Europäische Union:Rechtsstaat in Gefahr

Nach der umstrittenen Justizreform in Polen hält Brüssel an dem Verfahren zum Entzug der EU-Stimmrechte fest. Warschau ließ eine Frist für Änderungen der Reformen tatenlos verstreichen und teilte mit, sie halte die Kritik der EU für gegenstandslos.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Die EU-Kommission will im Streit mit der national-konservativen Regierung in Polen nicht nachgeben. "Auf keinen Fall werden wir diese Sache fallen lassen, weil sie sich als politisch zu schwierig erweist", sagte der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, am Donnerstag vor dem Aussschuss für bürgerliche Freiheiten des EU-Parlaments. Für die EU als Ganzes stehe zu viel auf dem Spiel. Die EU-Kommission sieht die Rechtsstaatlichkeit in Polen wegen verschiedener Justizreformen in ernster Gefahr. Ende Juli machte sie klar, dass sie ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Grundwerte der EU einleiten wird, sollte die Unabhängigkeit des Obersten Gerichtes nicht mehr gegeben sein. Dies könnte dann zum Entzug der Stimmrechte Polens führen. Voraussetzung wäre allerdings, dass alle EU-Staaten mit Ausnahme Polens zustimmen.

Ungeachtet des dann zu erwartenden Vetos Ungarns treibt die EU-Kommission die Vorbereitungen für die Einleitung dieses Verfahrens nach Artikel 7 des EU-Vertrages voran. Dies wurde am Donnerstag auch beim Auftritt von Timmermans im EU-Parlament deutlich. Abgeordnete von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken äußerten Unterstützung für diesen Weg. Das Verfahren wäre das erste dieser Art in der Geschichte der EU. Artikel 7 des EU-Vertrages sieht ein mehrstufiges Vorgehen vor. Beantragt werden kann es von einem Drittel der Mitgliedstaaten, vom Europäischen Parlament oder von der EU-Kommission. Mit der Mehrheit von vier Fünfteln der EU-Staaten kann dann die "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" der Werte der Union festgestellt werden. Selbst für den Fall, dass Ungarn weitere Schritte blockiert, käme dies einer in der EU bisher beispiellosen Rüge gleich. Polens Regierung weist alle Vorwürfe der EU-Kommission zurück. Allerdings hatte Polens Präsident Andrzej Duda im Juli im Rahmen der Justizreform nur zwei der umstrittenen Gesetze unterschrieben. Zwei weitere hatte er blockiert und Änderungsvorschläge angekündigt.

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