Das Wunder der Vesna Vulovic:Die Zehn-Kilometer-Lüge

1972 soll die Stewardess Vesna Vulovic einen Flugzeug-Absturz aus 10.000 Metern Höhe überlebt haben. Aber war das "Weltwunder" vielleicht nur ein Schwindel der Geheimdienste?

Enver Robelli

Als die Stewardess Vesna Vulovic vor 37 Jahren einen Flugzeugabsturz überlebte, sprachen die Medien nur von einem "Weltwunder". Die Maschine der jugoslawischen Airline JAT war damals unweit des tschechischen Dorfes Srbská Kamenice (Windisch Kamnitz) zerschellt.

Das Wunder der Vesna Vulovic: Reagierte empört auf die Spekulationen: die Stewardess Vesna Vulovic, die einen Sturz aus 10.000 Metern Höhe überlebt haben soll.

Reagierte empört auf die Spekulationen: die Stewardess Vesna Vulovic, die einen Sturz aus 10.000 Metern Höhe überlebt haben soll.

(Foto: Foto: AFP)

Beim Unglück nahe der Grenze zur damaligen DDR starben 27 Menschen, die schwerverletzte Flugbegleiterin Vulovic aber wurde aus den Trümmern geborgen und danach in der Presse gefeiert. Nach offiziellen Angaben war das Passagierflugzeug, eine DC-9, von einer Bombe in einer Flughöhe von mehr als 10.000 Metern auseinandergerissen worden. Die Maschine befand sich an jenem 26. Januar 1972 auf dem Flug von Stockholm nach Zagreb - mit Zwischenhalt in Kopenhagen. Die Geschichte des Mädchens, das ohne Fallschirm vom Himmel fiel und überlebte, ist bis heute im Guinnes-Buch der Rekorde eingetragen.

Nun behaupten ein tschechischer Journalist und ein ARD-Korrespondent aus Prag, dass das JAT-Flugzeug von der tschechoslowakischen Luftwaffe versehentlich abgeschossen worden sei. Der Mythos vom Fall aus über zehn Kilometern Höhe könnte demnach ein Schwindel der Geheimdienste sein. Die Maschine sei nicht wegen einer Bombenexplosion abgestürzt, sondern einige hundert Meter über dem Boden zerbrochen.

Die beiden Journalisten haben nach eigenen Angaben mit Zeugen gesprochen, Akten studiert und festgestellt, dass die Geschichte vom spektakulären Sturz der Stewardess Vesna Vulovic erfunden worden sei, um vom Skandal abzulenken. Doch auch nach jahrelangen Recherchen räumt der ARD-Journalist Peter Hornung ein, dass es für einen Abschuss des JAT-Flugzeuges keine Beweise gebe, nur Indizien. Entscheidende Dokumente seien vernichtet worden, so Hornung.

Die tschechische Luftfahrtbehörde wies die Enthüllungen als Spekulation zurück und lehnte eine Stellungnahme ab. Angeblich soll die tschechoslowakische Luftabwehr die Maschine beschossen haben, als sie vom Kurs abkam und unweit eines Atomwaffenlagers flog.

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Die Zehn-Kilometer-Lüge

Vulovic reagierte in den serbischen Medien empört auf den Bericht. "Schreiben Sie, dass ich einen Sturz aus zehn Kilometern Höhe überlebt habe", sagte sie einem Reporter der Belgrader Tageszeitung Vecernje novosti. Die 59-jährige Rentnerin glaubt bis heute an die offizielle Version, wonach kroatische Nationalisten die Bombe in die Maschine geschmuggelt haben.

Nach dem Absturz hatten Anhänger der kroatisch-faschistischen Ustascha-Bewegung in Malmö gefeiert, als ein anonymer Anrufer die Verantwortung für den Anschlag übernahm. Ein Jahr zuvor war der jugoslawische Botschafter in Stockholm von kroatischen Emigranten erschossen worden, die für eine Loslösung Kroatiens aus der jugoslawischen Föderation kämpften.

Medienberichten zufolge galt der Anschlag auf die JAT-Maschine dem damaligen jugoslawischen Ministerpräsidenten Dzemal Bijedic, der beim Begräbnis des dänischen Königs gewesen war. Der Politiker war jedoch mit einem anderen Flugzeug in seine Heimat geflogen.

Vesna Vulovic kann sich an die Tragödie nicht erinnern. Auch deshalb wolle sie nicht mehr in den Medien sprechen. Die Nationalheldin wurde in den neunziger Jahren wieder berühmt, als sie sich gegen die Willkürherrschaft von Slobodan Milosevic engagierte. Bei den letzten Wahlen im vergangenen Mai unterstützte sie die prowestlichen Demokraten.

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