Kunst:Direktorin einer 200-Millionen-Dollar-Stiftung - und jetzt Galeristin in München

Kati Loveaas in ihrer Gallerie in der Fürstenstraße 6

"Ich bin zwar 60 Jahre alt, aber ich habe die Seele einer 24-Jährigen", sagt Kati Lovaas. Es stimmt: Sie wirkt jünger, in jeder Hinsicht.

(Foto: Florian Peljak)

Kati Lovaas, Kunstberaterin für Superreiche, hat fast ihr ganzes Leben in den USA verbracht. Dann erbte sie ein Haus in Bayern, ließ sich scheiden und flüchtete vor Donald Trump.

Von Gerhard Fischer

Die Galerie Lovaas hat in den vergangenen Wochen sehr viel Post bekommen. Knapp 20 Künstler aus der ganzen Welt haben Pakete, Briefe, verpackte Kunstgegenstände oder Gemälde in die Fürstenstraße nach München gesandt, und der Inhalt wird seit diesem Donnerstag ausgestellt. Kati Lovaas hatte vorher keine Ahnung, was da alles kommen würde. "Aber es ist egal", hatte sie vor einigen Wochen gesagt, "wir stellen auch eine alte Weißwurst aus, wenn sie eine schicken." Es wurde leider keine alte Weißwurst geschickt.

Kati Lovaas' Tochter Kristina und Alana Alireza haben das Projekt "Mail Order Express" - also Kunst per Post - initiiert. Beide arbeiten auch in der Galerie, die Kati Lovaas im Oktober 2016 in einem Haus eröffnet hat, das eine ganz eigene, verwinkelte Geschichte hat. So wie Lovaas eine ganz eigene, verwinkelte Geschichte hat.

Kati Lovaas, 60, hat fast ihr ganzes Leben in den USA verbracht. Sie ist dort eine sehr bekannte Kunst-Beraterin. "Ich habe die Kunstsammlungen für die 0,01 aufgebaut", sagt sie. Die 0,01 - das sind die Superreichen. Jene, die sich teure Kunst leisten können. Die Milliardäre. Kati Lovaas nennt sie "die 0,01", weil das nicht so angeberisch klingt.

Ihre Mutter ist in dem Haus in der Fürstenstraße aufgewachsen

Erst als sie das Haus in München erbte, ist sie in das Heimatland ihrer Eltern gezogen; im vergangenen Jahr ist das gewesen.

Wer mit Kati Lovaas Kontakt aufnimmt, merkt schnell, dass er einen lustigen, sprunghaften, extrovertierten Menschen kennenlernen wird. Schon am Telefon ist vieles "amazing", "nice" und "great". Das ist wohl ein bisschen amerikanisch, ein bisschen Kunstszene und ein bisschen Kati Lovaas' Charakter.

In der Galerie Lovaas kommt sie dann mit großem Tempo auf einen zu; ihr kleiner Hund kann da nicht mithalten. Frodo läuft stets ein paar Schritte hinter ihr, wie ein Prinzgemahl hinter einer Königin. Aber Lovaas bewegt sich nicht bloß schnell, anfangs redet sie auch so hastig, dass man den Eindruck bekommt, da bewege sich jemand atemlos durch den Tag.

Zunächst geht es um München. Um ihren Bezug zu dieser Stadt. Um die Chance, die sie bietet. "Ich bin ja eigentlich Anwältin und habe nach dem Studium schon fünf Jahre in München gewohnt und als Juristin gearbeitet", sagt sie. "Ich habe das Privileg, dass ich beides haben kann - Deutschland und Amerika." Erst gestern habe sie mit einem Freund über Trump gesprochen und ihn gefragt, wie er denn in den USA leben könne. "Aber er hat nicht die Wahl - ich habe die Wahl", sagt sie.

Es gab mehrere Gründe, weshalb Kati Lovaas im letzten Jahr nach Deutschland gezogen ist, sie nennt es "The Perfect Storm". Ein Grund war eben Trump, beziehungsweise das gesellschaftliche Klima, das diesen eigenartigen Menschen an die Macht gespült hat. "Antisemitismus, Rassismus - wo ich meinte, es seien unglaubliche Fortschritte gemacht worden, ist es deutlich schlechter geworden", sagt sie. "Es werden Schwulenwitze und Judenwitze gemacht, das ist indiskutabel, das will ich nicht in meiner Gegenwart hören." Man höre das sogar an den Unis; zwei ihrer Kinder sind an amerikanischen Universitäten.

Ein zweiter Grund für den Umzug war, dass sie sich scheiden ließ. Und drittens erbte sie das Haus in München.

Wie Loovas das Haus geerbt hat

Der schöne, große, gelbe Altbau in der Fürstenstraße 6 gehörte einst ihrem Großvater. "Die Nazis haben ihm zwei Häuser weggenommen und dafür dieses Haus gegeben, das früher einer jüdischen Familie gehörte", erzählt Kati Lovaas. "Nach dem Krieg hat es der Großvater aus dem Entschädigungsfonds für jüdisches Eigentum quasi noch einmal rechtmäßig erworben." Kati Lovaas ist schon wichtig, das zu erwähnen: dass sich ihr Opa - auch wenn ihm zwei andere Häuser genommen wurden - das Haus der jüdischen Familie nicht einfach unter den Nagel gerissen hat.

Lovaas' Mutter ist in diesem Haus in der Fürstenstraße aufgewachsen, später betrieb sie dort eine Buchbinderei. Aber ihr Mann, ein Mediziner, wollte sich in den USA weiterbilden, und so zog sie mit ihm in die Vereinigten Staaten. "Mein Vater wurde dort ein sehr erfolgreicher Arzt und ein 150-prozentiger Amerikaner", sagt Kati Lovaas, "aber für meine Mutter war es, glaube ich, sehr schwer - sie war eine echte Münchnerin."

