sagen. "Als einen Rat".

"Guck mal", sagt Schröder also, "ich bin jetzt 73. Es geht um mein Leben. Und darüber bestimme ich und nicht die deutsche Presse." Ergriffener Applaus.

"Man hat es schon nicht immer leicht mit dir, Gerd", sagt sein Parteifreund Lars Klingbeil

Wahrscheinlich wäre das wirklich wünschenswert, wenn ein früherer SPD-Bundeskanzler in seinem Leben nach der Politik machen könnte, was er wollte, ohne dafür ständig Einwände zu kassieren. Aber so eine Kanzlerschaft kann man eben nicht ablegen wie jeden beliebigen Job. Vom hohen Amt bleibt eine Verantwortung, die über den eigenen Geldbeutel hinausweist. Fürs eigene Land, für die eigene Partei.

Das weiß Schröder natürlich. Wüsste er es nicht, hätte er sein Engagement bei Rosneft nicht als eine Art Diplomatenjob im Dienste von Weltfrieden und deutscher Wirtschaft dargestellt. Dann hätte er nicht so staatsmännisch erklärt, er stehe dazu, "weil ich glaube, dass es aus ökonomischen und politischen Gründen nicht vernünftig ist, unseren größten Nachbarn Russland ökonomisch und politisch zu isolieren". Dann hätte er vielleicht auch mehr darüber gesprochen, dass es für ihn auch was zu verdienen gibt bei Rosneft.

Trotzdem plagt sich die SPD wieder mal ab mit ihrem Gerd. Wegen Schröders Hartz-IV-Reformen schwankt sie ohnehin zwischen Heldenverehrung und Distanz, wenn es um seine Kanzlerschaft von 1998 bis 2005 geht. Jetzt kommt die Rosneft-Sache hinzu. "Die Meinungen sind gespalten", sagt Klingbeil. Im Bundestagswahlkampf kommt Schröder kaum vor. Sein zweiter SPD-Auftritt am Donnerstagabend in Hannover mit der Bundestagskandidatin Yasmin Fahimi war schon sein letzter. Auftritte mit dem Kanzlerkandidaten Martin Schulz gibt es gar nicht.

Und selbst am Mittwoch auf der Bühne mit Lars Klingbeil wurde greifbar, wie zwiespältig das Verhältnis zwischen Sozialdemokratie und Schröder ist. Die Stimmung in Rotenburg war grundsätzlich für Schröder. Die Zuschauer lauschten andächtig. Ein Lehrer, der mit seiner Schulklasse da war, sagte: "So was hat man einmal im Leben." Und Gastgeber Klingbeil war seinem Gast natürlich auch sehr zugewandt. "Gerhard Schröder ist für mich jemand, der dafür stand, Dinge zu tun, die nicht allen gefallen", sagte er. Schröders Nein zum Irak-Krieg 2003 nannte er eine Entscheidung, "die mich sehr stolz macht".

Aber es klang eben auch an, wie Schröders Freude am Entschluss zu Entfremdungen führt. Klingbeil war einst im Wahlkreisbüro Schröders tätig. Früh ließ er sich von dessen Tatkraft inspirieren. Aber er ist auch schon auf die Straße gegangen gegen den Machtmenschen Schröder. Die erste Demonstration, die er organisierte, richtete sich gegen die Bildungspolitik des damaligen Ministerpräsidenten. Und als er im Januar 2005 als Nachrücker in den Bundestag kam, musste er gleich für seine Abwahl stimmen, weil Schröder wegen der Kritik an seiner Reformpolitik Neuwahlen wollte. "Man hat es schon nicht immer leicht mit dir, Gerd", sagt Lars Klingbeil.

Schröder selbst wirkt unbeeindruckt. Als Klingbeil ihn fragt, wie es sein könne, dass seine Reformen immer noch polarisierten, antwortet er: "Das musst du deine Genossen fragen." Er spricht über den natürlichen Wunsch vieler Leute nach Beständigkeit: "Was sie dabei vergessen, ist: Wenn alles so bleibt, wie es ist, ist keine Zukunft zu gewinnen." Seine Botschaft: Nicht zu gefallen ist manchmal eine Notwendigkeit. Das einzige dünne Lob, das er für den SPD-Kanzlerkandidaten übrig hat, zielt auf dessen Selbstbewusstsein. "Ich finde gut, dass Martin Schulz nie einen Zweifel daran gelassen hat, ich will das werden."

Ihren Schröder wird die SPD nicht mehr einfangen. Eher schon von ihm lernen, wie man konsequent bleibt in allen Lagen. Er denkt nicht dran, seine Freundschaft zum russischen Präsidenten Putin zu verleugnen. Er sieht kein Problem in seiner Rosneft-Verbindung. Und das, worüber andere sich wundern, verkauft er als Rebellion gegen den Zeitgeist. Schröder sagt: "Der Mainstream war noch nie ein Gewässer, das mich besonders interessiert hat."

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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