Ökologisch wohnen:My Home is my Schachtel

Tumbleweed Houses

In Tiny Houses reduziert man sich auf das Wesentliche.

(Foto: Tumbleweed Tiny House Company)

Glücklich auf 28 Quadratmetern: In vielen Ländern gelten Mini-Häuser als Wohnform der Zukunft. Auch in Bayern gibt es immer mehr Interessenten. Doch der Traum vom Verzicht scheitert noch an der Bürokratie.

Von Anna Dreher

Sie hatte irgendwann einfach keine Lust mehr. Auf das ständige Aufräumen, das scheinbar nie endende Putzen und so viele Quadratmeter - ganz für sich alleine seit die Kinder ausgezogen waren. Wozu das alles? Monica Hölldobler wollte freier sein, mehr Zeit haben. Also ergoogelte sie sich vor drei Jahren ein neues Leben und fand es auf 28 Quadratmetern. So klein ist ihr neues Haus, ein Tiny House. Früher war allein ihre Küche größer. "Aber ich möchte gar nicht mehr anders leben", sagt Hölldobler. "Die Nähe zur Natur und die Einfachheit machen es so schön."

Tiny Houses sind, wie der Name schon verrät, kleine Häuser. Man könnte auch sagen: sehr kleine Häuser oder wirklich ganz kleine Häuser. Je nach Betrachtungs- und Bauweise. Eine feststehende Norm oder Definition fehlt bislang. Es braucht sie aber eigentlich auch gar nicht. Architektur heißt Kreativität, auch in Miniaturform - vielleicht gerade da. Welche Größe Tiny Houses haben sollten und wie sie auszusehen haben, kann jeder, der eines bauen oder bauen lassen will, selbst entscheiden. Die Wohnfläche beträgt meist zwischen 35 und 95 Quadratmetern. Allen gemeinsam ist die Reduzierung aufs Wesentliche.

Monika Hölldobler hat sich damals mehrere Modelle angeschaut, bevor sie sich entschied und mit ihrem Tiny House auf ein Pachtgrundstück in die Nähe von Würzburg zog. Ihren Besitz verkaufte oder verschenkte sie, was sie behalten wollte, passt nun in 26 Umzugskartons. "Am Anfang war das schon hart, aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, endlich wieder frei atmen zu können", sagt die 57-Jährige. "Ich gehe leichter durchs Leben."

In den USA ist genau aus diesem Gedanken eine gesellschaftliche Bewegung entstanden, das Tiny oder Small House Movement. Historisch betrachtet wollte der Mensch immer mehr Fläche besitzen, auch zum Wohnen: je größer das Haus, desto besser. Inzwischen aber versuchen immer mehr Menschen, mit weniger auszukommen und ziehen es vor, in einem kleinen, sehr kleinen oder wirklich ganz kleinen Haus zu leben. Vor allem Anhänger des Minimalismus finden sich in dieser Wohnform wieder. Für sie bedeutet weniger Besitz mehr Freude und Freiheit.

Ihr Lebensstil, der Alternativen zur kritisch betrachteten konsumorientierten Gesellschaft sucht, passt zu der individuellen und kostensparenden Wohnidee der Tiny oder Small Houses. Beispiele dafür gibt es viele, vor allem vielfältige. Von Modellen, die wie Hexenhäuschen aussehen oder containerartigen und flexibel erweiterbaren Gebilden hin zu klassischen, modernen oder futuristischen Bauten - weltweit scheint auf diesem Gebiet eine architektonische Spielwiese entstanden zu sein, auf der sich jeder austoben kann, ohne dass die Funktionalität verloren geht.

Auch in Deutschland interessieren sich mehr Menschen für diese Form der verkleinerten Wohnfläche, wenn auch wesentlich weniger als in anderen Ländern. Und es ist schwer, sie zu finden. Viele haben auf dem Weg zu ihrem Haus Probleme bei der Umsetzung und wollen nicht zu viel Aufsehen erregen bis der Traum Wirklichkeit ist. "Die Bewegung ist hier noch jung und zurückhaltend, weil die Behörden darauf noch nicht reagiert haben. Es gibt keine klaren Abläufe der Legitimierung", sagt Christoph Lang, der mit seiner Firma GoTiny kleine Häuser baut.

"Viele sind des Konsumzwangs und der hohen Mietpreise überdrüssig"

Etwa 50 Interessenten aus ganz Deutschland sind seit Mai bei ihm in Oberbayern gewesen, weil er hierzulande noch eine Marktlücke bedient. "Viele sind des Konsumzwangs und der hohen Mietpreise überdrüssig", sagt Lang. "Aber wer nicht als Dauercamper leben will, muss sich noch darauf einstellen, dass irgendwann ein Mitarbeiter vom Amt sagt: Das Haus darf hier leider nicht stehen. Ich denke aber, dass sich das ändert." Bislang gebe es noch die Möglichkeit einer temporären Baugenehmigung, die man aber auch erst mal bekommen müsse.

Schwierig wird es vor allem dann, wenn das Tiny House nicht als Hotel oder privates Feriendomizil, sondern als erster Wohnsitz gedacht ist - wie bei Monika Hölldobler. Das Landratsamt wollte ein Standfestigkeitsgutachten und hatte Probleme bei der Kategorisierung, der Prozess zog sich in die Länge. "Dabei lebe ich wie in einem ganz normalen Haus und bin an das Versorgungsnetz angeschlossen", sagt sie. "Laut Verordnung ist es ein fester Bau." Gemeinde oder Nachbarn waren aufgeschlossen, nicht, wie sie es bei anderen mitbekommen hat. Daran würden die meisten scheitern. In Bayern könne sie andere Kleinhausbesitzer - auch deswegen - an den Händen abzählen, Interessenten aber gebe es viele: "Manchmal frage ich mich, ob an meiner Tür ein Schild zur Musterhausbesichtigung hängt."

Mieten und Baugrund werden teurer und sind begehrt, und so sind Alternativen gefragt. Auch, weil sich Lebensformen verändern. Warum soll ein Ehepaar nach dem Auszug der Kinder auf 160 Quadratmetern leben? Oder ein alleinstehender Mann? "Das traditionelle, konventionelle Wohnen wird Stück für Stück abgebaut. Die Menschen sind weniger sesshaft", sagt die Architektin Lydia Haack, Mitglied im Vorstand der Bayerischen Architektenkammer. "Da hat ein gesellschaftliches Umdenken begonnen, das auch Auswirkungen auf die Architektur haben wird."

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