Die Mutter starb vor ein paar Jahren, ein Onkel ebenso - und das schöne Haus in der Fürstenstraße ging auf die nächste Generation über, auf Kati Lovaas, ihren Bruder und zwei Cousins. Der Bruder war nicht interessiert an dem Gebäude, er wohnt in Montana und hat keinen Bezug zu Deutschland. "Und die beiden Cousins, die in Deutschland leben, wollten keine Schulden aufnehmen, um die anderen Erben auszulösen", sagt sie und macht eine kurze Kunstpause, an deren Ende sie lächelt. "Ich schon - ich bin sehr risikofreudig."

Sie ist in das schöne, große, gelbe Haus eingezogen und hat im Erdgeschoss eine Galerie eröffnet. Und sie hat es nicht bereut. "Alle haben mich sehr nett aufgenommen, in München ist alles gut", sagt sie, "und sogar die Mieten sind nicht teuer." Sie zwinkert mit dem rechten Auge. Der zweite Teil des Satzes war natürlich ein Scherz; Kati Lovaas ist jetzt etwas lockerer und ruhiger als am Anfang.

"Hier ist in der Kunstszene eine Menge los", fährt sie fort, "es gibt viele Leute, die sich interessieren, super Museen, einen sehr guten Kunstverein, die Sammlung Goetz und andere Galerien, die tolle Ausstellungen machen." Und die Kunst werde von der Stadt München "unglaublich gefördert". Das gebe es in den USA "so gut wie gar nicht mehr".

Die Galerie Lovaas soll ein bisschen anders sein. "Die traditionellen Galerien repräsentieren einen Künstler und sind für dessen ganze Karriere zuständig", sagt Kati Lovaas. Ihre Galerie sei hingegen "nur" ein Ausstellungsraum. "Das erlaubt uns, flexibler und internationaler zu arbeiten", sagt sie. "Ich will kurzfristig Dinge machen, die jetzt interessant sind."

Im Frühjahr stellten Thomas Huber und Wolfgang Aichner in der Galerie Lovaas aus. Sie zeigten eine riesige Bank, die sie auf der Ostsee treiben ließen, oder ein rotes Boot, das sie über die Alpen nach Venedig geschafft hatten. "Ein Griechisch-Münchner Sammler" habe die große, grüne Bank von Aichner und Huber gekauft, sagt Lovaas.

"Die Leute bestellen ja heute alles per Post, sogar das Essen"

Ein Paketbote kommt vorbei. Lovaas öffnet ihm. Ist das ein Paket von einem der 20 Menschen, die ihr Kunst zuschicken? Sie lächelt. "Ich glaube nicht", sagt sie.

Kati Lovaas nimmt den Besuch des Boten zum Anlass, noch einmal über das Projekt "Mail Order Express" zu reden, das seit diesem Donnerstag in der Galerie zu sehen ist. "Die Leute bestellen ja heute alles per Post, sogar das Essen", sagt sie. "Kunst wird normalerweise auf ein Podest gestellt und mit weißen Handschuhen angefasst - mit unserem Projekt wird sie auf eine Ebene gestellt, wo sie wie alles andere behandelt wird."

Und diese Kunst könne sich durch den Postversand auch verändern. "Der Künstler Wallead Beshty hat zum Beispiel mal Plexiglas in der Größe einer Fed-Ex-Box in einer Fed-Ex-Box verschickt", erzählt Lovaas. "Das Plexiglas hat dann einen Riss bekommen - das ist die Verwandlung der Kunst."

Sie ist die Direktorin einer 200 Millionen Dollar schweren Kunststiftung in New York

Kati Lovaas mag solche Sachen. "Ich bin 60, aber ich habe die Seele einer 24-Jährigen", sagt sie. Eigentlich sagte sie: "I am 60 - with the soul of a 24 years old." Obwohl sie sehr gut Deutsch spricht, wechselt sie manchmal ins Englische. Und es stimmt: Sie wirkt jünger, in jeder Hinsicht.

Kati Lovaas lässt auch Künstler in ihrem mehrstöckigen gelben Haus wohnen. Sie sagt, sie wolle das teure München für diese Leute billiger machen. "In diesem Jahr hatte ich acht Kino-der-Kunst-Künstler hier", sagt sie. Das Filmfestival "Kino der Kunst" verbindet Kino mit Ausstellungen, Videos und Installationen.

Geld bekommt sie aus Verkäufen von ausgestellten Kunstwerken - und davon, dass sie die Ausstellungsräume vermietet. Firmen machten dort ihre Partys, zum Beispiel. Das ungarische Konsulat veranstaltete eine "Lange Nacht der Musik". Juweliere stellten ihre Ware aus. "Es ist schon nicht schlecht, dass die Galerie in schwarzen Zahlen ist", sagt sie. "Auch wenn das Kommerzielle nicht der Hauptgrund ist, weshalb ich das hier mache."

Kati Lovaas ist natürlich auch noch häufig in den USA. Sie ist die Direktorin einer 200 Millionen Dollar schweren Kunststiftung in New York, und sie arbeitet dort auch weiterhin als Kunst-Beraterin. In München macht sie das noch nicht; sie müsste mehr netzwerken. "Ich müsste mehr ausgehen, als ich möchte", sagt sie.

Nicht alles, was mit Kunst zu tun hat, kommt per Post zu Kati Lovaas.

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