Merkel gegen Schulz im TV-Duell:Kontrollierte Konfrontation

Schulz ist Merkel rhetorisch überlegen. Im TV-Duell heute Abend muss er die richtige Mischung aus Angriff und Seriosität finden. Doch die Erfahrungen seiner Vorgänger sind nicht ermutigend.

Von Nico Fried

Die Hoffnung setzt sich zusammen aus zwei Stehpulten und einem Winkel. Die beiden Pulte sind höhenverstellbar, etwa vom Niveau eines handelsüblichen Küchenschrankes bis hinauf zur Höhe eines Kneipentresens, wobei Angela Merkel und Martin Schulz, die sich physisch auf Augenhöhe begegnen, hinter Pulten in Tresenhöhe kaum noch zu sehen wären. An den Pulten, und das ist das eigentlich Bedeutsame, werden die Kanzlerin und ihr Herausforderer einander zugewandter stehen als die Kontrahenten in früheren TV-Duellen. Mit dieser Anordnung soll die Interaktion der Kandidaten gefördert werden, das Aufeinandereingehen. Anders gesagt: Das Duell soll lebendiger werden als die letzten Male.

Der größere Winkel zwischen den Duellanten ist die einzig nennenswerte Neuerung des Formats, über die sich Kanzleramt, SPD und die vier Sender ARD, ZDF, RTL und Sat 1 verständigen konnten. Alles andere scheiterte in drei zähen Verhandlungsrunden an den Sekundanten Angela Merkels, deren hartleibigen Konservatismus in Sachen TV-Duell mancher Parteifreund vermutlich gerne mal in anderen politischen Fragen sähe.

Dass die Kanzlerin bei der Einrichtung des 635 Quadratmeter großen Studios B in Berlin-Adlershof eine Geometrie der Konfrontation zulässt, entspricht wiederum durchaus ihrem Duellverhalten. Entgegen einer verbreiteten Wahrnehmung lässt sie nämlich Vorwürfe nicht immer nur an sich abperlen. 2013 antwortete Merkel achtmal auf Peer Steinbrück, ohne gefragt worden zu sein - sogar zweimal öfter, als Steinbrück spontan auf sie einging.

Merkel wird vor allem Stabilität in unruhigen Zeiten propagieren

Drei Wochen vor der Bundestagswahl erleben die Deutschen an diesem Sonntag das Fernsehduell. Erwartet werden circa 20 Millionen Zuschauer, die Bilder von insgesamt acht Kameras vorgeführt bekommen. Die politische Ausgangslage ist so wie vor vier und vor acht Jahren: Die Titelverteidigerin tritt gegen einen Sozialdemokraten an, der bei allen Demoskopen deutlich zurückliegt. Merkel, die das Fernsehduell nicht sonderlich schätzt, wäre schon zufrieden, wenn sich an ihrem Vorsprung nicht viel ändert. Schulz muss auf Bewegung in der betonierten Umfragesituation hoffen, bestenfalls auf den Beginn einer Aufholjagd. Merkel wird vor allem ihre Erfahrung zur Geltung bringen wollen und Stabilität in unruhigen Zeiten propagieren. Schulz, im politischen Alltag der Kanzlerin rhetorisch deutlich überlegen, muss die richtige Mischung aus Angriff und Seriosität finden und auch noch sympathisch wirken.

Die Erfahrungen seiner sozialdemokratischen Vorgänger sind nicht gerade ermutigend: 2013 stieg die SPD mit Steinbrück nach dem Duell zumindest in einer Umfrage immerhin um zwei Prozentpunkte von 25 auf 27, endete am Wahltag aber bei 25,7. Vier Jahre vorher hatte Frank-Walter Steinmeier - obwohl es sich bei seiner Begegnung mit Merkel um das bislang unbestreitbar langweiligste TV-Duell handelte - sogar drei Prozentpunkte zugelegt. Von denen blieb am Wahltag dann jedoch gar nichts mehr übrig (23 Prozent). Wenn Schulz diese Tradition nicht durchbricht, droht ihm das historisch schlechteste SPD-Ergebnis: Im jüngsten Politbarometer standen die Sozialdemokraten am Freitag bei 22 Prozent (die Union bei 39).

Bedeutend länger als die Geschichte der TV-Duelle, die stattgefunden haben, ist in Deutschland noch immer die Geschichte der TV-Duelle, die es nicht gab. 1969 forderte der SPD-Kanzlerkandidat und Außenminister der Großen Koalition, Willy Brandt, erstmals vom CDU-Kanzler Kurt-Georg Kiesinger einen Schlagabtausch vor laufenden Kameras. Kiesinger lehnte ab. "Es steht dem Kanzler der Bundesrepublik nicht gut an, sich auf ein Stühlchen zu setzen und zu warten, bis ihm das Wort erteilt wird", lautete seine Begründung.

Helmut Schmidt verweigerte Franz Josef Strauß 1980 ein Duell. Helmut Kohl wollte sich, 1982 gerade Kanzler geworden, bei der Neuwahl im Frühjahr 1983 nicht mit Hans-Jochen Vogel duellieren - und hielt es so auch die restlichen 15 Jahre seiner Amtszeit. "Kohl hatte immer zwei Gründe, solche Duelle abzulehnen", sagte später der inzwischen verstorbene ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Hintze. "Er wollte den Kanzlerstatus nicht beeinträchtigen lassen und den Kanzlernimbus nicht gefährden."

Merkel erbte das Fernsehduell von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder, der 2002 sogar zweimal mit Edmund Stoiber debattierte. Schon als Herausfordererin trat Merkel 2005 nur einmal gegen Schröder an. Dabei beließ sie es auch in den Jahren danach. Kritik daran wie auch an ihrer Sturheit bezüglich des Sendungsablaufs wies sie jüngst in der Bundespressekonferenz zurück: Sie finde, "dass sich die Formate der Vergangenheit sehr gut bewährt haben". Und es sei ja keineswegs so gewesen, "dass ich sagen konnte, dass es für mich immer nur super ausgegangen ist". Bei den Abstimmungen hinterher "habe ich nicht immer gewonnen", so Merkel mit Blick auf die Blitzumfragen, die es stets schon kurz nach der jeweiligen Duell-Sendung gibt. Das stimmt. Aber die Wahlen hat sie jedes Mal gewonnen.

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