Gentrifizierung:Der Abriss in Giesing ist eine Kampfansage an die Gesellschaft

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Die Zerstörung eines denkmalgeschützten Hauses ist ein besonders schäbiger Akt - aber nur einer von vielen in München. Empörung alleine reicht nicht, um gegen so etwas vorzugehen.

Kommentar von Hubert Grundner

Am Samstag waren fast ganz Giesing und viele Besucher aus der Stadt auf den Beinen. Trotz eher bescheidenen Wetters feierten sie bei einem Kulturfestival mit Dutzenden Veranstaltungen die Vielfalt des Stadtviertels. Teilweise ist sogar das Bier ausgegangen - beim Gesprächsstoff war das nicht der Fall, im Gegenteil.

Schnell hatte sich am Wochenende die Nachricht vom Abriss des denkmalgeschützten Handwerkerhauses an der Oberen Grasstraße verbreitet. Worauf heftige Diskussionen über die anscheinend beispiellose Geldgier der Immobilienspekulanten entbrannten.

Denkmalgeschütztes Haus zerstört
:Illegaler Abriss in Giesing: Dem Bauherrn droht hohes Bußgeld

Nach der Zerstörung eines denkmalgeschützten Hauses will die Stadt "mit aller Härte gegen die Verantwortlichen vorgehen".

Von Alfred Dürr und Hubert Grundner

Allerdings bedarf es inzwischen eben schon eines solchen Ausmaßes an Dreistigkeit wie in diesem Fall, dass dies noch quer durch die Stadtgesellschaft Reaktionen auslöst. Denn längst haben sich die Bürger - auf niedrigerem Niveau - an ein anderes, ebenfalls schäbiges Ritual gewöhnt.

Monat für Monat etwa legen in den Bezirksausschüssen die Baumschutzbeauftragten ihre Berichte vor. Meist geht es darum, ob im Zuge von Bauvorhaben Bäume gefällt werden dürfen. Und meist berichten die Beauftragten von Fällen, in denen den Bauherren die Antwort nicht interessiert hat - eine Eiche, Buche oder was auch immer musste zum Beispiel einem Anbau weichen. Die Reaktion der Lokalpolitiker erschöpft sich oft in einem Schulterzucken.

Und so geht es weiter, vor allem bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen: Da machen Spaß-Guerillas rund um die Uhr möglichst viel Lärm und Dreck im Haus. In einem anderen Haus geht bei der Sanierung zufällig die Heizung kaputt. Oder es wird kurz vor einem Gewitterregen das Dach abgedeckt - und dann übers Wochenende vergessen. So vertreibt man Mieter.

Diese Beispiele passierten im Übrigen gar nicht weit vom Ort des jüngsten Skandals mit dem zerstörten Giesinger Baudenkmal. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Kampfansage an die Gesellschaft. Empörung wird als Antwort darauf nicht genügen. Es braucht ein schärferes rechtliches Instrumentarium.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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