Bundestagswahl:Christian Lindner, der Schreck der europäischen Finanzmärkte

FDP-Wahlkampfveranstaltung in Dresden

FDP-Chef Christian Lindner: Seine Partei vertritt unter den möglichen Koalitionspartnern die härteste Haltung gegenüber Griechenland und dem Euro-Stabilitätspakt.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)
  • Für die Finanzmärkte ist der Ausgang der Bundestagswahl nicht mit viel Risiko verbunden.
  • Eine Ausnahme ist nach Ansicht des Vermögensverwalters Blackrock aber die FDP. Sie könnte für die Anleihenmärkte und damit auch für den Euro eine beträchtliche Gefahr darstellen.

Von Harald Freiberger

Die Bundestagswahl scheint für die Wirtschaft schon gelaufen. Egal zu welcher Regierungskonstellation es kommt, ob große Koalition von Union und SPD, Schwarz-Gelb oder Jamaika (plus grün) - die Experten sehen keinen Grund zur Aufregung. Die Ratingagentur Moody's stellte kürzlich fest, dass die Wahl die Bonität Deutschlands und seiner großen Unternehmen nicht berühre. Typisch auch eine Studie der Schweizer Großbank UBS, die allenfalls "moderate Folgen für die Wirtschaft" sieht.

"Es ist der Eindruck eines uninspirierten, langweiligen Wahlkampfes entstanden, der für die Finanzmärkte irrelevant ist", sagt Martin Lück, der bei Blackrock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, die Kapitalmarktstrategie für Deutschland und andere europäische Länder verantwortet. Weitgehend treffe dies auch zu. In einem wichtigen Punkt schränkt Lück diese Aussage allerdings ein: Es gebe ein beträchtliches Risiko für die Anleihenmärkte, und dieses Risiko gehe von der FDP aus.

Für Italien könnte die Politik der FDP dramatisch werden

"Die FDP will Griechenland aus dem Euro ausschließen, sie ist für eine strikte Einhaltung des Fiskalpakts und ein scharfer Gegner einer Transferunion", sagt Lück. Die weiche Auslegung solcher Fragen habe die Lage an den Anleihenmärkten seit 2012 beruhigt. Wenn die deutsche Bundesregierung unter Beteiligung der FDP hier auf der strikten Einhaltung von Prinzipien beharre, könnte die europäische Schuldenkrise zurückkehren.

"Die Spreads für italienische Staatsanleihen könnten sich dann von derzeit 160 Basispunkten auch wieder auf jene 270 Punkte ausweiten, die sie schon einmal erreicht haben", sagt er. Der Spread ist der Unterschied in der Rendite von zehnjährigen Staatsanleihen Italiens gegenüber Bundesanleihen gleicher Laufzeit und gilt als Barometer für das Ausmaß der europäischen Schuldenkrise. 270 Basispunkte bedeuten, dass Investoren einen Risikoaufschlag von 2,7 Prozentpunkten gegenüber Deutschland verlangen. Das wäre deshalb dramatisch, weil Italien kaum in der Lage wäre, für seine Schulden so hohe Zinsen zu zahlen.

Dass es wirklich so weit kommt, ist für Blackrock zwar nicht ausgemacht. "Eine große Koalition ist unser wahrscheinlichstes Szenario", sagt Lück. Aber immerhin bestehe eine gewisse Restwahrscheinlichkeit für Schwarz-Gelb, dann etwa, wenn die FDP bei der Wahl gegenüber den Umfrageergebnissen von derzeit acht bis neun Prozent zulege. "Wird das Ergebnis zweistellig, dürfte Parteichef Christian Lindner bei etwaigen Koalitionsverhandlungen selbstbewusst auftreten und seine Forderungen versuchen durchzusetzen", sagt Lück. Die Union kommt in Umfragen gegenwärtig auf 38 bis 39 Prozent.

Von einer Neuauflage der großen Koalition droht ein solches Szenario nicht. Schließlich haben CDU/CSU und SPD sich in einem relativ moderaten Kurs gegenüber den europäischen Schuldenstaaten eingerichtet. "Unseres Erachtens würde Bundeskanzlerin Angela Merkel deshalb auch lieber weiter mit der SPD regieren als mit der FDP", sagt Lück. Das böte mehr Gestaltungsmöglichkeiten mit Blick auf Europa, die Bundesregierung könnte eine Achse mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bilden und den südeuropäischen Staaten eher entgegenkommen. Mit der FDP wäre dies kaum möglich.

"Die meisten Wahlbeobachter haben das nicht auf dem Schirm."

Eine schwarz-gelbe Koalition ist zwar die unwahrscheinlichere Variante, gerade deshalb birgt sie aber mehr Zündstoff. "Die meisten Wahlbeobachter haben dieses Risiko für die Anleihenmärkte nicht auf dem Schirm, auch nicht im Ausland", sagt der Blackrock-Experte. Sollte die FDP in die Regierung kommen, könnte es deshalb zu einer überraschend starken Marktreaktion kommen. Viele internationale Investoren würden erst dann wahrnehmen, wie viel Zündstoff im Wahlprogramm der FDP stecke.

Bei anderen Anlageklassen trifft nach Ansicht von Blackrock der allgemeine Eindruck dagegen zu: Die Kurse von Euro, Gold oder Aktien werden derzeit von anderen Faktoren getrieben, nicht jedoch vom Ausgang der Bundestagswahl. So gebe es "eine leichte Evidenz, dass eine Koalition, die von der Union angeführt wird, für die Aktienkurse besser ist", sagt Lück. Allerdings sei diese immer schwerer nachzuweisen, auch weil sich die Unterschiede zwischen Union und SPD verwischt haben.

Die CDU ist unter Merkel in die Mitte gerückt, die SPD machte unter Kanzler Gerhard Schröder die marktorientierten Hartz-IV-Reformen, gleichzeitig setzte die SPD in der letzten Legislaturperiode in der großen Koalition als kleiner Partner "linke" Projekte wie den Mindestlohn, die Rente mit 63 oder die Mietpreisbremse durch. Was Aktien betrifft, ist es da fast egal, wer in der Regierung den Ton angibt. Bei Anleihen ist es klarer, zumindest in einer Konstellation: Wenn es Griechenland-Schreck FDP in die Regierung schafft.

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