Versicherung im Ausland:Gefährliche Routine

Wie Firmen ihre Mitarbeiter im Ausland vor Entführung, Krankheit und Terror schützen können. Und welche Leistungen die Policen abdecken.

Von Nina Nöthling

Die Vorsorge ist meistens ganz einfach. Um sich in Mexiko oder einem anderen für Entführungen bekannten Land zu schützen, müssen Mitarbeiter von ausländischen Unternehmen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Beispiel Abholung am Flughafen: Ein Schild mit dem Namen des Gastes, vielleicht noch mit dem Firmennamen, ist eine Einladung an potenzielle Entführer, die permanent die Flughäfen beobachten. Beispiel Weg zum Arbeitsplatz: Nicht immer zur selben Zeit losgehen, die Route wechseln.

Das raten Experten, die sich professionell mit Entführungen befassen. "Je mehr ein potenzielles Opfer einer Routine folgt, desto leichter ist es für den Entführer", sagt Peter Bensmann, Chef des Münsteraner Spezialanbieters Hansekuranz Kontor.

Bensmann verkauft im Auftrag großer Versicherer Spezialdeckungen für Entführungen, Erpressungen, Belastungen durch Katastrophen und Verbrechen. Die wichtigste Leistung der Versicherer ist dabei das Organisieren von praktischer und psychologischer Hilfe für die Betroffenen.

Operations at a Mumbai Metro Rail Corp. Tunnel Excavation Site

Sicherheitsinstruktionen in Mumbai: Eine gute Vorbereitung für den Auslandsaufenthalt ist empfehlenswert.

(Foto: Dhiraj Singh/Bloomberg)

Wer eine Naturkatastrophe oder einen Terrorangriff erlebt, leidet selbst dann, wenn er nicht unmittelbar körperlich betroffen ist. Im Ausland kann es in so einem Fall schwierig sein, Hilfe zu bekommen: Der Betroffene spricht die Sprache nicht, oder die psychologische Betreuung ist nicht Teil des lokalen Gesundheitssystems. Deshalb werden für Firmen Policen, die über reine Entführungs- und Erpressungsrisiken hinausgehen, immer wichtiger.

Bensmann bietet eine Spezialpolice an, die neben finanziellen Schäden durch Evakuierungen oder Terrorismus auch die Bereitstellung eines Traumatherapeuten versichert. Die Police gilt sowohl für direkte Opfer als auch für indirekte, die als Beobachter ein schreckliches Ereignis erleben. Über das rund um die Uhr geöffnete Servicecenter kann ein Psychologe angefordert werden, der innerhalb von zwei Stunden bei dem Betroffenen sein kann, erklärt Bensmann. "Diese Policen sind mittlerweile mehr gefragt als Entführungs- und Lösegeldpolicen." Dabei werden sie öfter für die Belegschaft als für die Führungskräfte abgeschlossen, sagt er. Das liegt daran, dass manche Vorstände gar nicht mehr reisen und die übrigen besser geschützt sind, vor allem durch eigene Sicherheitsleute.

Zur Police gehören auch spezielle Trainings für den Ernstfall

In Deutschland verbietet die Finanzaufsicht Bafin es bislang, für Entführungs- und Lösegeldversicherungen zu werben, in der Branche meistens als Kidnap & Ransom oder KR abgekürzt. Sie fürchtet, dass so Entführer überhaupt erst auf die Idee gebracht werden, lohnende Entführungsziele auszuwählen. Allerdings hat die Behörde angekündigt, das Verbot im Bereich Cyber-Erpressung zu lockern. Anders als manche Versicherer erwartet Bensmann nicht, dass die Bafin die Änderung auch auf andere Bereiche ausweiten wird.

Im Kern der Police steht das Krisenmanagement. Dazu gehört nicht nur die Hilfe in kritischen Situationen, sondern auch die Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt durch Trainings. "Gerade der Mittelstand braucht diese Unterstützung, denn die Firmen haben das nicht selbst, anders als die Dax-Konzerne", sagt Bensmann. Im Vordergrund steht ganz klar die Prävention, meint auch Walfried Sauer, Inhaber der Result Group, eines Beratungsunternehmens für globales Risiko- und Krisenmanagement. "Dazu zählt unter anderem die Erstellung eines Krisenplans sowie Training für die Mitarbeiter", sagt Sauer. "Je besser ich im Vorfeld auf so eine Situation eingestellt bin, desto professioneller ist die Reaktion im Ernstfall", erklärt er. Bei dem Training lernen Mitarbeiter zum Beispiel, im Entführungsfall aus einem Auto auszusteigen, ohne dabei den Entführer durch hektische Gesten noch weiter zu reizen.

Konzerne versichern

Verantwortlich: Peter Fahrenholz Redaktion: Katharina Wetzel Anzeigen: Jürgen Maukner

Auch bei der Auslandskrankenversicherung spielen Assistance-Leistungen eine entscheidende Rolle, erklärt Rainer Elsmann, Vertriebsdirektor bei dem Spezialmakler Dr. Walter. Unternehmen sind dazu verpflichtet, für ihre Mitarbeiter im Ausland alle medizinischen Kosten zu übernehmen. Dabei muss die Behandlung gleichwertig sein mit der in Deutschland. Deshalb muss der Arbeitgeber eventuell auch für einen Dolmetscher aufkommen, damit der Angestellte sich überhaupt mit den Ärzten unterhalten kann. "Während ein großer Konzern die Kosten vielleicht noch selbst stemmen kann, sind sie für kleine und mittelständische Unternehmen oft eine Katastrophe", sagt Elsmann. Bei Auslandkrankenversicherungen sind Assistenzleistungen wie Übersetzer mitversichert. "So eine Police kostet pro Mitarbeiter rund 25 Cent am Tag."

Viele Unternehmen kaufen eine Auslandskrankenversicherung für ihre Mitarbeiter nur dann, wenn diese in entfernte Regionen fahren wie Asien oder Afrika, sagt Elsmann. "Das ist ein Problem." Denn auch im europäischen Ausland übernimmt die Krankenkasse nur die Kosten für Leistungen, die das lokale System zahlen würde. Ein Rücktransport ist selten versichert. "Auch wenn die Aufenthalte nur in Europa sind, macht eine solche Police schon allein wegen des Rücktransports Sinn", sagt Elsmann.

Ist die normale Gesundheitsversorgung am Ort nicht gut, können Firmen für ihre Mitarbeiter eine internationale Krankenversicherung abschließen. "Sie ähnelt einem PKV-Vertrag, ist aber deutlich günstiger, weil der Aufbau der Altersrückstellung wegfällt." Er warnt aber, dass auch eine private Versicherung (PKV) nicht ausreicht. Die PKV richtet ihre Leistungen nach der Gebührenordnung in Deutschland. "In vielen Ländern liegen die Kosten für medizinische Behandlungen jedoch weit über denen der deutschen Gebührenordnung", erklärt er.

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