Rentendebatte im Wahlkampf:Österreichs Rente auch in Deutschland? Bloß nicht!

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Die österreichischen Renten sind im Schnitt deutlich höher als die deutschen - aber sollte sich deshalb hierzulande etwas ändern? (Foto: Jeff Sheldon)

Eine Wählerin will im Fernsehen von Kanzlerin Merkel wissen, warum es hierzulande keine "Bürgerversicherung" gibt wie im Nachbarland. Der Grund: Damit wäre rein gar nichts gewonnen.

Kommentar von Nikolaus Piper

Fernsehen taugt nicht für die Darlegung komplizierter Zusammenhänge. Am Donnerstag zum Beispiel, in der ZDF-Sendung "Klartext", konfrontierte Petra Vogel, stellvertretende Bezirksvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt in Bochum-Dortmund, die Bundeskanzlerin mit dem Thema Rente. Vogel (sie wurde in der Sendung einfach als "Putzfrau" vorgestellt) wollte wissen, warum Merkel nicht einfach eine "Bürgerversicherung" mit auskömmlichen Renten für alle einführe, so wie sie die Österreicher hätten.

Das klang gut, verunsicherte die Kanzlerin und führte elegant hin zum Programm der Linkspartei. Deren Wahlkämpfer versprechen genau dies: eine "Gerechtigkeitswende" und österreichische Verhältnisse für alle. Grund genug, sich diese Verhältnisse einmal genauer anzusehen.

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Es stimmt, die österreichischen Renten sind im Durchschnitt wesentlich höher als die deutschen, das Land hat auch eine einheitliche Pensionsversicherung. Nur haben die beiden Dinge nichts miteinander zu tun.

Der Preis, den die Österreicher für ihre hohen Renten zahlen, ist eine der höchsten Abgabenquoten der Welt. Zusätzlich werden sie als Steuerzahler herangezogen: 14 Prozent des Bundeshaushalts (in Deutschland 10,3 Prozent) gehen an die Pensionskasse. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist dies das Fünffache dessen, was die Wiener Regierung für Universitäten ausgibt. Und weil der Steueranteil immer weiter steigt, halten die meisten Experten, darunter die des Internationalen Währungsfonds, das österreichische System für nicht nachhaltig. Deshalb debattiert das Nachbarland über Pensionsreformen in Permanenz.

Würde man der Linken mit ihrer Begeisterung für Österreich folgen und eine "Erwerbstätigenversicherung" einführen, in die auch Freiberufler, Beamte und Bundeskanzlerinnen einzahlen, dann wäre für die Rente überhaupt nichts gewonnen, im Gegenteil. Weil Beamte im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung haben als der Rest der Bevölkerung, sind sie relativ teure Ruheständler. Zudem wäre der Staat auf Jahre hinaus doppelt belastet. Er müsste weiter die Altersbezüge der bisherigen Beamten zahlen und gleichzeitig die Sozialbeiträge für die neuen. Das wäre zwar nur ein Übergangsphänomen, aber eines, das 50 Jahre dauern kann.

Das Modell der Linken kann nur dann funktionieren, wenn, so wie gefordert, die Bemessungsgrundlage entfällt. Wenn also Besserverdiener (und nicht nur Superreiche) immer mehr in die Rentenkasse zahlen und dafür immer weniger bekommen, wenn sie selber alt sind. Das Ganze wäre eine gigantische Umverteilung von den heute gut verdienenden Jungen zu den Alten, armen wie reichen. Aber erklären Sie das mal im Fernsehen.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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