Plasberg zur Wahl:Vier Politiker finden einen Schuldigen

Titel: 'Die gerupfte Kanzlerin âē wie regieren nach dem Debakel der Volksparteien? '; Plasberg

Eigentlich sollte es bei Plasberg um die Kanzlerin gehen, doch bald diskutierten alle nur eine Frage: Welche Rolle haben die Medien am Aufstieg der AfD?

(Foto: © WDR/Oliver Ziebe; © WDR/Oliver Ziebe)

Wer den Erfolg der AfD zu verantworten hat? In dieser Frage sind sich die Gäste von "Hart aber fair" einig: Die Medien, natürlich! Doch wer die eigentlich sind, wird nicht klar.

TV-Kritik von Johanna Dürrholz

Am Ende der Sendung holt sich Moderator Frank Plasberg noch einen Tipp ab. "Wie hätten Sie es gemacht?", fragt er den Grünen-Politiker Robert Habeck. Das Dilemma: Hätte er AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland nach seinem Satz über die "Entsorgung" der Integrations-Staatsministerin Aydan Özoğuz noch in seiner Sendung auftreten lassen dürfen? Habeck hat da eine klare Haltung: Nein.

Das Thema der Sendung "Hart aber fair" an diesem Montagabend ist eigentlich ein ganz anderes: "Gerupfte Kanzlerin - wie regieren nach dem Debakel der Volksparteien." Aber darauf scheinen die vier Politiker in der Sendung wenig Lust zu haben. Sie reden lieber über eine andere Frage: Welche Schuld tragen die Medien am Aufstieg der AfD? Diese vier kennen die Antwort schon: eine gewaltige.

"Wir haben verstanden", stellt CSU-Frau Dorothee Bär gleich zu Beginn der Sendung fest. "Wir als Politiker und Sie in den Medien" hätten die "gesamtgesellschaftliche Aufgabe", deutlicher zu kommunizieren.

Der Vorwurf: Die eigentlich relevanten Themen seien kaum zur Sprache gekommen

Der Vorwurf von Bär: In den Medien, besonders in den TV-Debatten der Öffentlich-Rechtlichen, seien vornehmlich Themen besprochen worden, die die Wähler eigentlich nicht wirklich interessierten. Türkei und Außenpolitik etwa. Nicht aber Rente, Familie, Gesundheit, Digitalisierung. Das alles sei Fernsehen am Wähler und Zuschauer vorbei gewesen, sozusagen.

Das findet auch Katarina Barley, Noch-Familienministerin der SPD: "Was das sogenannte Duell angeht, da gebe ich der Kollegin Bär recht - das war eine absolute Zumutung." Themen, die die Menschen wirklich betreffen, seien nicht vorgekommen. Auch Alexander Graf Lambsdorff von der FDP stimmt in die Medienschelte ein: "Die machen einen auf AfD" habe er über seine Partei lesen und hören müssen in "der" Medienlandschaft. Dabei setze sich die FDP lediglich "demokratisch-konstruktiv" mit dem Thema Zuwanderung auseinander. Wie solle er denn über geordnete Zuwanderung noch offen reden können, ohne gleich in die AfD-Ecke gestellt zu werden?

Um die neue Einigkeit unter den vier Parteien perfekt zu machen, erklärt auch der Grüne Robert Habeck, es müsse nicht über "jeden Rülpser" der AfD berichtet werden.

Die "Har aber fair"-Redaktion war auf das Thema durchaus vorbereitet. In einem Einspiel-Film zeigt sie den CSU-Spitzenkandidaten Joachim Herrmann in der Elefantenrunde am Sonntagabend. Nachdem ewig lang nur über die AfD geredet wird, sagt er, die Öffentlich-Rechtlichen hätten die AfD "mit groß gemacht".

"Politik ist keine Casting-Show"

Fast 13 Prozent für die AfD, weil sie zu oft in Talkshows eingeladen wurden? Katharina Barley scheint das so zu sehen. "Politik ist keine Casting-Show", empört sie sich. Und meint wohl, dass in Talkshows auch Themen gesetzt werden: Oft gehe es um Migrations- und Flüchtlingspolitik. Und häufig würde die Gäste eingeladen, die am meisten Krawall versprechen. Dafür seien die Öffentlich-Rechtlichen nicht da, sagt Barley. Bär ergänzt: "Quote kann nicht die Ausrede sein."

Vielleicht ist das alles aber auch ein bisschen einfach. SPD-Frau Barley etwa kann mit der Mediendebatte elegant von den Problemen der eigenen Partei ablenken. Immerhin ist die SPD gerade auf knapp 20 Prozent geschrumpft. Auch die CDU hat bei der Wahl viele Stimmen verloren. Jetzt gibt es - wie schön - wieder ein gemeinsames Feindbild: die Medien.

Werden "die Medien" benutzt, um vom eigenen Versagen abzulenken?

Wen genau die vier damit eigentlich meinen, wird nicht immer klar: Ist es Plasberg persönlich? Die Öffentlich-Rechtlichen? Oder gleich alle Medienhäuser? Klar ist nur, dass in dieser Sendung der universelle Sündenbock "die Medien" heißt. Sie müssen herhalten für Wahlniederlagen, Stimmenverluste und sonstiges politisches Ungemach. Ex-ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, der als Gast in der Sendung sitzt, sieht deshalb die Gefahr einer "Instrumentalisierung der Medien", mit der man vom eigenen Unvermögen ablenken möchte.

Der Grüne Habeck nimmt zumindest zeitweise die Rolle ein, die die Redaktion ihm wohl zugedacht hatte: Zu erklären, ob eine Koalition aus Union, FDP und Grünen im Bund funktionieren konnte. Er schreit es beinahe: "Jamaika! Jamaika!" Denn seit einigen Monaten steckt Habeck in seiner Heimat Schleswig-Holstein selbst in so einem Bündnis. Durchaus erfolgreich sei das. Ohnehin scheint Habeck der geborene Jamaikaner zu sein. Er lässt Dorothee Bär von der CSU stets ausreden, pflichtet ihr wenn nötig auch bei. Ein erstaunlicher Kuschelkurs, den er auch gegenüber FDP-Mann Lambsdorff beibehält.

Wenn aber in "den Medien" doch mal etwas Richtiges steht, ist es auch nicht recht. Plasberg zitiert aus einem Artikel des Welt-Chefredakteurs Ulf Poschardt. Der merkt an, nur weil in Berlin-Prenzlauer Berg die Lebenswelten von FDP- und Grünen-Anhängern so schön zusammenpassten, ergäbe das noch keine Jamaika-Koalition. Das ist jetzt kein besonders origineller Gedanke, aber eben auch kaum von der Hand zu weisen. Habeck wischt den Einwurf als eine der "Poschardt'schen Leichtigkeitsfloskeln" weg, sagt aber selbst kaum etwas anderes.

Es entbehrt am Ende nicht einer gewissen Ironie, dass die vier Politiker von "den Medien" mehr inhaltliche Auseinandersetzung verlangen, an diesem Abend aber selbst kaum in der Lage sind, auch nur ein Thema näher zu besprechen, das ihre Wähler interessieren könnte.

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