Geldsorgen:Ski-WM könnte Oberstdorf finanziell zugrunde richten

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Ob die Arbeiten für die WM rechtzeitig abgeschlossen sind, kann noch niemand sagen. Es wird auf jeden Fall knapp. Und teuer. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Den Zuschlag für die WM bekam der Markt auch deswegen, weil die Sportstätten schon da sind.
  • Die Modernisierung ist aber teurer als gedacht und wird voraussichtlich 38,5 Millionen kosten.
  • Die Zeit wird knapp: Der zuständige Landrat geht davon aus, dass 2020 zur Vor-WM noch nicht alles fertig sein wird.

Von Christian Rost und Christian Sebald, Oberstdorf

Diesmal kämpften die Oberstdorfer mit wirklich allen Mitteln um den Zuschlag für eine nordische Ski-WM. Zum Vergabe-Kongress des internationalen Skiverbands FIS im Juni 2016 im mexikanischen Cancun hatten sie ihre Jodler einfliegen lassen und jede Menge Honoratioren. Die Rechnung ging auf. Oberstdorf ist 2021 Austragungsort für die Titelkämpfe im Skispringen, im Skilanglauf und in der nordischen Kombination.

Als die Entscheidung klar war, herrschte Euphorie bei den deutschen Sportfunktionären. "Die Freude über das positive Votum ist riesengroß", sagte Franz Steinle, der Präsident des deutschen Skiverbands. "Als WM-Gastgeber wollen wir 2021 dort weitermachen, wo wir 2005 aufgehört haben", als Oberstdorf bereits Austragungsort der nordischen Weltmeisterschaft war.

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Was Steinle als freudige Vorausschau auf das Sport-Event, die ausgelassene Stimmung dort und die vielen schönen Fernsehbilder gemeint hatte, bekommt nun, da es um die Finanzierung der WM 2021 geht, einen ganz besonderen Beigeschmack. Denn finanziell gesehen war die WM 2005 ein solches Desaster für Oberstdorf, dass sich der Wintersportort auf Jahre hinaus nicht davon erholt hat. Die Gemeinde ging praktisch pleite, Bürgermeister Laurent Mies (Freie Wähler) musste wenige Jahre später eine Haushaltssperre verhängen.

So wie es derzeit aussieht, dürfte sich dieses Abenteuer bei der WM 2021 nicht nur wiederholen. Inzwischen ist vielmehr das Risiko hoch, dass nicht einmal die Um- und Ausbauten des Skilanglaufstadions Ried und des Skisprungstadions am Schattenberg pünktlich abgeschlossen werden können. Sie müssen schon 2020 zur Verfügung stehen - für die sogenannte Vor-WM, die ein Jahr vor der eigentlichen Weltmeisterschaft stattfindet. Oberstdorf knüpft gleichsam nahtlos an das Chaos an, das die WM 2005 in der Gemeinde hinterlassen hat.

Die Kosten für die Modernisierung der beiden Sportstätten sind immens. Zwar hat sich der Gemeinderat nach zähem Ringen nun darauf geeinigt, dass man statt der geplanten 49 Millionen Euro nicht mehr als 38,5 Millionen Euro ausgeben will. Aber das sind immer noch 14,5 Millionen Euro mehr, als die Um- und Ausbauten der beiden Stadien für die WM 2005 verschlungen haben. Dabei war es im Juni 2016 ein wichtiges Kriterium für den Zuschlag an Oberstdorf, dass dort alle nötigen Sportstätten schon vorhanden sind und nur an die aktuellen FIS-Standards angepasst werden müssen. Einigen Lokalpolitikern zufolge standen als Kosten dafür "maximal zehn Millionen Euro" im Raum.

Jetzt also 38,5 Millionen. Aber auch diese Zahl ist nur eine grobe Schätzung, wie Bürgermeister Mies einräumen muss. "Wir mussten einen Betrag anmelden, um Fördermittel zu bekommen." Der endgültige Finanzierungsbeschluss soll "irgendwann" im kommenden Jahr gefasst werden. Die 38,5 Millionen seien aber ein "realistischer Kostenrahmen", sagt Mies. Wie teuer die WM am Ende wird, kann der Bürgermeister "beim besten Willen nicht sagen". Natürlich gebe es Unsicherheitsfaktoren. Angesichts der guten Konjunktur verlangten einige Baufirmen "Mondpreise". Die Gesamtkosten werde man jedenfalls erst nach der Ausschreibung der einzelnen Gewerke beziffern können, so Mies. Oberstdorf plant also mit vielen Unbekannten.

Wie bedrohlich die Lage für den Ort ist, kann man an der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Landtagsgrünen zur WM 2021 erkennen. "Es wird darauf zu achten sein, dass nicht am Ende die deutlich überschuldete Gemeinde in die Verantwortung genommen wird", schreibt Innenstaatssekretär Gerhard Eck da. Oberstdorf hat derzeit 49 Millionen Euro Schulden. Das entspreche einer Pro-Kopf-Verschuldung von 5088 Euro. In vergleichbaren Gemeinden beträgt die Pro-Kopf-Verschuldung 791 Euro. "Hier wird Geld verbrannt in einem Wintersport-Strohfeuer, das nur zwei Wochen lodert", lautet denn auch das Urteil des Chefs der Landtagsgrünen, Ludwig Hartmann.

2005 pumpte sich die Gemeinde das fehlende Geld von ihrer Bevölkerung

Hinzu kommt, dass völlig offen ist, in welcher Höhe Freistaat und Bund die Kosten bezuschussen. Der Oberallgäuer Landrat Anton Klotz (CSU), der die WM-Ertüchtigung der Sportstätten als Infrastrukturprojekt bezeichnet, gibt sich optimistisch. 90 Prozent der Kosten würden Land und Bund übernehmen, den Rest teilten sich Kommune und Kreis. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) habe seine Unterstützung bei der Allgäuer Festwoche zugesagt, so Klotz. Ein so hoher Fördersatz wäre außergewöhnlich, aber wohl möglich.

2005 gab Oberstdorf 23,8 Millionen Euro für Um- und Ausbauten seiner nordischen Wettkampfstätten aus. Freistaat und Bund übernahmen 14,4 Millionen Euro. Das entspricht einem Fördersatz von 61 Prozent. Damals legte die Gemeinde in ihrer Not Schuldscheine auf und pumpte sich das fehlende Geld für die WM von ihrer Bevölkerung. Sonst hätte sie das Spektakel nicht finanzieren können.

Heute fordern die Oberstdorfer Grünen, das Bauprogramm für 2021 weiter abzuspecken. Die Finanzierung ist aber nur ein Problem, das bewältigt werden muss. Für den Ausbau der Sportstätten läuft den Oberstdorfern die Zeit davon. Landrat Klotz spricht von einer "gewaltigen Herausforderung", und er geht davon aus, dass 2020, also zur Vor-WM, noch nicht alles fertig sein wird. Verantwortlich ist dafür aus seiner Sicht der Gemeinderat, der sich Zeit gelassen hat bei der Planung.

Die Gemeinde hätte schon 2016 ihre Beschlüsse zum Ausbau fassen können, ärgert sich Klotz. Um den Zeitplan einigermaßen halten zu können, "darf jetzt keiner mehr schlafen". Bürgermeister Mies weist die Kritik zurück. Die Gemeinde plane methodisch und wolle ein nachhaltiges Bauprogramm. "Die Sportanlagen sollen später ja nicht rumstehen, sondern für den Breitensport genutzt werden können." Doch auch Mies ist klar, dass es knapp wird, wenn erst 2018 der erste Spatenstich erfolgt. "Das bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe."

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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